Sich von vornherein ausschließlich auf eine der beiden Windenergie-Arten festzulegen, ist also nicht sinnvoll. Die zwei Techniken ergänzen sich eher als dass sie im Wettbewerb zueinander stünden. Auch die Experten aus der Branche geben sich hier überwiegend neutral: »Die Frage nach Vor- und Nachteilen von Onshore und Offshore ist eigentlich nicht sachgerecht«, betont Thorsten Herdan, Geschäftsführer der Fachverbände Power Systems sowie Motoren und Systeme im VDMA. »Unter dem Strich sind die Costs of Energy (CoE) die relevante Größe. Hier ist festzustellen, dass die CoE der Offshore-Windenergie noch höher sind, weil deren Entwicklungsstand etwa 20 Jahre hinter dem der Onshore-Windenergie liegt.« Allerdings habe die Offshore-Windenergie erhebliche Kostensenkungspotentiale: »Wir gehen davon aus, dass deren CoE mittelfristig auf dem CoE-Niveau der Onshore-Windenergie liegen werden«, erläutert Herdan. »Generell ist bei der Offshore-Windenergie mit höheren Kosten bei Planung, Errichtung, Infrastruktur und Service zu rechnen, die sich allerdings durch die höheren Stromerträge aufgrund der besseren und gleichmäßigeren Windverhältnisse kompensieren lassen. Bei der Offshore-Windenergie handelt es sich im Vergleich zur Onshore-Windenergie um Großanlagenbau mit großen Investitionsvolumina und Risiken, aber auch entsprechenden Skaleneffekten und Synergien.« Im Energiemix seien beide Technologien sinnvoll und notwendig.
Bernd Neddermann, beim DEWI für Research & Studies zuständig, nennt folgende Vorteile der Onshore-Windenergienutzung: »langjährige Erfahrungen, ausgereifte Technologie, kalkulierbare Risiken für Finanzierung und Versicherung, standortoptimierte Anlagenkonzepte sowie niedrigere Investitionskosten«. Von Nachteil seien »die geringeren Erträge und stärkeren Schwankungen der Stromerzeugung, weil gute Standorte bereits belegt sind und zunehmend Binnenlandstandorte genutzt werden«. Für die Offshore-Windenergienutzung spricht aus Neddermanns Sicht, dass »die günstigen Windverhältnisse deutlich höhere Stromerträge und eine Verstetigung der Stromerzeugung ermöglichen«. Als Contra-Argumente nennt er »die geringe Erfahrung mit Installation und Betriebsverhalten der geplanten Anlagen (3-6 MW) auf See, den großen Aufwand für Montage und Wartung an schwer zugänglichen Standorten (große Küstenentfernung und Wassertiefe, begrenzte Zeitfenster), die schwer kalkulierbaren Risiken für Finanzierung und Versicherung sowie die hohen Investitionskosten«. Die Offshore- sei derzeit noch deutlich teurer als die Onshore-Nutzung.
Als Vertreter eines sowohl onshore als auch offshore aktiven WEA-Herstellers hat Norbert Giese, Vice President Business Development Offshore bei der REpower Systems SE, in Sachen Vor- und Nachteile der beiden Konzepte schon praktische Erfahrungen gesammelt: »Offshore weht der Wind stetiger und mit einer höheren Geschwindigkeit als onshore, das wissen wir durch unsere Windprojekte in der Nordsee und im Englischen Kanal mit Sicherheit«, führt er aus. »Unsere Anlagen in Thornton Bank kommen beispielsweise auf rund 4000 Stunden unter Volllast pro Jahr.« Offshore seien also größere und gleichmäßigere Erträge zu erwarten als onshore. »Dem stehen höhere Investitionskosten gegenüber, die besonders Infrastruktur-Aspekte wie die maritime Logistik, den Netzanschluss und die Offshore-Fundamente betreffen«, sagt Giese. »Die Windenergieanlage an sich macht offshore nur noch rund 40 Prozent der Kosten aus. An Land entfällt auf die Maschine ein Anteil von etwa 70 bis 80 Prozent.«
Eine klare Position contra Offshore vertritt Walter Lutz, Leiter Public Relations beim WEA-Hersteller Fuhrländer AG, der sich auf Onshore beschränkt: »Problemfelder sind die aufwändige Gründung bei 30 bis 40 m Wassertiefe, die längeren Stillstandszeiten bei Störungen und die höhere Korrosionsbelastung«, führt er aus. »Hinzu kommen Probleme des Transports und Errichtens mit Spezialschiffen, die erst gebaut werden müssen. Außerdem erzeugen Offshore-WEA viel Energie an einem Ort, wo sie keiner braucht, so dass lange Übertragungsleitungen her müssen, um den Strom an Land zu den Menschen zu schaffen.«
Stromertrag onshore und offshore
Als Hauptargument pro Offshore scheint sich also der höhere und konstantere Stromertrag herauszukristallisieren – ein wichtiger Punkt, wenn es um den Ersatz fossiler Energieträger und der Atomkraft durch erneuerbare Energiequellen geht. »Die Windverhältnisse auf See sind in weiten Teilen Europas derart, dass sie im Durchschnitt doppelt so viele Volllaststunden wie ein durchschnittlicher Standort an Land ermöglichen«, verdeutlicht Thorsten Herdan. »Somit ist auch der Ertrag bei gleicher elektrischer Leistung um den Faktor 2 höher. Außerdem weht der Wind auf See stetiger, was nicht nur mehr Volllaststunden ermöglicht, sondern auch systemtechnisch hilft.« Die Erzeugung von Strom aus Offshore-Windenergie unterstütze folglich im Erzeugungsmix eine bedarfsgerechtere Versorgung mit erneuerbaren Energien.
Bernd Neddermann stimmt ihm zu: »Offshore erreicht eine Windenergieanlage etwa die 2- bis 2,5-fache Stromerzeugung gegenüber dem Betrieb an Land; Ausnahme sind sehr gute Standorte an der Küste«, führt er aus. »Stromerzeugung auf See ist stetiger, während es an Land deutliche Schwankungen gibt.« Norbert Giese kann auf entsprechende Erfahrungen verweisen: »Auch wenn an Land große Unterschiede bezüglich der Windgunst bestehen, lassen sich – ganz grob – an Land etwa 2000 Volllaststunden und auf See ungefähr 4000 Volllaststunden veranschlagen«, sagt er. »Auf der Ostsee ist dies etwas weniger.«