Projekt RIBOLUTION

Biomarker sucht Tumor

5. Dezember 2013, 11:15 Uhr | Marcel Consée
Die vollautomatisierte Anlage zur Validierung von Biomarkern vom Fraunhofer IPA ermöglicht es, RNA-Moleküle gleichzeitig aus vielen Proben in winzigen Volumina hochspezifisch und präzise zu messen.
© Fraunhofer IPA

Bei der Diagnose Prostatakrebs im gehobenen Alter stehen Ärzte und Patienten stets vor der Frage, ob eine Operation wirklich sinnvoll ist. Neue Analysemethoden sollen dabei helfen, die Gefährlichkeit des jeweiligen Tumors richtig einzuschätzen.

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Schon die Diagnose dieser Krebsart ist nicht so einfach - das prostataspezifische Antigen PSA liefert bestenfalls Hinweise, auf deren Basis dann eine Biopsie erfolgen kann. Der PSA-Test ist jedoch sehr ungenau, sodass öfter Gewebeproben entnommen werden, als nötig; mit allen zugehörigen Risiken.

Finden die Ärzte bei der Biopsie bösartiges Tumorgewebe, müssen sie die Prostata meist entfernen. Zwar gibt es neben dem aggressiven Prostatakrebs auch einen, der sehr langsam wächst und möglicherweise nicht operiert werden müsste. Allerdings lässt er sich bisher nicht vom aggressiven, schnell wachsenden Tumor unterscheiden. Die Folge: Die Ärzte operieren einen Großteil der 70000 Menschen, bei denen sie pro Jahr in Deutschland Prostatakrebs feststellen. »Ein Teil dieser Eingriffe ließe sich eventuell vermeiden, wenn man einen Biomarker hätte, der verrät, um welche Art von Krebs es sich handelt«, sagt Prof. Friede- mann Horn, Professor für Molekulare Immunologie an der Universität Leipzig und Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig. Der Begriff Biomarker bezeichnet dabei eine Messgröße, die anzeigt, ob ein Mensch oder ein Organ gesund oder krank ist – etwa Stoffwechselprodukte, bestimmte Proteine oder Nukleinsäuren.

Solche Biomarker wollen die Forscher nun im Projekt RIBOLUTION, kurz für »Integrierte Plattform für die Identifizierung und Validierung innovativer RNA-basierter Biomarker für die Personalisierte Medizin«, finden. Es wird von der Fraunhofer-Zukunftsstiftung gefördert – beteiligt sind die Fraunhofer-Institute für Angewandte Informationstechnik FIT, für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Produktionstechnik und Automatisierung IPA, für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM und für Zelltherapie und Immunologie IZI sowie einige Universitäten. In dem Projekt geht es keineswegs nur um Prostatakrebs – auch die Diagnose anderer Volkskrankheiten wie Rheuma und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, die durch Husten, Auswurf und Atemnot gekenn- zeichnet ist, wollen die Forscher verbessern. Dabei konzentriert sich die Suche auf Ribonukleinsäuren, kurz RNAs, die den biologischen Zustand von Zellen und Geweben besonders genau abbilden.

Um die Biomarker zu finden, vergleichen die Wissenschaftler gesundes mit Tumorgewebe. Ärzte des Universitätsklinikums Dresden um Prof. Manfred Wirth lagern solche Proben seit 15 Jahren in flüssigem Stickstoff ein und dokumentieren den Krankheits- verlauf der Patienten auch nach der Entlassung. Bevor die Forscher diese Proben jedoch näher untersuchen konnten, mussten sie einige Vorarbeit leisten: Sie zerteilten jede einzelne Gewebeprobe in 150 hauchdünne Schnitte – jeweils nur wenige Mikrometer dick – und klassifizierten diese neu. »Wir verfügen mittlerweile über mehr als 100 000 Gewebe- schnitte mit klarer Klassifizierung. Eine Biobank in dieser Qualität gab es bislang noch nicht«, so Horn.

64 dieser Proben haben die Forscher »genomweit sequenziert« – also jegliche RNA, die in den Proben vorkommt, analysiert und quantifiziert. Dabei haben sie sehr große Datenmengen erhalten: 300 000 RNAs sind entschlüsselt, die Informationen summieren sich auf 50 Terabyte – das entspricht ungefähr 100 000 CD-ROMs. Die Wissenschaftler haben die Daten verglichen und aus den 300 000 RNAs bereits 4000 gefunden, die als Biomarker in Frage kommen könnten. Diese messen sie nun noch einmal an einer größeren Patientengruppe nach und schränken die Auswahl immer weiter ein. »Die ersten Ergebnisse dieser Validierung haben uns begeistert«, berichtet Horn. Er sieht große Chancen, dass einige der gefundenen Biomarker die Diagnose des Prostatakrebses verbessern können.

»Das Interesse der Industrie ist gigantisch«, sagt Horn. Wenn sich die Ergebnisse von RIBOLUTION bestätigen, könnte ein entsprechender Biomarker-Assay, also ein Biomarker-Testpaket, in wenigen Jahren auf den Markt kommen und Ärzten wie Patienten schnell und komplikationslos Aufschluss über den Prostatakrebs geben. Der Markt ist groß: über 100 000 Assays pro Jahr würden allein in Deutschland benötigt.

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