Mit einer durchgängigen Wertschöpfungskette vom ASIC-Design über ATE-Systeme bis hin zum Produktionstest ist Microtest einer der wenigen echten One-Stop-Shop-Anbieter Europas. Mit der Übernahme von Roodmicrotec baut Microtest seine lokale Präsenz noch weiter aus, stärkt Kundennähe und Kapazitäten.
Markt&Technik: Herr Martindale, einige Leser kennen Microtest vielleicht noch nicht. Könnten Sie das Unternehmen kurz vorstellen?
Ross Martindale, Director Worldwide Sales and Services bei Microtest: Gerne. Microtest wurde vor etwa 25 Jahren in Italien von drei Mixed-Signal-Applikationsingenieuren gegründet. In den Anfangsjahren lag unser Fokus auf Testdienstleistungen, ASIC-Design und Leiterplattenentwicklung. Im Jahr 2009 haben wir dann unser erstes eigenes ATE-System für den MEMS-Markt vorgestellt. Seitdem ist ATE eines unserer zentralen Geschäftsfelder.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Nachfrage nach Halbleitertestlösungen in Europa und welche Rolle spielt der deutsche Markt für Microtest?
Aktuell ist die Nachfrage in Europa etwas rückläufig, vor allem wegen der Abkühlung des Booms bei Elektro- und Hybridfahrzeugen. Dennoch bleibt Deutschland für uns ein Schlüsselmarkt: Die Innovationskraft und technologische Tiefe, insbesondere in den Bereichen Automotive und Industrie, sind enorm. Viele unserer Kunden sitzen in dieser Region.
Microtest bietet ein breites Portfolio an Testsystemen – von ATE bis Burn-in. Welche Systeme sind derzeit besonders gefragt und warum?
Aktuell ist unsere Hatina-Serie stark nachgefragt. Dabei handelt es sich um eine ATE-Plattform, die speziell für den Test komplexer analoger und Mixed-Signal-Bausteine in der Produktion entwickelt wurde. Der Grund ist klar: Es besteht ein wachsender Bedarf an Steuer-ICs für elektrische Antriebe und ADAS-Systeme. Auch unsere burn-in-freien Lösungen stoßen auf großes Interesse – vor allem in industriellen Anwendungen mit ARM-Cortex-basierten Mikrocontrollern, für die Testflexibilität und Automatisierung entscheidend sind.
Microtest entwickelt nicht nur ATE-Systeme – Sie bieten auch Testdienstleistungen an. Warum gewinnen diese zunehmend an Bedeutung?
In Europa gibt es nur wenige Unternehmen, die Testdienstleistungen in einem vergleichbaren Umfang wie in Asien anbieten. Genau diese Lücke schließen wir. Das Wachstum der letzten Zeit wurde durch geopolitische Unsicherheiten verstärkt. Für viele Kunden ist es entscheidend, Tests lokal durchzuführen – näher an der Produktion, mit besserem IP-Schutz und direktem Zugang zur Entwicklung.
Sie bieten auch ASIC-Design-Dienstleistungen an. Wie wichtig ist dieser Bereich für Ihre Gesamtstrategie und wie eng ist er mit dem Testbereich verknüpft?
ASIC-Design war tatsächlich eines unserer ersten Angebote bei der Gründung von Microtest – und ist bis heute Teil unserer DNA. Dieses Know-how fließt direkt in die Technologie unserer Testsysteme ein, was uns einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Weil wir ähnliche Chips wie unsere Kunden entwickeln, verstehen wir genau, was getestet werden muss. Dieses Wissen nutzen wir, um maßgeschneiderte Softwarelösungen zu entwickeln, die Test und Design eng miteinander verzahnen.
„Design for Testability“, kurz DFT, ist entscheidend für effiziente Tests. Wie unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Umsetzung optimierter Teststrategien – von der Entwicklung bis zur Serienproduktion?
DFT ist besonders bei Mixed-Signal-ICs eine Herausforderung. Hier kommt unsere Kronos-Software ins Spiel. Sie basiert auf bewährter EDA-Technologie und erlaubt uns, die Erstellung von Testprogrammen zu automatisieren. Wir importieren native Dateien aus dem EDA-Tool in Kronos, das daraus die Struktur des Testprogramms und die Test-Setups erstellt. Diese Verbindung zu den EDA-Tools ermöglicht vollständige Rückverfolgbarkeit zwischen Designumgebung und Messdaten unserer Testsysteme und liefert strukturierte Dokumentation für Qualitäts- und Auditteams.
Welche technologischen Trends sehen Sie derzeit im Bereich Halbleitertest – insbesondere im Hinblick auf Automatisierung, Parallelisierung und Energieeffizienz?
