Das Urteil des OVG Münster hatte hohe Wellen geschlagen: Ist der Smart Meter Rollout bedroht?
Zunächst herrschte nach dem Urteil Unsicherheit am Markt, Smart-Meter-Gateway-Bestellungen wurden zurückgehalten. Denn das Gericht schien in einem Eilbeschluss davon auszugehen, dass die intelligenten Messstellen sämtliche Funktionen einer erst am Ende der Entwicklung zu erreichenden Endstufe schon jetzt erfüllen müssten. Weil die aktuelle Generation den im Gesetz beschriebenen Funktionsumfang nicht aufweist, dürfe das BSI den Einbau nicht anordnen.
Allerdings wurde schnell klar: »Das Urteil betrifft nur den Kläger, der seine nicht zertifizierten Messsysteme weiter einsetzen möchte«, wie Dr. Peter Heuell, Geschäftsführer von EMH metering, im Interview mit Markt&Technik erklärte.
Deshalb beruhigte sich die Lage schnell, kaum einer rechnet damit, dass das Urteil des OVG Münster zu einer Verzögerung des Rollouts führen wird. »Die meisten Beteiligten wollen den Zuwachs im Rollout und machen unbeeindruckt weiter, wir auch«, erklärte Ingo Schönberg, CEO von PPC, im Interview mit Markt&Technik. Denn die Messstellenbetreiber hätten schon viel Geld in die Investitionen für die erforderliche IT-Infrastruktur gesteckt. »Jetzt müssen sie die intelligenten Gateways installieren, um Umsatz zu generieren. Zum Beispiel arbeiten wir inzwischen mit mehr als 60 Unternehmen zusammen, die unsere Lieferkette für Smart Meter Gateways nutzen«, so Schönberg.
»Wir bei smartOptimo werden zusammen mit unseren Stadtwerken im Netzwerk weiterhin mit gleichbleibender Intensität die Vorbereitungen und Feldtests vorantreiben. Mit diesen Ergebnissen und Erfahrungen können wir später den Hochlauf der Mengen eventuell noch beschleunigen«, sagte Dr. Fritz Wengeler, Geschäftsführer von smartOptimo.
Außerdem kommt hinzu, dass die Messstellenbetreiber, die ihre Grundzuständigkeit nicht verlieren wollen, über die ersten drei Jahre mindestens 10 Prozent der Pflichteinbaufälle geschafft haben müssen. Insgesamt wären das ungefähr 300.000 bis 400.000 Gateways. Zwischen 50.000 und 100.000 dürften nach Schätzung von Ingo Schönberg bereits installiert sein.
»Bei den 10 Prozent handelt es sich allerdings nur um das Warmlaufen, danach geht es erst so richtig los«, sagt Marco Sauer, Head of Regulatory Affairs & Business Development Smart Energy von Theben im Interview mit Markt&Technik. »Danach müssen die Prozesse eingefahren sein und automatisiert ablaufen.« Denn insgesamt sind in Deutschland allein verbrauchsabhängig zwischen 7 und 8 Millionen Smart Meter Gateways zu installieren. »Dazu kommen noch die Bedarfe für die Ladesäulen der Elektrofahrzeuge, sodass wir auf eine Gesamtzahl von 15 Millionen Smart Meter Gateways kommen, die über die nächsten Jahre verbaut werden müssen«, ergänzt Schönberg.
Derzeit herrsche deshalb Aufbruchstimmung, wie Marco Sauer erklärt: »Jetzt müssen die sicheren Lieferketten und die Prozesse etabliert werden, um die riesige Anzahl an Smart Meter Gateways effektiv installieren zu können.«
Grundsätzlich dürften die meisten Beteiligten von der Notwendigkeit der Smart Meter Gateways überzeugt sein. »Sie bilden ein wesentliches Element in der Energiewende, beispielsweise in der Elektromobilität oder in der Wohnungs- und Energiewirtschaft, wo jetzt die klassischen Stromzähler und das Submetering endlich zusammenwachsen«, erklärt Schönberg. Aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen und der ebenfalls erforderlichen Interoperabilität zwischen den Geräten könnten proprietäre Systeme künftig keine Rolle mehr spielen.
Oder wie Heinrich Lang, ifed-Institut und Vorsitzender der EDNA-Projektgruppe WiM im edna Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation, formuliert: »Das Problem ist die Netzstabilität: Das Smart Meter Gateway ist künftig die zentrale Schaltstelle, wenn es darum geht, ein „Zuviel“ oder „Zuwenig“ bei Stromproduktion und -verbrauch zu verhindern und damit auch die Über- oder Unterlastung der Netze zu vermeiden – und damit einen möglichen Blackout. Kurz gesagt: Ohne das Smart Meter Gateway funktioniert die Energiewende am Ende nicht.«