Sick hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Unternehmen zugekauft und damit das Wachstum der Konzerngruppe beschleunigt. Wie gewichten Sie Zukäufe und organisches Wachstum?
90 Prozent unseres Wachstums gehen auf organisches Wachstum zurück, lediglich zehn Prozent auf Akquisitionen. Wir haben schon immer einen hohen Entwicklungsaufwand betrieben und damit beispielsweise die Laser- und die Ultraschall-Messtechnik und auch die Steuerungstechnik komplett selber aufgebaut. Aus vielen Grundtechnologien, die unser Gründer Erwin Sick seinerzeit entwickelt hat, sind mittlerweile ganze Geschäftsbereiche mit mehr als 200 Millionen Euro Umsatz geworden. Unsere bisherigen Akquisitionen hatten immer entweder das Ziel, unser Portfolio mit neuen Technologien zu ergänzen oder neue Vertriebsregionen zu erobern und unsere Internationalisierung voranzutreiben. Diese Strategie werden wir getreu unseres Leitbildes auch konsequent weiter verfolgen.
In welche Richtungen könnte Sick noch expandieren? Anders gefragt: Welches Know-how fehlt dem Unternehmen?
Wir sind natürlich noch lange nicht komplett, es finden sich immer wieder Technologien, die wir noch ergänzen oder ausbauen könnten. Als konkretes Beispiel würde mir der Bereich Software Engineering einfallen.
Gibt es bereits konkrete Pläne?
Nun, für Technologie-Akquisitionen haben wir natürlich immer ein offenes Auge. Aber derzeit ist nichts spruchreif.
Welchen Stellenwert haben der europäische und speziell der deutsche Markt für Sick?
Europa ist für uns natürlich der Kernmarkt. Dabei kommt uns zugute, dass in Europa – und vor allem in Deutschland – bereits jetzt ein deutlich höherer Automatisierungsgrad herrscht als in anderen Teilen der Welt, weil die Industrie hier mit höheren Arbeitskosten konfrontiert ist. Dennoch hatten wir in den USA und in Asien im vergangenen Jahr überproportionale Wachstumsraten, denn auch beispielsweise in China steigen die Arbeitskosten und damit der Bedarf an Automatisierung. Gleiches gilt für die USA.
Die USA zählen zu Ihren wichtigsten Exportpartnern. Welche Auswirkungen hätte ein eventuelles TTIP-Handelsabkommen auf Ihr Geschäft?
Generell wäre TTIP sicherlich ein Fortschritt für alle Beteiligten. Doch ich sehe eine ganz wesentliche Barriere für eine sinnvolle Umsetzung des Abkommens: die weltweit noch nicht ausreichende Harmonisierung der Normen. Denken Sie nur an die unterschiedlichen Zertifizierungen wie UL, TÜV, GS oder auch an die zahlreichen Bio-Normen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind vor allem die Haftungsfragen. Diese sind in den USA völlig anders geregelt als in Europa. Dass die entsprechende Harmonisierung – und damit die Voraussetzung für TTIP – zügig erfolgt, halte ich für relativ unwahrscheinlich.
Welche Geschäftsentwicklung zeichnet sich für 2015 ab?
Wir liegen sehr gut im Plan. Im ersten Halbjahr sind wir zweistellig gewachsen – insofern bin ich auch für das gesamte Geschäftsjahr 2015 optimistisch, unser prognostiziertes zweistelliges Wachstum erfüllen zu können.
Und das Geheimnis des Erfolgs?
Kein Geheimnis, aber die Voraussetzung für den Erfolg sind unsere Mitarbeiter.
Wie sieht es um die Zukunft von Sick aus?
Sick ist weiterhin ein familiengeführtes Unternehmen. Die Familie besitzt 95 Prozent der Anteile, den Rest halten die Mitarbeiter und Freunde der Familie. Gisela Sick, 93, ist Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrates. Sie hat zwei Töchter und mehrere Enkel. Sie alle bilden den so genannten Familien-Pool. Das Ziel ist, auch in Zukunft unabhängig zu bleiben, so wie es auch in unserem Leitbild »Independence, Innovation, Leadership« fest verankert ist.
Abschließend: Nächstes Jahr feiert Sick den 70. Geburtstag. Werden Sie das besonders feiern?
Aber natürlich. Verraten möchte ich natürlich noch nichts, aber es soll wieder ein globales Fest werden, mindestens so bewegend, wie wir es 2013 anlässlich unserer ersten Umsatz-Milliarde gefeiert haben. Damals haben wir rund um den Globus – und damit quasi auch rund um die Uhr – gefeiert. Jede Außenstelle hatte ihren Festakt zur dort üblichen Zeit, und dieser wurde über Videokonferenzen in die ganze Welt gesendet. So konnte jeder Mitarbeiter sehen, wie es anderswo aussieht – was wiederum das »Wir-Gefühl« gestärkt hat. Und genau das brauchen wir, um weiterhin erfolgreich zu sein.
Das Interview führte Nicole Wörner.
Zur Person
Zur Dr. Robert Bauer startete 1994 als Entwicklungsleiter für die Automatisierung bei der Sick AG in Waldkirch. Im Jahr 2000 übernahm er die Position des Technologie-Vorstandes und ist seit 2006 Vorstandsvorsitzender.
Zum Unternehmen
Die Sick AG wurde 1946 in Vaterstetten bei München gegründet. Mit rund 50 Tochterfirmen beschäftigte die Unternehmensgruppe zum Ende des Geschäftsjahres 2014 weltweit rund 7000 Mitarbeiter, davon etwa 60 Prozent in Deutschland. Der Jahresumsatz 2014 lag bei knapp 1,1 Milliarden Euro.