Wer wissen will, wie die optimierte Zukunft unserer Stromnetze aussieht, konnte sich davon auf der Abschlussveranstaltung des E-Energy-Projekts »Modellstadt Mannheim« (moma) ein Bild machen. Auf der Veranstaltung wurden die Ergebnisse des vierjährigen Testlaufs eines zellulär konzipierten Smart Grid vorgestellt.
Dr. Werner Dub, Vorstand der Mannheimer MVV Energie AG, zog ein positives Fazit des Modellprojektes. Der Aufbau des intelligenten Energienetzes ist gelungen, (selbst-)steuerbar und kommunikationsfähig, dank Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Detailliert dokumentiert moma die Auswirkungen von variablen Stromtarifen auf das Verbrauchsverhalten der Netzteilnehmer. Erkennbar ist: Durch Tarifanreize entstehen nennenswerte Lastverschiebungen. Es gelang, aus vielen dezentralen Einheiten erneuerbarer Energieerzeugung ein »smartes« Energienetz stabil zu designen. »Zellulär« - so wird das Energienetz der Zukunft organisiert sein. Die heutige Top-down-Stromversorgung wird zur Ausnahme, stattdessen bestimmen »autonome Zellen« die Erzeuger- und Verbraucherstruktur von morgen. Schon heute gibt es bundesweit 1,3 Millionen dezentrale Energieerzeuger. Die müssen miteinander interagieren und kommunizieren, wenn das dezentrale Netz funktionieren soll.
Diese Dynamik war bei Projektbeginn noch nicht absehbar. Manche der Anfangsideen »wurden von der Realität überholt«, so Dr. Dub. »2008 konnte sich manch einer nicht vorstellen, dass die Energiewende so schnell Fahrt aufnehmen würde. Niemand sprach vor fünf Jahren von »Energiewende«, der Ort Fukushima war unbekannt. Die gedankliche Projektüberschrift lautete »Energieeffizienz«. Nach Ausrufung der Energiewende durch die Bundeskanzlerin wurde deutlich: moma schafft deren organisatorischen und architektonischen Grundlagen. Wie können die heutigen und künftigen dezentralen Erzeuger mit den 20 Millionen Verbrauchern störungsfrei im Grid vernetzt werden?
»Learning by doing« hieß die Devise der angewandten Forschung made in Mannheim. Selbstironisch zeigte Prof. Wolfgang Kottnik von der MVV AG eine Kugelschreiber-Skizze, mit der das Projekt 2007 erste Formen annahm. Mitte 2007 hatte es Brainstormings zwischen der MVV AG und IBM gegeben, bei denen man überlegte, sich um einen Preis des Bundeswirtschaftsministeriums zu bewerben. Selbstbewusst verneinte Prof. Kottnik die Frage, ob er als gelernter Maschinenbauer immer gewusst habe, wovon sein Gegenüber von IBM da redete. Der Auszeichnung im Wettbewerb »E-Energy - IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft« folgte der »große« Projektantrag und 2008 die Zusage des Berliner Umweltministeriums, das Projekt moma mit 10 Millionen Euro zu fördern.
moma ist eine von sechs Modellregionen, die im Rahmen der Initiative »E-Energy - IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft« von Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium gefördert werden. Steuergelder bringen hier Schlüsseltechnologien und Geschäftsmodelle für die Energiewende zur Marktreife.
Sein Ziel hat das Projekt moma erreicht: Ein intelligentes, dezentrales Energie- und Wärmeversorgungsnetz ist realisiert, dessen Preise und Verbräuche sich variabel Angebot und Nachfrage anpassen. Alexander Folz vom Bundesministerium für Umwelt lobte in Mannheim, dass real gezeigt werden konnte, »dass sich der Kunde beteiligt und sein Verbrauchsverhalten nach den Preissignalen ändert und seine Last verschieben kann«. Dr. Alexander Tettenborn, Referatsleiter im Bundeswirtschaftsministerium, unterstrich, mit den erzielten »10 Prozent Lastverschiebung, zum Teil bis zu 20 Prozent im gewerblichen Bereich, der mit 75 Prozent Stromverbrauch eine Rolle spielt, haben wir einen ganz entscheidenden Beitrag zur Optimierung geleistet. Das ist ein Modell für die Zukunft, es wird kommen.«
Im Mannheimer Gemeinschaftsprojekt haben acht Projektpartner die MVV Energie AG mit ihrem Know-how unterstützt: die DREWAG Stadtwerke Dresden GmbH, die IBM Deutschland Unternehmensberatung Global Business Services, das IFEU Institut für Umweltforschung, das Fraunhofer IWES Institut, die Papendorf Software Engineering GmbH, die PowerPlus Communications AG und die Universität Duisburg-Essen.
Das geschaffene Energienetzdesign trägt den Anforderungen schwankender und dezentraler Energieerzeugung durch kleine Einheiten erneuerbarer Energieerzeugung Rechnung und stimmt sie durch informationstechnische Rückkopplungsmechanismen optimal mit den Energieverbräuchen ab. Damit sind noch nicht alle möglichen Probleme einer überwiegend erneuerbaren Energieversorgung eliminiert, wie Dr. Frieder Schmitt, Leiter der Konzernabteilung Technologie und Innovation von MVV Energie, erläuterte, bei 80 bis 90 Prozent regenerativer Energieversorgung werden Residuallasten »stark schwanken, mit starken Gradienten, was Herausforderungen für die Systeme darstellt, da werden die Prognosen sehr wichtig sein.« Auch die Preisgestaltung der »wertvollen subventionierten erneuerbaren Energien« in Zeiten negativer Residuallasten ist noch nicht zufriedenstellend gelöst: »Am zweiten Weihnachtstag 2012 hatten wir einen Preis von minus 400 Euro«, so Schmitt.