Interview mit Thomas Rechlin, Recom

»Der Beleuchtungsmarkt ist überreglementiert!«

28. Juni 2016, 9:30 Uhr | Andrea Gillhuber
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Wir wünschen uns an dieser Stelle mehr Kontrollen«

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Elektronik: Welchen Einfluss hat das Internet der Dinge auf die „intelligente“ Beleuchtung und die Entwicklung neuer LED-Ansteuerungen?

Rechlin: Das Internet der Dinge ist schon länger in aller Munde. Das Pro­blem ist, dass jeder in irgendeiner Form eine Applikation dafür hat. Überspitzt gesagt: Jedes konventionelle Produkt mit einer Schnittstelle ist IoT-tauglich. Im Beleuchtungssektor gibt es den Trend in Richtung „intelligenter Beleuchtung“ schon länger. Verkabelte Systeme mit Standards wie Dali oder DMX gibt es schon lange, ebenso wie Beleuchtungen mit ZigBee und anderen Funklösungen. Das Problem ist eher die Verbreitung, denn im normalen Beleuchtungsmarkt gibt es viele schon bestehende und nur wenige Neu-Installationen. Es ist schwierig, moderne Techniken in schon bestehende Systeme nachzurüsten. Außerdem spielt der Preis nach wie vor eine große Rolle. Für eine kommunikationsfähige Beleuchtung müsste ich z.B. ein Bussystem in mein Haus einbauen; hier ist mit bis zu 20.000 Euro Mehrkosten zu rechnen. Zwar entstehen dadurch über die Beleuchtung hinaus noch andere Vorteile, aber oft entscheiden sich die Kunden, das Geld eher an einer anderen Stelle zu investieren.

Elektronik: Das Internet der Dinge wird erst durch Interoperabilität möglich – es wird ein Standard benötigt. Welchen Stellenwert hat hier Ethernet?

Rechlin: Das ist schwer zu sagen. Es gibt entsprechende Schnittstellen-Module, mit denen ich einfach von einem System aufs andere übersetzen kann. Im Beleuchtungsbereich gibt es bewährte Systeme wie Dali oder KNX. Im nichtverkabelten Bereich ist im Moment ZigBee sehr stark und Blue­tooth Low Energy gewinnt auch immer mehr an Bedeutung. Aber keines der Systeme hat letzten Endes eine führende Marktstellung.

Elektronik: LEDs werden im Haus, in der Industrie und im Freien eingesetzt. Wie unterscheiden sich jeweils die Anforderungen an die LED-Ansteuerung?

Rechlin: Bei konventioneller Beleuchtung werden keine Schutzmaßnahmen wie Feuchtigkeits- oder Staubschutz benötigt. In diesem Bereich ist meistens ein Gerät mit IP20-Gehäuse ausreichend, das einfach zu bedienen ist und über einen universellen Spannungseingang verfügt. Im Außenbereich wie Wegebeleuchtung und Straßenbeleuchtung wird es schwieriger, denn hierbei müssen auch Umweltbedingungen berücksichtigt werden. Hier spielt der Feuchtigkeitsschutz nach IP67 eine wichtige Rolle. Bei der Straßenbeleuchtung ist es nötig, dass der LED-Treiber von vornherein bessere Schutzmechanismen mitbringt. Ein weiteres Thema ist das Temperaturverhalten: Meistens wird mit Umgebungstemperaturen von maximal +40 °C bis +50 °C gerechnet. Im Wohnungsbau entstehen schnell hohe Umgebungstemperaturen, z.B. in den Zwischendecken, wo sich die Luft staut. Hier muss der LED-Treiber einer höheren Umgebungstemperatur standhalten. Genauso bei der Straßenbeleuchtung: Bei einer Straßenlaterne sitzt die LED im Kopf, der den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt ist. Wird die Beleuchtung in der Dämmerung eingeschaltet, ist die Temperatur im Gehäuse mit hoher Wahrscheinlichkeit weit über den spezifizierten +40 oder +50 °C. In so einem Fall müssen die Produkte dementsprechend eine höhere Temperaturbelastbarkeit mitbringen.

Elektronik: Welche Rolle spielen Kühlungen?

