Allgemein kann man sagen, dass jedes Land mit einem maritimen Industriesektor seine eigene Zulassungsbehörde mit speziellen lokalen Ansprüchen hat. Für Netzteilentwickler bedeutet das, dass sie immer die Endanwendung, in der die Netzteile installiert werden sollen, im Auge haben müssen. Es gibt zwar eine allgemeine Gruppe von Standards und Qualifizierungsprozessen als Basis in allen Ländern, zugleich existieren jedoch von Land zu Land und in verschiedenen Untersegmenten eine ganze Reihe sehr spezieller Anforderungen, die die Komplexität signifikant erhöhen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es de facto keine Schnittmenge der allgemeinen Standards mit den spezifischen gibt. Bevor Netzteilentwickler überhaupt mit einem Design starten können, müssen sie bei jedem neuen Projekt zunächst eine große Anzahl verschiedener Dokumente prüfen.
Eine nachhaltige Arbeitsweise stellt sicher, dass die Netzteillösungen überall auf der Welt eingesetzt werden können. Dafür haben die Netzteil-Designer die Anforderungen aller Länder, die in der maritimen Industrie aktiv sind, in einer Querverweistabelle zusammengetragen, in der Gemeinsamkeiten sowie spezielle Maßnahmen im Fall von gravierenden Abweichungen dargestellt sind (zum Beispiel höhere Ansprüche an Schwingungs- und Stoßbeanspruchung). Sobald eine solche Übersicht vorliegt, können die schärfsten Anforderungen für jede Kategorie selektiert werden und als Referenz für Design, Prüfung und Qualifizierung des endgültigen Netzteils herangezogen werden. Das geschieht immer in enger Zusammenarbeit mit dem Endkunden und reduziert damit das Risiko unzureichender Spezifikation oder gar des Verfehlens der Zulassung.
Aus dieser Design-Methodik in Kombination mit einem tiefen Verständnis von lokalen Standards und Regularien resultiert eine Testroutine, die sowohl internationale als auch lokale Anforderungen erfüllt. Diese Testroutine wird dann gleichermaßen auf alle Produkte angewendet. Das vereinfacht am Ende den Zulassungsprozess und sorgt gleichzeitig dafür, dass die Netzteile weltweit in jedem Land eingesetzt werden können, sowohl bei Reparaturbedarf als auch bei Systemerweiterungen.
In der Regel erwarten die Kunden aus der maritimen Industrie, dass die Netzteile das Zertifikat des Germanischen Lloyd (GL) besitzen und auch dessen Siegel tragen. Wegen der intensiven Tests zum Nachweis der Einhaltung von EN 60945 werden meist zusätzliche Zertifikate verlangt, zum Beispiel von Bureau Veritas (BV), Lloyds Register (LRS), America Bureau of Shipping (ABS), Det Norske Veritas (DNV), Korean Register of Shipping (KR) und vielen anderen Organisationen aus der maritimen Welt.
Mit der steigenden Zahl von Embedded-Systemen wächst in der Schiffselektronik der Bedarf für mehr Funktionalität auf engem Raum. Heutzutage möchten die Eigner ihre Schiffe sowohl für Passagiere wie auch für die Crew mit Breitband-Internet-Verbindungen ausstatten, möglichst mit den gleichen Features wie an Land.
Außerdem werden beispielsweise Navigationssysteme heute direkt in Monitoren verbaut. Dafür werden sehr kompakte Netzteile benötigt, die in beengter Umgebung ohne Lüfter betrieben werden können. Solche Wandler müssen für die Kontaktflächenkühlung ausgelegt werden, bei der ein besonderes Augenmerk auf die Platzierung der wärmeerzeugenden Bauelemente gelegt werden muss (Bild 1).
In den meisten Schaltschränken und Verteilern werden Netzteile bevorzugt in Gehäusen für die DIN-Schienen-Montage verwendet, weil sie einfacher zu installieren, zu warten und zu erweitern sind. Das ist in der Regel auch in der Schiffstechnik der Fall; dennoch werden hier auch häufig Netzteile gefordert, die für den dezentralen Einsatz an verschiedensten Stellen auf dem Schiff geeignet sind. Für diese Einsatzfälle ist immer die Kontaktflächenkühlung gefragt, die spezielle Maßnahmen im Layout erfordert (Bild 2).
Um immer mehr Leistung in immer kleineren Gehäusen unterbringen zu können, ist ein immer höherer Grad an integrierten Leistungsschaltkreisen erforderlich. Dabei soll der Wirkungsgrad so hoch wie möglich sein, denn ein kleineres Gehäuse bedeutet gleichzeitig auch eine kleinere Fläche zur Wärmeableitung. Durch die Verwendung moderner Resonanz- und Schaltreglertechnologien werden Wirkungsgrade bis zu 95 % erreicht. Dennoch erforschen Netzteil-Designer heute neue Technologien wie digitale Regelung oder die neuste Generation von Gallium-Nitrid-Power-FETs (GaN), um eine höhere Effizienz und eine flachere Kurve zu erreichen, das heißt ein gleichmäßig hoher Wirkungsgrad unabhängig von der Last. Während diese neuen Technologien erforscht werden, bestehen gleichzeitig die extrem hohen Anforderungen des maritimen Umfeldes an die Ausfallsicherheit: Die Schiffe sind schließlich oft wochenlang mitten auf dem Meer, weit entfernt vom Land unterwegs. Die neuen Technologien müssen also bereits im Entwicklungsstadium ihre Tauglichkeit für extreme Bedingungen unter Beweis stellen. Das ist ein fortlaufender Prozess, der auch für die unbemannte Schifffahrt der Zukunft zwingend erforderlich ist, denn hier wird Wartung und Reparatur im laufenden Betrieb nahezu unmöglich sein.
Zuverlässigkeit und Null-Ausfallzeit sind der Maßstab. Dafür müssen Netzteile im Redundanzbetrieb parallelgeschaltet werden können. Üblicherweise kommen dafür externe Oring-Module zum Einsatz, die oft die gleichen Abmessungen wie das Netzteil selbst aufweisen. Dieser konventionelle Weg scheint jedoch langsam zu verschwinden. Zunehmend werden dafür elektronische Schaltkreise verwendet, die im Netzteil selbst verbaut sind. Damit wurde zwar extern mehr Platz geschaffen, um weiteres Equipment unterbringen zu können, aber die Netzteilentwickler haben mit der Herausforderung zu kämpfen, noch mehr Elektronik in kleineren Gehäusen unterzubringen.