5. Zufriedenheit contra Profitstreben und das Gesundheitssystem
Dass nicht jeder immer nur egoistisch handelt, sieht man deutlich. Gängige Wirtschaftsmodelle basieren aber noch auf der Annahme, wir strebten stets nach möglichst viel Nutzen und Wohlstand und die Wirtschaft nur nach möglichst hohen Gewinnen bei minimalen Kosten. Lässt sich das Bild noch halten? »Eigentlich geht es um mehr«, räumt Fratzscher ein.
»Das Problem ist nur, dass der Grad der Erreichung weiterer Ziele wie Glück oder Zufriedenheit schwer zu messen ist«, sagt er. Paech sieht eine psychische Grenze erreicht und meint »die Reizüberflutung, die Beschleunigung, den Leistungsstress, die Unmöglichkeit, all das, was man sich kaufen kann, genuss- und sinnstiftend auszuschöpfen«. Das alles werde in der aktuell »entschlackten Gegenwart« neu überdacht.
Ein Umdenken könnte sich auch im Gesundheitswesen zeigen. »Es ist gut, im medizinischen System Wettbewerb zuzulassen«, sagt Fratzscher. »Aber man sollte gleichzeitig sicherstellen, dass es hohe Qualität in der Grundversorgung gibt.« Gewinninteressen dürften nicht überall den Ton angeben, »Symbiose zwischen Staat und Markt« sei nötig. Auch das oft niedrige Gehalt systemrelevanter Jobs ist ein Thema. Und manche glauben, die Zeit für das bedingungslose Grundeinkommen sei nun reif.
6. Wer bekommt was, wer verliert was?
So wie ungleiche Verteilung von Einkommen oder Vermögen das wirtschaftliche Wachstum belasten kann, so können die Lasten der Krise schwache Gruppen zusätzlich schwächen und die Polarisierung der Gesellschaft verschärfen. Fratzscher warnte jüngst, die Hilfen für Familien, deren Kinder während der Pandemie zu Hause bleiben müssen, fielen zu gering aus. Einige Bildungsforscher glauben zudem, »Homeschooling« vertiefe den Abstand zwischen guten und förderbedürftigen Schülern, die digitale Angebote nicht so gut nutzen können oder wenig Unterstützung aus dem Elternhaus bekommen.
Wer Existenzängste hat, kann es als zynisch empfinden, wenn das Herunterfahren der Wirtschaft mit auf seine Kosten geht. «Viele Leute werden ungeduldig», beobachtet Dullien. «Wenn die Krise sich weiter fortsetzt, kommt der Staat an seine finanziellen Grenzen», ergänzt Paech. »Um Menschen zu helfen, bedarf es mehr als finanzieller Unterstützung, nämlich Hilfe zur Selbsthilfe, um genügsamer und damit krisenrobuster leben zu können.« Das bedeute Lernen aus der Krise.