SoC-Plattform für medizinische Anwendungen

Das Herz der Körperwolke

20. Februar 2013, 8:08 Uhr | von Dr. Christian Obermüller
© Infineon Technology

Ob man es nun »BAN«, »Health-Cloud« oder gar »iHealth« nennt, ist egal - stets geht es darum, Körperdaten zu erfassen und möglichst kabellos zur Auswertung beziehungsweise Speicherung zu übermitteln. Da das Ganze auch noch möglichst wenig Energie verbrauchen sollte, sind spezielle Systemarchitekturen gefragt.

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Eigens für Analyse- und medizinische Applikationen in vernetzten Umgebungen gedacht ist das hochintegrierte System-on-Chip (SoC) »MD8710« (Bild 1), das über zahlreiche Datenerfassungs- und Signalverarbeitungsfunktionen verfügt.

Die Chip-Plattform nutzt ein mehrkanaliges AFE (Analog-Frontend) mit 16 Bit Auflösung. Damit lassen sich beispielsweise unterschiedliche medizinische Analysen wie Messungen für die elektrochemische Impedanzspektroskopie oder elektrooptische Messungen (Pulsoximetrie) durchführen.

Bild 1: Der »MD8710« von Infineon ist eine neuartige Plattformlösung für Medizintechnik- und Analyse-Geräte
Bild 1: Der »MD8710« von Infineon ist eine neuartige Plattformlösung für Medizintechnik- und Analyse-Geräte
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Die integrierte CPU, ein »Cortex R4«-Prozessor von ARM, sorgt für die erforderliche Rechenleistung, während der hohe Integrationsgrad zur Senkung der Systemkosten beiträgt.

Beim mobilen Einsatz ermöglicht ein effizientes Power-Management eine lange Batterielebensdauer.

Die kundenspezifische Analysesoftware der »Medical Platform« von Infineon kann auf dem ARM-Prozessor implementiert werden.

Neben den Standard-Übertragungstechniken wie USB oder Bluetooth für eine einfache und sichere Übermittlung von Daten bietet Infineon als Mitglied der »Continua Health Alliance« mit deren Software-Partnerfirmen auch Support für die entsprechenden Datenaustauschprotokolle und -standards.

Eingebaute Messfunktionen

Bild 2: Blockschaltbild des MD8710 - umfassender Funktionsumfang für vielfältige Implementierungen
Bild 2: Blockschaltbild des MD8710 - umfassender Funktionsumfang für vielfältige Implementierungen
© Infineon Technology

Neben ARM-Core, AFE, Bluetooth- und USB-Schnittstellen enthält das SoC weitere Funktionen wie GPIO, PWM, Timer und mehrere serielle Schnittstellen (Bild 2). Ein einziger Baustein mit kundenspezifischer Soft-/Firmware kann mehrere verschiedene Produkte unterstützen: Das spart Entwicklungszeit und -kosten, liefert Rationalisierungseffekte für die Produktion und vereinfacht Logistikaufwendungen und -ablauf.

Die analoge Messeinheit erlaubt Mehrfach-Stimuli mit synchroner Messung, was den Einsatz in den gebräuchlichsten Messanwendungen mit Photodioden oder anderen Sensoren (Temperatur, Druck, etc.) einfach gestaltet. Das AFE verfügt über zwei hochauflösende A/D- und D/A-Kanäle und vier weitere Strom/Spannungs-Eingänge, die auf einen Hilfs-ADC gemultiplext werden.

Außerdem stehen flexible on-the-fly-programmierbare Operationsverstärker sowie Vor- und Nachfilter zur Verfügung. Der 32-Bit-Prozessor mit bis zu 100 MHz Betriebsfrequenz sowie entsprechendem Speicher (»tighly coupled« 128 KByte RAM und 256 KByte ROM) nebst Peripheriefunktionen liefert genug Spielraum für allerlei Anwendungen. Ein Multilayer-AHB (Advanced High-performance Bus) als Teil der AMBA (Advanced Microcontroller Bus Architecture) verbindet alle Blöcke und das I/O-Subsystem, während die DMA-Einheit die CPU von Übertragungen zwischen den Busteilnehmern entlastet. Mittels DMA können parallel zur CPU Daten von Schnittstellen oder dem AFE übertragen werden, ohne Einschränkung der Bandbreite.

