Bisherige technische Realisierungen richteten sich nach den bestehenden Standards: Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Herstellern und Anbietern so genannter LED-Retrofits, die wie die Glüh- oder Halogenlampen in die vorhandenen Sockel passen. Zwei wesentliche Unterschiede: Sie haben eine weitaus höhere Lebensdauer - vorausgesetzt, Designer und Hersteller haben ganze Arbeit geleistet - und verbrauchen weniger Strom. Und ein weiterer Unterschied ist der deutlich höhere Preis, der aber seit geraumer Zeit im Sinkflug ist. Und angesichts derzeit hoher Überkapazitäten dürfte sich dieser Trend fortsetzen.
Wäre es so gesehen nur noch eine Frage der Zeit, bis die LED-Retrofits die herkömmlichen Leuchtmittel ersetzen?
Dr. Kuhn, Direktor Application Engineering bei Osram Opto Semiconductors, erklärt die eigentliche Daseinsberechtigung von LED-Retrofits: »Retrofit ist ein Vehikel, um eine neue Technologie in den Markt zu bekommen. Die Retrofits werden deshalb irgendwann wieder verschwinden. Wenn ich die neue Technologie irgendwie in einen Glaskolben presse, kann ich nicht erwarten, dass ich ihre Vorteile ausschöpfen kann. Sie ist dann irgendwie eingeklemmt.«
Steffen Hermann, Abteilungsleiter Lighting und zuständig für das Endkundengeschäft beim Lichtplanungsunternehmen Rusol, nennt weitere Stolpersteine: »Wir haben schon ganz klare Erfahrungen mit LED-Retrofits gemacht. In der Tat geben sie viel Licht für wenig elektrische Leistung. Aber sobald ein Dimmer im Spiel ist, gibt es fast immer Probleme. Und der Kunde draußen hat am wenigsten Ahnung. Wie soll der Kunde denn wissen, ob die Niedervolt-LED wirklich in die Niedervoltananlage passt. Ihn muss man noch aufklären.«
Franz Bernitz gibt zu bedenken: »Alle diese Punkte waren mit dem nun aus Europa verbannten Leuchtmittel Glühlampe geklärt. Es wird eine besonders schwierige Aufgabe, die neuen Technologien so weit zu bringen, dass das Dimmen wieder funktioniert.«
Roger Westberg, Marketing Manager beim Halbleiterhersteller Maxim Integrated Products, kennt das Dimmerproblem bestens, hat aber auch gleich eine Lösung parat: »Mit dem Treiber-IC MAX16840 würde das nicht passieren. Der bietet sogar automatische Leistungsfaktorkorrektur.« Westberg muss allerdings einräumen, dass der Baustein das bereits jetzt verbreitete Problem erst künftig lösen kann: »Leider sind natürlich viele Produkte am Markt, bei denen das alles fehlt.«
Das ist für Steffen Hermann wiederum das Hauptproblem, das ihn als Lichtplaner gerade stark beschäftigt: »Man vergisst schnell den ratlosen Kunden, der jetzt das Problem hat. Im Moment macht die oft noch fehlende oder unzulängliche Dimmbarkeit eher den Ruf der LED-Retrofits kaputt. Sicher, den richtigen Treiber wird es irgendwann fast überall geben. Aber man will jetzt die Retrofits nach vorne bringen!«
Auch Bert Schukat, Geschäftsführer des Spezialdistributors Schukat Electronic, ist hinsichtlich der Retrofit-Technik skeptisch: »Retrofit muss man bisher eher ein Armutszeugnis ausstellen. Chinesische Anbieter sind mit schlechter Technik vorgeprescht. Und die Kunden verstehen nichts davon. Die Technik startet gerade erst in Shop-Lighting, in der Straßenbeleuchtung oder in der Architektur. Sie ist aber noch in der Transformation und auch noch sehr teuer. Im Shop-Bereich kann man allerdings auch sehr viel sparen. Aber ein LED-Modul bringt neue Hürden: Viele Anwender haben zum Beispiel noch nicht verstanden, dass eine LED gekühlt werden muss. Es fehlt oft schlicht das Problembewusstsein, wenn etwa ein LED-Downlight einfach als Deckenfluter nach oben strahlen soll. Das thermische Konzept der Leuchte sieht diese Betriebsart nicht vor. Der Kühlung der LED-Module und der Einbauposition der Leuchten kommt zukünftig viel mehr Aufmerksamkeit als bei der klassischen Lichttechnik zu«.
Mitch Sayers, Applikationsingenieur und Leiter des Technischen Zentrums beim LED-Hersteller Cree sieht LED-Retrofits ebenfalls als Zwischenlösung: »Die Herausforderung ist die Neu-Definition. E27 wird es in 10 Jahren nicht mehr geben. GU10 macht aber auch dann noch weiter Sinn. Die Industrie hat Toleranzen und Kosten im Griff. Die LED hingegen hat die hier bereits etablierte Verfeinerung noch vor sich. Und bei der LED wird es feste Leistung/Effizienzen für längere Zeit nicht mehr geben. Wir müssen offen bleiben. Die Lichtausbeute ist jetzt 100 bis 150 lm/W. Das wird sich auf jeden Fall in den nächsten Jahren erhöhen. Es ist also wichtig, über Standards nachzudenken, aber gleichzeitig auch sich nicht zu sehr festzulegen. Dafür steht uns noch zu viel Änderung bevor. Zuviel Reglementierung würde dem Markt und der Bewegungsfreiheit schaden«.
