Immer noch wird die mangelnde Interoperabilität zwischen den Geräten im Haushalt beklagt, die der Heimautomatisierung entgegensteht. Der VDE prüft nun Geräte auf ihre Interoperabilität und vergibt Zertifikate. So hat RWE hat bereits für SmartHome eine solche Zertifizierung vom VDE bereits bekommen. Wird Digitalstrom auch diesen Weg gehen?
Wir glauben nicht an diesen Ansatz der Interoperabilität zwischen Systemen. Herkömmliche Bussysteme mit einer zentralen Steuerung und Digitalstrom werden aus rein technischen Gründen niemals interoperabel sein. Sie schalten den Strom ab, während Digitalstrom über die Stromleitung kommuniziert und so Geräte digitalisiert und vernetzt. Das ist der Grund, warum eine mit Digitalstrom ausgestattete, gesteckte Leuchte innerhalb zentraler Bussysteme nicht funktionieren kann. Wenn sich Kunden für Digitalstrom entschieden haben, dann geht es nicht darum, andere Systeme, sondern weitere Geräte zu integrieren. Es kommt darauf an, auf offene Schnittstellen zu setzen, dann wird es auch vernetzte Systeme geben, die funktionieren. Offene Schnittstellen stellen Interoperabilität sicher! Immerhin leben wir im Zeitalter des Internets. Es käme also darauf an, die Schnittstellen zu zertifizieren. Und bei der Zertifizierung der Interoperabilität stellt sich die Frage, wie man mit den Software-Updates umgehen soll. Nach jedem Security-Patch die Software wieder neue zertifizieren zu müssen, halte ich für wenig praktikabel.
Kann dann der Anwender sicher sein, über ein zukunftsfähiges System zu verfügen, wenn er auf Digitalstrom setzt?
Ja, denn Digitalstrom schafft die Vernetzung über offene Schnittstellen. Wir bieten die Infrastruktur, die vernetzt und orchestriert: Wenn die Musik über eine Sonos-Anlage abgespielt wird und jemand an der Tür klingelt, dann sorgt unser System dafür, dass die Musik stoppt und die Klingel ertönt. Unser System merkt, wenn der Herd seit 30 Minuten angeschaltet ist und dann kann eine Erinnerung ausgegeben werden. Oder wir binden – wie oben schon ausgeführt – die intelligente Heizung ein. Wir kümmern uns natürlich nicht um den Algorithmus der Heizungssteuerung selber, sondern um die Einbindung der Ventile und der Sensoren und die dazu erforderliche Steuerung. Eine vor 15 Jahren installierte Heizung kann damit auf Wetterdaten aus dem Internet zugreifen – woran vor 15 Jahren noch keiner gedacht hatte. Auf Basis dieses Konzepts bieten wir unseren Kunden die Flexibilität, auch künftige Entwicklungen – was immer sie sein mögen – in unser System einzubinden.
Ist Digitalstrom jetzt als Marke im Markt bekannt?
Unter Elektrikern ist die Digitalstrom bekannt. Gleiches gilt für die Endkunden, die sich bereits intensiver mit der Heimvernetzung beschäftigen. Allerdings müssen wir uns im Klaren sein, dass wir immer noch in der Phase der Early Adopters sind. Es interessieren sich also rund 12 Prozent der Endkunden und 12 Prozent der Elektriker für Smart-Home-Systeme. Das bedeutet nach der Statistik aber eben auch: Die Chance, dass ein Endkunde mit Interesse auf einen Elektriker stößt, der ebenfalls Early Adopter ist, liegt bei 12 Prozent.
Elektriker und Installateure müssten also besser geschult werden?
Wir unternehmen in dieser Richtung einiges und das Handwerk wird sich über die Zeit an die neuen Techniken gewöhnen. Das war bei der Zentralheizung auch nicht anders, braucht aber seine Zeit.
Wie sehen sie sich derzeit im Wettbewerb positioniert?
Es gibt zum einen in sich geschlossene Systeme, die auf die Zusammenarbeit mit Partnern setzen. Ein solches Partnernetzwerk zu managen, dürfte aber mit der steigenden Zahl der Partner zunehmend schwieriger werden. Im direkten Vergleich sehen wir unseren offenen Ansatz als flexibler und schneller. Dann gibt es die Do-it-yourself-Angebote für Einzelanwendungen, die der Nutzer in einem gewissen Rahmen selbst installiert. Digitalstrom bietet eine Komplettvernetzung an. Hier stehen wir mit den Lösungen im Wettbewerb, die schon länger im Markt sind. Wir differenzieren uns gegenüber all diesen Angeboten, indem wir auf offene Schnittstellen setzen. Und was den Neubau betrifft: Hier ist unser größter Wettbewerb die klassische Installation – ohne die Infrastruktur für die Vernetzung.
Für die überwiegende Zahl der Neubauten ist Vernetzung immer noch kein Thema?