Flexibles Frontend

Aufgrund des hohen Integrationsgrades kann das MD8710 Kostenvorteile bieten. Dank der integrierten PMU (Power Management Unit) reduziert sich die Anzahl der benötigten externen Komponenten, während die Bluetooth-Schnittstelle drahtlose Kommunikation ohne aktive externe Bausteine ermöglicht. Auch das in hohem Maße konfigurierbare AFE minimiert die benötigten Komponenten für das Systemdesign, außerdem erspart es das lästige Analogdesign

Das AFE des MD8710 ist eine mehrkanalige Messeinheit für allerlei medizinische Analysefunktionen. Dafür bietet der Chip zwei unabhängig programmierbare Eingangskanäle (16-Bit-A/D-Wandler) und zwei unabhängige Ausgangskanäle (16-Bit-D/A-Wandler). Alle Kanäle verfügen über Vor- und Nachfilter, nämlich Anti-Aliasing-Filter mit einer -3-dB-Bandbreite von 100 kHz.

Am Eingang können differenzielle (±2,5 V) oder Single-ended-Signale (±1,25 V) verarbeitet werden. Darüber hinaus stehen vier integrierte, programmierbare und konfigurierbare Operationsverstärker zur Verfügung. So lassen sich die Verstärker beispielsweise als Transimpedanz- oder differenzielle Instrumentenverstärker beschalten. Der Datentransfer zwischen dem Hauptsystem und den ADC- sowie DAC-Kanälen erfolgt über FIFOs.

Ein 12-Bit-Hilfs-A/D-Wandler mit vier gemultiplexten externen Eingängen, ein interner Temperatursensor sowie ein 2,5-V-Referenzausgang unterstützen eine einfache System-integration. Für die drahtlose Kommunikation sorgt das unabhängige Bluetooth-2.1-Subsystem inklusive eigener CPU. Eine typische externe Beschaltung erfordert nur noch drei Induktivitäten im nH-Bereich und maximal sechs Kapazitäten im pF-Bereich.

Der Dual-Mode-fähige Baustein unterstützt Bluetooth 1.2, 2.0 und 2.1. Für die einfache Verbindung mit USB-fähigen Geräten verfügt der Baustein über eine Schnittstelle gemäß USB 2.0 (Hi-Speed), die auch für die Batterieladung genutzt werden kann. Das Interface unterstützt USB-OTG Supplemente Rev. 1.3 und ist als HID (Human Interface Device) spezifiziert.

Das integrierte Display-Controller-Subsystem erlaubt es, die Ergebnisse an Matrix-Displays (insbesondere LCD, OLED) darzustellen. Die pa-rallele bidirektionale 8/9-Bit-Schnittstelle unterstützt MIPI DBI 2.0 und ermöglicht programmierbares Signal-Timing. Das synchrone serielle Interface (SSI) bietet Vollduplex-Betrieb und unterstützt verschiedene Datenformate (Bits, Shift-Order, Clock-Polarität, Timing).

Grafikbeschleunigung und eine Auflösung von 240 x 320 Pixeln wie beim zugehörigen Starterkit sorgen für eine gute Darstellungsqualität von Text- und Signalinformationen. Eine dreikanalige UART- sowie SPI-, I2C- und SWI-Schnittstellen sorgen für die digitale Anbindung. Über das SWI (Single Wire Interface) lässt sich außerdem der »Origa«-Chip von Infineon für Authentifizierungsanwendungen anschließen.

Weitere Peripheriefunktionen wie eine Echtzeituhr, PWM-Ausgang, Audio-Ausgang, Timer und ein GPIO-Block mit 47 Kanälen runden den Funktionsumfang des Bausteins ab. Darüber hinaus verfügt der MD8710 über eine integriertes Batterie-Management, das den Einsatz von verschiedenen Akkus (beispielsweise Li-Ionen, NiCd oder NiMH) oder Einwegbatterien ermöglicht. Eine Batterieladeschaltung erlaubt es, mehrere Algorithmen zu nutzen. Die Stromaufnahme für den kompletten SoC im Ruhezustand liegt unter 30 µA. Für alle Spannungsversorgungen enthält der Baustein eine entsprechende Überwachungsschaltung.

Anwendungsbeispiel: Digitale Personenwaagen

Ein interessantes Anwendungsbeispiel für den MD8710 sind moderne Personenwaagen. Diese digitalen Waagen können beispielsweise nicht nur das Gewicht, sondern etwa per Funkdisplay auch die Uhrzeit sowie die Außen- und Innentemperatur anzeigen. Für die Ermittlung des Körperfetts wird üblicherweise 4-Punkt-Impedanzspektroskopie verwendet.

