Das Thema der in Vergleich zu den USA und Asien geringen Stückzahlen beschäftigt auch die übrigen Diskussionsteilnehmer. Gleichzeitig ist es genau der von verschiedenen nationalen Vorschriften gekennzeichnete europäische Markt mit seinen manchmal kleinen Stückzahlen, der Distributoren, die bereit sind, Dienstleistungen anzubieten, ein weites Feld an Value-Add-Möglichkeiten bietet. Wertige Projekte haben selten mit großvolumigen Standardnetzteilen zu tun, sondern drehen sich um angepasste, kundenspezifisch optimierte und ausgerichtete Netzteillösungen.
Genau das beantwortet auch eine andere Frage, nämlich die, warum sich angesichts der großen Vielzahl von Stromversorgungs-Herstellern gerade in Asien immer wieder nur bekannte Namen auf den Linecards der Distributoren finden lassen. Der Markt in Europa ist aufgrund seiner Unterschiedlichkeit zu anspruchsvoll und vielen Herstellern auch zu klein. »Taiwanesen und Chinesen gehen da lieber den einfacheren Weg«, erläutert Schierenbeck, »sie bedienen den US-Markt, für den sie unter anderem auch kein CE-Zeichen brauchen.« Bei einigen Unternehmen, so Rutz, stehe der Staat hinter den Firmen und habe ein Interesse daran, dass sie exportieren und neue Märkte erschließen, »aber allein schon, wenn die dann hören, welche Stecker sie hier brauchen, winken sie ab und wenden sich dem US-Markt zu. Unternehmen wie PowerLD, die auch den Schritt nach Europa wagen, sind da eher die Ausnahme«.
Stromversorgungen 1 : 1 mit Second-Hand-Bauteilen nachgebaut
Traum will seinen Kunden aber auch gar nicht zumuten, von vielen dieser asiatischen Hersteller beliefert zu werden. »Da werden Stromversorgungen 1 : 1 mit Second-Hand-Bauteilen nachgebaut«, schildert er die gröbsten Ausreißer. »Natürlich gibt es dort auch gute Hersteller, aber die können Sie an zwei Händen abzählen.« Ohne mehrere Audits wird bei Emtron deshalb kein Hersteller qualifiziert. Wobei es gar nicht immer um die Qualität der Produkte geht, sondern immer häufiger Compliance-Angelegenheiten im Mittelpunkt stehen. »Es gibt Kunden, von denen erhalten Sie keine Anfrage mehr, solange Sie ihm nicht schriftlich versichert haben, dass die Produkte unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen entstanden sind und niemand in der Produktion unter 16 Jahren alt ist.«
Die Tatsache, dass, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die deutschen Stromversorgungs-Hersteller die Distribution wenn, dann fast nur im Ausland nutzen, hat nach Einschätzung der Diskussionsteilnehmer vor allem damit zu tun, dass die wenigsten davon Standard-Netzteile oder DC/DC-Wandler anbieten. Dazu kommt, dass viele von ihnen naturgemäß über eine eigene, starke Vertriebsmannschaft verfügen. Landschoof verweist auf das Beispiel Phoenix Contact: »Man muss auch zugegeben, dass die Distribution vor 5 bis 10 Jahren in ihrer Breite sicherlich auch noch nicht die notwendige Kompetenz hatte, um solche Produkte erfolgreich jenseits des Box-Movings zu betreuen.«
Inzwischen gibt es Beispiele wie etwa Recom Electronics, die erfolgreich ihr Geschäft gerade auch über die Distribution vorantreiben. Für die kleinen Wandler finden sich aber auch weltweit immer neue Anwendungsmöglichkeiten. Anders sieht es bei überwiegend kundenspezifischen Lösungen aus. Da müssen dann im Zweifel die Entwickler ran, weil die eigenen Vertriebsleute mit den technischen Details überfordert sind. Rutz macht auch noch darauf aufmerksam, »dass einige auch ganz klar sagen, dass sie überhaupt nicht die Kapazitäten hätten, um das alles zu bearbeiten, was da über die Distribution reinkommen würde«.