Digitale Küche

Liebeserklärungen

10. März 2016, 10:23 Uhr | Marcel Consée

Ich hänge, das muss ich gestehen, einer sexistischen Einstellung an, nämlich der tiefsitzenden Überzeugung, dass Frauen in der (privaten) Küche nichts zu suchen haben.

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Diese unkorrekte Weltanschauung speist sich aus verschiedenen Quellen, deren Erläuterung hier zu weit führen würde; es sei nur angedeutet, dass in der frühen Kindheit Kochen zu lernen als eine Art Selbstverteidigung verstanden werden kann, und weitere Erfahrungen im Leben nichts Grundlegendes daran geändert haben.

Moderne Küchenhelfer verschlimmern die Lage im Allgemeinen noch: Kaum steht der (unverhältnismäßig teure) Thermomix in einer Küche – in sozialen Netzen als elektronischer Toyboy gehandelt –, gehen noch die elementarsten Küchenregeln über Bord; das sklavische Kleben an für das Gerät optimierten Rezepten tötet jede Spur von Kreativität, was oft zu langweiligen Speisen und gleichzeitig zu begeisterten Oden auf das Wunderding führt. Eine einzige Umkehrung dieses Prinzips kenne ich persönlich: Die Abendessen bei dieser Freundin waren und sind derart exquisit, dass ich es gar nicht glauben konnte, als ich irgendwann vom (ungewöhnlicherweise) schamhaft versteckten elektronischen Küchenhelfer erfuhr. Ich lernte, dass mit dem Mut zur kreativen Abwandlung von Rezepten und dem Beharren auf den Grundregeln des Kochens ein solches Gerät in den richtigen Händen die Arbeit erleichtern kann, ohne dabei den Geschmackssinn abzutöten. Es scheint jedoch nicht viele richtige Hände zu geben.

Nun ruft die Herstellerfirma die »digitale Zukunft des Kochens« aus – ein neues Modell soll mit Hilfe elektronischer Rezepte auf Speicherkarten und einem bunten Touchscreen (der, so die renommierte Zeitschrift c‘t, nicht mit feuchten Fingern bedienbar sein soll) die Nahrungsmittelzubereitung noch weiter vereinfachen. Offenbar arbeitet im Inneren ein veritables Embedded System, leider jedoch bis auf den Speicherkartenport ohne Schnittstelle zur Außenwelt. Nicht einmal mit der obligatorischen Smartphone-App lässt sich eine Verbindung herstellen. »Guided Cooking« nennt Staubsaugeranbieter Vorwerk das Prinzip, nach dem das Gerät weitestgehend alleine »kocht«. Da bleiben dann die Hände trocken und der Touchscreen bedienbar; allerlei Sensoren überwachen den Vorgang – wer kreative Abwandlungen mag, wird auf die elektronischen Rezeptkarten wohl eher verzichten. Ich persönlich behalte jedenfalls meinen Gasherd und die große Kochbuchsammlung – digitales Kochen möge anderen überlassen bleiben.


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