Automatisierung ist für nahezu alle unsere Kunden eine Top-Priorität, um die Time-to-Market zu verkürzen. Im Industrie- und Automobilbereich sind ATE-Systeme sehr komplex – daher arbeiten wir ständig daran, den NPI-Prozess (New Product Introduction) zu automatisieren, um unseren Kunden schnellere Lösungen zu anbieten zu können. Mehr Parallelität stellt höhere Anforderungen an Kontaktierung, Wärmemanagement und Testzellen-Packaging. Energieeffizienz ist ein weiteres zentrales Thema – insbesondere in Europa. Unternehmen, die bei gleichem Durchsatz weniger Energie verbrauchen, haben einen klaren ökologischen und wirtschaftlichen Vorteil.
Der Trend geht also in Richtung mehr Parallelität und Automatisierung beim Testen. Welche Lösungen bietet Microtest in diesem Bereich – und wie wirken sie sich auf Durchsatz und Testkosten aus?
In unseren Zielsegmenten sind wir meines Erachtens führend, wenn es um hochparallele Testlösungen mit optimalen Investitionskosten geht. Zum Beispiel bietet unser VIP Extended System im Industriebereich eine 2- bis 3-fache Parallelität beim Wafer-Sort und Strip-Test. Unsere hohe Kanaldichte und kosteneffiziente Luftkühlung sparen sowohl Platz als auch Geld. Alle unsere ATE-Plattformen sind Industry-4.0-fähig und unterstützen vollständige Automatisierung über SECS/GEM- oder MQTT-Protokolle. Diese Fabrikautomatisierung führt zu höherer Auslastung und niedrigeren Testkosten pro Einheit.
Lassen Sie uns über Ihre Geschäftsstrategie sprechen. Seit der Gründung im Jahr 1999 hat Microtest mehrere Übernahmen getätigt – darunter auch Roodmicrotec in Deutschland. Welche Rolle spielen Übernahmen in Ihrer Gesamtstrategie?
Übernahmen sind ein strategisches Instrument für uns – nicht nur, um unsere geografische Reichweite zu erweitern, sondern auch, um unser Technologieportfolio auszubauen. Durch diese Akquisitionen haben wir Zugang zu wichtigen Regionen wie den USA, Großbritannien, Japan und natürlich Deutschland erhalten. Außerdem konnten wir unser Führungsteam mit internationalen Talenten stärken und über 300 neue Kunden gewinnen – viele davon aus der DACH-Region. Das vergrößert unsere Marktbasis erheblich und eröffnet neue Chancen.
Sehen Sie weiteres Potenzial für strategische Allianzen oder Übernahmen – etwa um Testservices in Deutschland lokal auszubauen oder neue Technologien zu integrieren?
Definitiv. Wir prüfen kontinuierlich neue Möglichkeiten, die einen Mehrwert bringen könnten. Derzeit liegt unser Hauptfokus jedoch darauf, die bereits übernommenen Unternehmen erfolgreich zu integrieren. Wir bauen Führungsteams auf, setzen Strategien um und arbeiten schrittweise an der Umsetzung. Künftig wird unser Geschäft in zwei Hauptbereiche gegliedert sein: ATE-Systeme und Testdienstleistungen. ASIC-Design bleibt dabei ein zentraler Bestandteil unseres Testdienstleistungsangebots.
Welche Rolle sehen Sie für Microtest im europäischen Halbleitermarkt – und welche Technologien werden künftig besonders wichtig sein?
Wir wollen ein führender europäischer Anbieter von ATE-Systemen und Testdienstleistungen sein – insbesondere in den Bereichen Automotive, Industrie und Medizintechnik. Unsere Stärke liegt in der Kombination aus technischem Know-how und enger Kundenbeziehung. Zukünftig wird Software eine noch zentralere Rolle spielen – insbesondere Tools, die unseren Kunden helfen, die Entwicklung zu beschleunigen und Produkte schneller auf den Markt zu bringen.
Wo sehen Sie Microtest in fünf Jahren – und welche technologischen oder marktbezogenen Entwicklungen möchten Sie mitgestalten?
In fünf Jahren möchten wir der führende europäische Anbieter von Testlösungen für die Bereiche Automotive, Industrie und Leistungselektronik sein. Wir wollen bestehende Kundenbeziehungen vertiefen, neue Regionen – darunter auch Japan – erschließen und unseren Umsatz verdoppeln, sofern sich der Markt bis 2026 stabilisiert. Technologisch streben wir die Führungsrolle im Bereich ATE-Software an – damit unsere Kunden ihre Time-to-Market deutlich verkürzen können.
Das Interview führte Nicole Wörner.