So ist es leider: Ein Kunde baut ein sehr teures Haus – und das erste, was er macht: Er rüstet es mit einem WLAN nach. Bei Strom und Wasser wäre das undenkbar. Aber die Vernetzung – einschließlich der Breitbandvernetzung! – liegt in der Gedankenwelt der Architekten, Planer aber auch beim Bauherren offenbar so weit weg, dass sich noch nicht einmal jemand darüber aufregt.
Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Wir führen Schulungen für Investoren und Planer durch und versuchen das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es wenig sinnvoll ist, einen Neubau ohne die Infrastruktur für digitale Services zu bauen. Wer jetzt plant und 2017 baut, der muss doch dafür sorgen, dass das Haus eine Infrastruktur enthält, die auch 2027 noch geeignet sein sollte.
Wie wird denn das Szenario 2027 aussehen?
2027 wird alles vernetzt sein. Unsere Häuser werden bzw. müssen bis dahin über eine gute Breitbandanbindung ans und im Haus verfügen. Darüber hinaus wird es in 12 Jahren eine Vielzahl intelligenter Algorithmen geben. Heutige Suchmaschinen, Wetterdienste und Sprachassistenten wie Google Now oder Nuance sind erst der Anfang. Diese intelligenten Services werden uns das Leben extrem vereinfachen und verbessern. In punkto Smart Home werden die Bewohner die Flexibilität solcher Systeme voll ausschöpfen: Bei einem Notruf kann jeder Lichtschalter für 10 Sekunden zum Türöffner werden, so dass ein andere Person Zugang hat – eine hilfreiche Funktion im Ambient-Assisted-Living-Bereich. Das ist aber schon heute möglich. Viele Entwicklungen können wir aber heute noch gar nicht voraussehen: Was bedeutet es, wenn jedes noch so einfache Geräte Zugang zu den leistungsfähigen Rechnern der Welt hat? Da werden wir noch eine Menge Überraschungen erleben.
Digitalstrom wird sich weiter auf Gebäude konzentrieren oder künftig auch industrielle Anwendungen anvisieren?
Wir konzentrieren uns auf das Smart Home und auf die Gebäudeautomatisierung – solange der Wohncharakter im Vordergrund steht wie bei Kanzleien, Arztpraxen und Hotels.
Wird Digitalstrom weiterhin die Vernetzung strikt auf Basis der Powerline-Communication durchführen oder sind künftig auch Funksysteme geplant?
Nein, Funklösungen entsprechen nicht unserer Strategie. Die Kommunikation über Kabel bietet aus meiner Sicht mehrere Vorteile. Erstens geht sie problemlos durch Wände, und zwar – im Gegensatz zu Funk – nur durch die Wände, durch die man kommunizieren will. Zweitens lässt sich die Kommunikation über Kabel immer einfacher managen als über Funk. Wird ein neues Gerät an die Steckdose gesteckt, dann dauert es 20 Sekunden und es im System bekannt. Einfacher geht es kaum. Wird ein Router ausgetauscht, muss man nicht die Passwörter an 200 Geräten ändern. Deshalb sind verkabelte Systeme sehr zuverlässig massenmarkttauglich.
Wie sieht es mit Geräten aus, die keinen Kabelzugang haben?
Die Ausnahme sind natürlich Mobilgeräte, die über WLAN kommunizieren, die wir natürlich einbinden. Außerdem integrieren wir auch EnOcean-Produkte, um etwa mit Heizungsventilen in der Nachrüstung kommunizieren zu können. Das ist dann eine Ergänzung zu unserem System. Aber sobald die Energiezufuhr kein Problem darstellt und die Geräte stationär sind, dann setzen wir auf die Verkabelung.
Was haben sie sich für die kommenden zwölf Monate vorgenommen?
Im Vordergrund steht, das Ökosystem auszubauen und neue vernetzungsfähige Geräte einzubinden. Außerdem wollen wir unsere Service-Angebot erweitern. Besonders spannend ist es, intelligente Algorithmen zu integrieren, die dem vernetzten Haus neuen Schub geben. Da denke ich etwa an die Autokonfiguration, die den Elektriker entlastet. Wir arbeiten an einem Planungs-Tool, das den Elektriker bei der Inbetriebnahme begleitet. Er kann dann mit dem Kunden ein Pflichtenheft erstellen, um den Anfangszustand des Systems zu definieren. Sobald das System in Zusammenarbeit mit dem Kunden nach seinen Vorstellungen entworfen ist, gibt das Tool dem Elektriker die Materialliste aus und stellt einen Zeitplan auf. Der Elektriker kann dann schnell ein Angebot machen und die erforderlichen Komponenten bestellen. Ist alles installiert, dann wird das System auf Knopfdruck konfiguriert und ist bereit. Dann kann es der Kunde nach seinen Vorstellungen adaptieren.