Rechlin: Aktive Kühlung beispielsweise durch einen Lüfter ist bei Beleuchtungsanwendungen aufgrund der Geräuschentwicklung verpönt. Stattdessen wird versucht, die Temperatur z.B. über den Leuchtenkopf oder über das Design nach außen ins Gehäuse abzuleiten. Beim thermischen Design muss berücksichtigt werden, dass LEDs als Halbleiterbausteine immer viel Wärme abgeben und gut gekühlt sein müssen. Oft wird aber der Fehler gemacht, dass der LED-Treiber an demselben Kühlkörper mit angebunden wird. Da die LEDs viel Wärme abgeben, wird diese so dem LED-Treiber zugeführt. Das gilt es in jedem Fall zu vermeiden!

Elektronik: Wie wird sich der Markt in den nächsten fünf Jahren entwickeln?

Rechlin: Wir sehen im Moment, dass der Markt extrem preisgetrieben ist, und das wird wahrscheinlich auch so bleiben. Diesen Kundenwunsch versuchen wir mit einfacheren und günstigeren Produkten zu erfüllen. Natürlich wird es auch Nischensegmente geben, die nach intelligenteren Produkten verlangen.

Der Markt wird von Fernost bestimmt. Für den stark preisgetriebenen Markt werden einfachere Produkte entwickelt; aufwändige Technologien findet man eher in Nischen. Vielleicht ist das in zwei Jahren wieder anders, im Moment deutet aber alles auf niedrige Preise hin.
Interessant wird sein, welche Schnittstelle sich am Markt durchsetzen wird – sowohl bei kabelgebundenen Geräten als auch bei Funk-Standards. Dali war auf einem guten Weg, allerdings hat sich hier durch die Unstimmigkeiten mit dem ZVEI ein Stillstand ergeben. Es wird sich zeigen, ob der Standard wieder Fahrt aufnehmen wird oder ob ein anderer Anbieter die Gunst der Stunde nutzt und in diesen Markt reingrätscht.

Elektronik: Wird es neue Energieeffizienz-Richtlinien geben, die den Markt noch beeinflussen könnten?

Rechlin: Es wird bestimmt neue Richtlinien geben, doch ist das schwer abzusehen. Zuletzt forderte die ErP-Richtlinie Grenzwerte für die Leerlaufleistung ein. Ich vermute, es wird hier noch schärfere Reglementierungen geben. Außerdem gehe ich davon aus, dass der amerikanische Standard Energy Star weiter verschärft wird. Aber natürlich sind das im Moment nur Vermutungen.

Elektronik: Wenn viel Ware aus Fernost kommt, wird es dann mehr Kontrollen geben?

Rechlin: Das würden wir uns wünschen. Der Beleuchtungsmarkt ist eigentlich überreglementiert: Es gibt länder- und regionsspezifische Normen, beispielsweise für Europa, Amerika oder Japan. Daneben gibt es noch weitere Regularien, z.B. die ErP-Richtlinie, die es zusätzlich einzuhalten gilt. Sollen alle Regularien erfüllt werden, wird ein Produkt natürlich teuer – insbesondere der Zertifizierungsprozess ist teuer. Allerdings verzichten vor allem chinesische Unternehmen auf diesen Zertifizierungsprozess bzw. auf das Einhalten der Regularien, da es aufgrund von mangelnden Kontrollen für sie zu keinen finanziellen Beeinträchtigungen kommt. Wir wünschen uns an dieser Stelle mehr Kontrollen und entsprechende Strafen. Es sollten keine Nachteile für diejenigen entstehen, die sich an die Richtlinien halten.

Thomas Rechlin
ist Senior FAE bei Recom Engineering in Gmunden, Österreich. Als staatlich geprüfter Elektrotechniker ist er seit mehr als 20 Jahren im Bereich der Elektronik tätig. Dabei entwickelte sich der Kunden-Support, im Speziellen das Application Engineering, zu seinem Schwerpunkt. In diesem Bereich leitet er das globale Application Engineering Team der Recom-Gruppe und betreut schwerpunktmäßig Kunden und Distributoren aus ganz Europa.

 

Der Interviewte



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  2. Wir wünschen uns an dieser Stelle mehr Kontrollen«

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