Die Medizintechnikbranche ist in Deutschlandsehr innovativ und wachstumsstark. Damit das auch so bleibt, sollten einer Studie zufolge die Unternehmen ihr Projektmanagement deutlich verbessern. Wie sieht da der Status quo aus, und welche Handlungsempfehlungen ergeben sich daraus?
Machen wir die richtigen Projekte und machen wir Projekte richtig? Diese Frage beschäftigt viele Medizintechnik-Unternehmen, da diese Fragestellung oft über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheidet. Besonders in der durch kleine und mittelständische Unternehmen geprägten Medizintechnikbranche spielt diese Fragestellung eine wichtige Rolle, da bei kleineren Unternehmen oft nicht die finanziellen Mittel gegeben sind, um langwierige Projekte stemmen beziehungsweise sich Fehlentscheidungen erlauben zu können.
Aus diesem Grund führte das Beratungsunternehmen Invensity im vierten Quartal 2013 eine Studie mit dem Thema »Projektmanagement in der Medizintechnik« durch. Anlass der Studie war unter anderem, die neue Medizinprodukteverordnung (MDR), die innerhalb des nächsten Jahres vermutlich eingeführt werden soll. Ein wichtiger Punkt der neuen MDR ist die Implementierung von häufigeren, langwierigeren und strengeren Regularien bei der Markteinführung von neuen Medizintechnik-Produkten. Dadurch könnte sich die Markteinführung neuer Produkte und damit die Amortisation der Investitionen verzögern. Um diese kommenden Herausforderungen zukünftig adäquat meistern zu können, ist ein individuelles und angepasstes Projektmanagement vonnöten.
Da die Medizintechnikbranche durch eine Vielzahl an kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und einige wenige große Konzerne geprägt ist, hat Invensity für die Studie gezielt Unternehmen unterschiedlicher Größe angesprochen. Die Teilnehmer waren alle mehrere Jahre im Bereich Projektmanagement in der Medizintechnik tätig. Da bei kleineren Unternehmen oft kein Budget für eine eigene Projektmanagement-Stelle vorhanden ist, haben auch Personen aus den Bereichen F&E, Produktmanagement und sonstiger Bereiche an der Studie teilgenommen. Es wurde jedoch zuvor sichergestellt, dass jeder Teilnehmer für die Studie relevante Tätigkeiten in den Unternehmen ausübt.
Permanente Einrichtung?
Da Projektmanagement keine einmalige Angelegenheit ist sondern ständiger Weiterentwicklung bedarf, wurde gezielt danach gefragt, ob in den Unternehmen Projektmanagement durch eine permanente Einrichtung oder Institution weiterentwickelt wird. Da es verschiedenste Verwendungen der Begriffe Projektbüro und Projektmanagement-Office (PMO) gibt, folgt eine kurze Definition der beiden Begriffe, um ein einheitliches Verständnis der Begriffe in der Studie zu gewährleisten.
DIN 69901-5 beschreibt das Projektmanagement-Office als »projektübergreifende Unterstützungsfunktion zur Einführung und Optimierung von Projektmanagementsystemen sowie der operativen Unterstützung von Projekten und Projektbeteiligten«. Die zentralen Funktionen eines modernen PMO gehen jedoch über diese Beschreibung hinaus. Denn es ist nicht nur eine organisatorische Heimat für alle Prozesse, Methoden und Erfahrungswerte, sondern leistet auch einen wertvollen Beitrag für das Projektportfoliomanagement eines Unternehmens. Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Arten von PMOs unterscheiden: Das strategisch orientierte, das projektüberwachende und das projektunterstützende PMO. Hauptziel eines PMO ist neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Projektmanagements die Entlastung der Projektteilnehmer durch zusätzliche Ressourcen, um dadurch einen Mehrwert für das Unternehmen schaffen zu können. Der Unterschied zwischen einem PMO und einem Projektbüro ist, dass im Projektbüro keine Managementaufgaben übernommen werden, es werden also nur administrative Aufgaben und kein Multiprojektmanagement durchgeführt. Die Studie zeigte, dass unter den teilnehmenden Unternehmen das PMO, das Projektbüro, die Stabstelle Projektmanagement und Sonstiges in etwa gleichverteilt sind.
Neben der Frage, ob Projektmanagement durch eine permanente Einrichtung weiterentwickelt wird, war des Weiteren interessant, ob die Unternehmen ihr Projektmanagement nach einem entsprechenden Standard oder Framework durchführen. Da es einige große international anerkannte Verbände wie PMI [1], GPM [2] oder PRINCE2 gibt, die solche Standards entwickelt haben, lag die Vermutung nahe, dass die meisten Medizintechnik-Unternehmen sich an einem dieser Standards oder Frameworks orientieren.
Das Ergebnis zeigt jedoch, dass die Mehrheit der Unternehmen (65%) individuelle, auf das Unternehmen angepasste beziehungsweise gar keine Standards (35%) verwendet. Die Projekterfahrung von Invensity legt jedoch nahe, dass einige der individuellen Standards sich stark an international anerkannten Versionen orientieren. In mehreren Projekten hat sich gezeigt, dass Unternehmen oft nur leichte Änderungen an diesen international anerkannten Standards vornehmen und diesen dann eine unternehmensinterne Bezeichnung geben. Daher kommt es oft vor, dass Mitarbeiter nicht wissen, dass sich der unternehmensinterne Projektmanagement-Standard an einem anerkannten Framework orientiert.