Es existieren unterschiedliche Methoden, um Geräte vor der Zerstörung durch Stoßspannungen zu schützen. Die einfachste Art ist es, die betroffenen Komponenten wie Dioden und Kondensatoren auf die entsprechende Spannung auszulegen. Im Falle höherer Prüfspannungen ist dies allerdings nicht mehr möglich, weshalb Bauteile benötigt werden, welche die Spannung innerhalb des Gerätes begrenzen. Dies geschieht über Varistoren (VDRs) oder Gasentladungsableitern, die bei einer bestimmten Spannung leitend werden und die überschüssige Energie in Wärme umsetzen.
Da diese Gasentladungsableiter nicht nur spannungsbegrenzend wirken, sondern bei erreichter Durchbruchspannung den Schaltkreis kurzschließen, dürfen sie lediglich in DC-Schaltkreisen verwendet werden. In AC-Versorgungsleitungen ist von ihrem Gebrauch abzusehen, da ein Kurzschluss in einer Versorgungsleitung zu einem langanhaltenden hohen Strom führt, welcher auch die Haussicherung auslösen kann und somit die Stromversorgung für alle Geräte dauerhaft unterbrechen würde. Folglich kommen bei AC-Versorgungsleitungen VDRs zum Einsatz.
Wiederkehrende schnelle Transienten (Burst)
Transiente Störgrößen entstehen durch kurzzeitige Schalthandlungen, wie etwa dem Unterbrechen von induktiven Lasten oder dem Prellen von Relaiskontakten in einem Stromversorgungsnetz sowie in Steuer- und Signalleitungen. Bei diesen Störgrößen handelt es sich um Spannungsspitzen, welche in sogenannten Impulspaketen (Bursts) auf Leitungen eingekoppelt werden (Bild 3). Kennzeichnend hierfür sind die hohe Amplitude, die kurze Anstiegszeit, die hohe Wiederholfrequenz sowie die niedrige Energie der Transienten.
Prüfschärfegrad | Prüf-Leerlaufspannung in kV | |
---|---|---|
Leitung – Leitung | Leitung – Erde | |
1 | – | 0,5 |
2 | 0,5 | 1 |
3 | 1 | 2 |
4 | 2 | 4 |
X | Besondere Festlegung | Besondere Festlegung |
Quelle: Friwo [2]
Tabelle 1. Prüfschärfegrade für Stoßspannungen (IEC 61000-4-5). Für Medizingeräte ist dies der Grad 3.
Der Umgang mit diesen Phänomenen ist in der Norm IEC 61000-4-4 (»Prüfung der Störfestigkeit gegen schnelle transiente elektrische Störgrößen/Burst«) reguliert. In ihrer aktuellen Fassung von April 2013 benennt die Norm die zu prüfende Wiederholfrequenz der Transienten mit 5 und/oder 100 kHz, wobei der tatsächliche Wert des Burst-Phänomens eher bei 100 kHz liegt. Die Prüfvorgabe 5 kHz rührt noch aus Zeiten, in denen das Test-Equipment nicht in der Lage war, Transienten mit einer so hohen Wiederholfrequenz zu erzeugen. Die Einkopplung der schnelle Transienten erfolgt entweder mittels eines Koppelkondensators direkt auf die Versorgungsleitungen oder aber indirekt über eine kapazitive Koppelzange auf Steuer- und Signalleitungen. Der einzuhaltende Schärfegrad wird auch beim Burst letztendlich von der jeweiligen Produktnorm des Gerätes bestimmt, für Medizingeräte ist dies der Grad 3 (Tabelle 2).
Prüfschärfegrad | Prüf-Leerlaufspannung in kV | |
---|---|---|
Stromversorgungsanschlüsse, Erdungsanschlüsse (PE) | Signal- und Steuer- anschlüsse | |
1 | 0,5 | 0,25 |
2 | 1 | 0,5 |
3 | 2 | 1 |
4 | 4 | 2 |
X | Besondere Festlegung | Besondere Festlegung |
Quelle: Friwo [3]
Tabelle 2. Prüfschärfegrade für wiederkehrende schnelle Transienten (IEC 61000-4-4).