Bild 3: Konzeptionelle Konfiguration des MD8710 für eine Impedanzspektroskopie
Bild 3: Konzeptionelle Konfiguration des MD8710 für eine Impedanzspektroskopie
© Infineon Technology

Damit können auch einzelne Körperregionen analysiert werden. Auch für den Privatgebrauch gibt es inzwischen Körperfettwaagen, die zusätzliche Elektroden in Handgriffen haben. Dadurch können die Werte deutlich genauer ermittelt werden, da mehr gemessene und weniger hochgerechnete Daten zu Grunde liegen. Alle Strecken zwischen den vier Messpunkten werden zunächst einzeln gemessen und dann verrechnet.

Das Elektronik-design einer derart leistungsfähigen Waage erfordert Features wie sie der MD8710 bietet: leistungsfähiges und flexibles AFE mit hoher Messgenauigkeit, USB oder Bluetooth für die Datenübertragung, effiziente Display-Ansteuerung und lange Lebensdauer der Batterie. Bild 3 zeigt die konzeptionelle Konfiguration für eine Impedanzspektroskopie, wie sie in diesen modernen Waagen zum Einsatz kommt. Ein wichtiger Vorteil beim Design  mit der MD8710-Plattform ist der hohe Grad an Wiederverwertbarkeit von Schaltungsbestandteilen und Software. So lässt sich die Software relativ einfach für andere Anwendungen mit Impedanzspektroskopie verwenden.

Entwicklungshilfe

Für den MD8710 steht eine komplette Entwicklungsumgebung von Hitex (mit einer limitierten 32k-Lizenz) inklusive Evaluation-Board, umfassender Software und Dokumentation zur Verfügung. Dank der Standard-ARM-Architektur stehen viele Tools bereit. Peripherie- und integrierte Funktionen werden durch ein Application Programming Interface (API) unterstützt.

Die Software-Suite ist für den Einsatz mit den Entwicklungsumgebungen von Hitex und IAR getestet. Die Hitex-IDE umfasst auch die kostenfreie »GNU Compiler Collection« (GCC). Der RTOS-Kernel »freeRTOS« bietet Inter-Task-Kommunikationsmechanismen. Es sind Systembibliotheken für viele Applikationsbereiche verfügbar: Grafik, AFE, Speicher- oder Power-Management, Keypad, Display, UART, Real-Time-Clock, Audio-Output, Error-Handling, Bluetooth, USB, performance-optimierte mathematische Funktionen, I2C oder SWI.

Infineon bietet die komplette Tool-Kette für die Applikationsentwicklung auf Basis des MD8710, von der Idee über die Simulation und Verifizierung bis hin zum Prototypen. Für die entsprechende Konfiguration, Simulation und die Verifikation des AFEs stehen optimierte Tools zur Verfügung. Das »AFE Simulation Tool« ist ein GUI-basiertes Online-Werkzeug für die Konfiguration und Simulation des AFEs mit einer Sensorschaltung.

Es gibt zwei Möglichkeiten der Schaltungsgenerierung: mit vordefinierten Applikations-Templates oder per Schaltplan-Editor. Die Einstellungen für die individuellen AFE-Blöcke können geändert werden. Letztendlich wird Quellcode auf dem Application-Layer erzeugt, wobei die Signale für das AFE und die Sensorschaltung simuliert werden können.

Bild 4: Schneller, risikofreier Weg zum Medizin-Design mit dem »MD8710 Starter-Kit«
Bild 4: Schneller, risikofreier Weg zum Medizin-Design mit dem »MD8710 Starter-Kit«
© Infineon Technology

Für die Verifizierung lassen sich mit dem ebenfalls GUI-basierten AFE-Verification-Tool alle entsprechenden Register konfigurieren oder aus dem Simulationstool übernehmen. Alternativ stehen vordefinierte Beispielanwendungen zur Verfügung. Die Einstellungen für die einzelnen AFE-Blöcke können adaptiert und modifiziert werden. Das Tool zeigt die genutzten Blöcke an und gibt Empfehlungen.

Schlussendlich wird dann der entsprechende Quellcode erzeugt. Der Entwickler kann die entsprechenden Einstellungen dann an das Starter-Kit übergeben. Für die weitere Code-Entwicklung bietet sich das »Starter-Kit Evaluation-Board« (Bild 4) mit dem ARM-Cortex-R4 an. Der Code wird über ein externes SPI-Flash geladen. Auf dem mitgelieferten USB-Stick befinden sich die entsprechende Software nebst den Tools. Zum Lieferumfang gehören auch der Debugger »Tantino« und das Entwicklungssystem »HiTOP« als Demoversion. Weitere Tools wie etwa der Debugger von Segger werden ebenfalls unterstützt oder sind in Vorbereitung.

Über den Autor:

Dr. Christian Obermüller ist Produkt Marketing Manager Medical Platform bei Infineon Technologies.


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