Franz Bernitz gibt ihm Recht: »Die Standardisierung muss darauf Rücksicht nehmen.« Sein Kollege Dr. Kuhn zieht eine Schlussfolgerung: »Die Industrie muss also neue Lösungen finden. Erst dann wird die E27 verschwinden. Mit oder ohne Standardisierung. E27 hilft mit, eine Lampe auszutauschen. Aber die Frage ist berechtigt ob ich das überhaupt muss. Bei völlig neuen Leuchten und Designs könnte die Austauschbarkeit entbehrlich sein«
Staffan Kordina argumentiert in eine andere Richtung: »E27 muss bleiben! Ich würde mein Haus nicht komplett ändern. Denn wo ist die Grenze? Sind wir bereit 10 Euro zu zahlen?«
Das bejaht Alexander Romanschtschak, Product Manager Lighting Systems bei Toshiba Europa: »Kundenuntersuchungen belegen, dass dieser Preis annehmbar ist. Allerdings nicht für Billig-Ersatz aus China. Die Retrofit-Kunden werden immer kritischer. Wer mal Testsieger bei Stiftung Warentest war, hat einen Vorteil. Die LED-Retrofits werden sich im Privatbereich noch lange halten. Die LED hat so viele Vorteile. Aber sie muss sich erst noch auf breiter Front durchsetzen.«
Dr. Kuhn: »Die Themen verlagern sich. Die LED muss auch Lichtqualität erzeugen. Aber natürlich müssen zugleich die Kosten und der Preis stimmen.« Alexander Romanschtschak geht noch weiter: »Die Kunden wissen inzwischen, dass die Lampe gut ist. Deshalb wollen viele Kunden nur noch über den Preis reden. Und sie haben auch eine klare Preisvorstellung: Das LED-Leuchtmittel darf etwa den dreifachen Preis eines herkömmlichen Leuchtmittels haben. Dort liegt die Schmerzgrenze. Diese ist stabil, solange die Leistung stimmt. Dazu gehört auch, dass die Kunden sich hinsichtlich Lebensdauer Garantien geben lassen. Üblich sind mindestens 5 Jahre, oft auch gibt der Lieferant 6 bis 8 Jahre.«
Aber auch wenn das Preis-Leistungsverhältnis stimmt, kann es noch weitere Hindernisse geben. Bert Schukat macht auf versicherungsrechtliche Probleme bei der Verwendung von LED-Retrofits aufmerksam: »Wenn ich einfach das Leuchtstoffmittel in einer Garage austausche, verliere ich den Brandversicherungsschutz. Ich muss die neue Technik einzeln abnehmen lassen. Und dann stellt sich auch die Frage: Habe ich weiterhin genügend Licht? Das ist auch wichtig für den Haftpflicht-Versicherungsschutz.«
Alexander Müller sieht einen anderen Mechanismus, der das Ende der Retrofits einläuten könnte. »Wie lange wird es noch gute neue Leuchten mit E27 geben? Wann ist die kritische Menge erreicht?« Franz Bernitz relativiert: »Leuchtmittel mit der Schnittstelle E26/27 verkaufen sich weltweit 10 Milliarden Male pro Jahr. Und sie landen in etwa gleich vielen Schnittstellen. E26/27 ist deshalb wohl die verbreitetste Schnittstelle weltweit. Und die wird in zehn Jahren nicht einfach verschwinden.« Alexander Müller räumt ein: »Natürlich wird E27 weiter bestehen. Aber irgendwann wird es für den Leuchtenbauer nicht mehr lohnend oder interessant sein, bei neuen Designs an dieser Schnittstelle festzuhalten.«
Auch Christine Glauner, Produktmanagerin Optoelektronik beim Citizen-LED-Distributor Endrich Bauelemente, hält das Design für wichtig: »Vieles hängt vom Design ab. Das macht die Kaufentscheidung auch sehr individuell und persönlich. Und natürlich fragt jeder Kunde schlussendlich nach dem Preis. Aber wenn das Design gut ist, lassen viele Kunden schon mal einige Euro mehr im Laden.«
Mit Zhaga wider die drohende Fragmentierung
Franz Bernitz sagt nicht nur den LED-Retrofits noch einen langen Verbleib am Markt voraus, sondern prophezeit auf jeden Fall eine Zweiteilung des Marktes: »Für Leistungen bis etwa 1000 lm - also das, was eine 100-W-Glühlampe leistet - wird es noch sehr lange E27 und somit LED-Retrofits geben. Anders sieht es aber im Bereits ab 1000 lm aus. Wenn wir also Anwendungen im Wohnumfeld und Büroumgebungen einfach in einen Topf werfen, werden wir der Vielfalt, die es hier gibt, nicht gerecht. Wir müssen sie separat betrachten und diskutieren.«
Weil jeder Hersteller von Leuchten mit hoher Leuchtkraft im vier- oder gar fünfstelligen Lumenbereich seine Platine frei nach gusto auslegen kann, droht eine unüberschaubare Fragmentierung, sogar dann wenn nicht jeder Leuchtenbauer seine eigene Chip-on-Board-Module baut, sondern von einem großen Hersteller bezieht.
Mitch Sayers sieht hier schon jetzt Probleme: »Es kann wirklich ein Chaos werden bei den Formaten dieser CoB-Module. Da stehen vor allen den Optik-Leuten die Haare zu Berge. Immer wieder gibt es was Neues. Das Geschäft leidet aber letztlich darunter. Da ist Standardisierung sehr wichtig. Die darf aber nicht übereilt stattfinden, sondern muss vernünftig vorangehen«. Und fügt anerkennend hinzu: »Hier geben sich die Zhaga-Leute aber auch richtig Mühe.«