Im Allgemeinen sind Burst-Impulse nicht so zerstörerisch wie Surge-Impulse. Sie führen jedoch häufig zu ungewünschtem Verhalten von Geräten, welches sich beispielsweise in Form von flackernden Displays oder Fehlmessungen in den Schaltungen ausdrücken kann. Bei sehr hohen Amplituden kann ein Gerät aber letztendlich auch zerstört werden. Die generelle Problematik an Burst-Impulsen liegt darin, dass sie nur sehr eingeschränkt herausfilterbar sind. Ein VDR ist hier als Schutzmaßnahme nur bedingt hilfreich, da die Ansprechzeit dieser Varistoren zu lang ist. Als mögliche Lösung können dagegen schnelle Suppressordioden (Transient Absorption Zener Diode, TAZ-Diode) dienen.
Die Auswahl des richtigen Netzteils
Einkäufer und Entwickler sollten beider Auswahl der passenden Stromversorgung für ihre Applikation zielgerichtet auf die Einhaltung der genannten Normen IEC 61000-4-4 und IEC 61000-4-5 achten, um ihre Anwendung vor der zerstörerischen Wirkung der Überspannungsphänomene Surge und Burst zu schützen (Bild 4). Diese Normen müssen von allen Standard-Stromversorgungen mit medizinischer Zulassung gemäß IEC 60601-1-2 zwangläufig eingehalten werden, wodurch Anwender sich mit einer solchen Wahl zunächst auf der sicheren Seite wähnen.
Vor allem für besonders sicherheitskritische Anwendungen, etwa für Systeme zur Patientenüberwachung oder Geräte zum Betrieb von lebenserhaltenden Maßnahmen, sollten die von der Norm geforderten Werte aber eher als Sockel angesehen werden. Hier lohnt sich die nähere Betrachtung der Applikation samt der zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen gemeinsam mit einem Stromversorgungsspezialisten, um eine bestmögliche Störfestigkeit zu erreichen.
Kurz erklärt |
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Der Begriff Überspannung beschreibt eine elektrische Spannung, welche den zulässigen Toleranzbereich der Nennspannung eines elektrischen Systems überschreitet. Für ein elektrisches Gerät hat das Phänomen aufgrund der mitunter destruktiven Wirkung eine zentrale Bedeutung: Die überschüssige Energie kann Bauteile der elektrischen Schaltung zerstören und auf diesem Wege zu Fehlern und Geräteausfällen führen. Deshalb ist es von enormer Wichtigkeit, die Störfestigkeit gegen mögliche auftretende Überspannungsfälle bei der Entwicklung einer Stromversorgung zu berücksichtigen. Doch wann liegt ein sogenannter Überspannungsfall eigentlich vor? Innerhalb des europäischen Wechselspannungsnetzes liegt die Nennspannung gemäß der EN 60038 bei 230 V mit einer Toleranz von ±10 % in einphasigen Systemen. Somit sind in unserem Stromnetz Spannungen von mehr als 253 V per Definition als Überspannung anzusehen. Derartige Überspannungen können entweder dauerhaft auftreten, beispielsweise aufgrund einer fehlerhaften elektrischen Installation, oder aber kurzzeitig vorliegen, etwa durch Blitzeinschlag oder Schalthandlungen. Während der Schutz eines Gerätes gegen dauerhafte Überspannungen nur unter sehr hohem Aufwand möglich wäre und zudem aufgrund des seltenen Ereigniseintritts innerhalb eines typischen Wechselstromnetzes auch nicht notwendig ist, liegen kurzzeitige Überspannungen häufiger vor als gedacht und bedingen entsprechende Schutzvorkehrungen. Die Überspannung kann dabei sowohl symmetrisch zwischen den elektrischen Leitern als auch asymmetrisch zwischen elektrischen Leitern und Erde auftreten. |
Quellen
[1] M. Haller: Die drei blitzreichsten Regionen Deutschlands (01.08.2018), https://www.elektroniknet.de/elektronik/power/die-3-blitzreichsten-regionen-deutschlands-156217.html (Stand: 06.08.2018)
[2] Norm DIN EN 61000-4-5:2015-03: Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 4-5: Prüf- und Messverfahren – Prüfung der Störfestigkeit gegen Stoßspannungen (IEC 61000-4-5:2014); Deutsche Fassung EN 61000-4-5:2014
[3] Norm DIN EN 61000-4-4:2013-04 : Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 4-4: Prüf- und Messverfahren– Prüfung der Störfestigkeit gegen schnelle transiente elektrische Störgrößen/Burst (IEC 61000-4-4:2012); Deutsche Fassung EN 61000-4-4:2012
Dieser Beitrag stammt aus der Medizin+elektronik Nr. 5 vom 10.09.2018. Hier geht’s zur vollständigen Ausgabe. |