Eine medizinische IT-Anwendung »Sense« zu nennen, mag nicht die geschmackvollste Idee sein, doch ist das zugrundeliegende Konzept interessant. Möge der Sensenmann den Prostatakrebs holen...
Siemens Healthcare und Curagita Holding planen gemeinsam neue E-Health-Lösungen für die 100 Praxen des Radiologienetz Deutschland aufzubauen und zu evaluieren. In einer ersten Pilotphase wird eine E-Health-Anwendung in den netzeigenen radiologisch-nuklearmedizinischen Großpraxen in Hamburg und München getestet, welche die Abläufe bei der Befundung und Diagnose sowie den Qualitätsverbund unter den Standorten unterstützen soll.
Ab Mitte des Jahres 2016 soll es in der ersten Stufe bei der Diagnostik von Prostatakrebs in den zwei netzeigenen Referenzpraxen möglich sein, dass sowohl die beteiligten ärztlichen Stellen als auch Patienten auf Befunde elektronisch zugreifen können. Siemens wird für die interdisziplinäre und -sektorale Vernetzung sorgen und die Zugriffsportale aufbauen. Außerdem werden die Ärzte der Großpraxen die Bildbefundungssoftware sowie das Langzeitarchiv von Siemens testen. Die Auswertung von verschiedenen Kennzahlen aus medizinischen Untersuchungen sowie Expertenbefragungen per Telemedizin sollen mit einer cloud-basierten IT-Lösung von Siemens erfolgen.
Die Curagita managt das Radiologienetz Deutschland, in dem sich derzeit 360 Radiologen in 100 unabhängigen Praxisunternehmen und 70 Krankenhausabteilungen zusammengeschlossen haben, und die Deutsche Radiologienetz AG, die ein Krankenhaus und zwei große radiologisch-nuklearmedizinische MVZ in Hamburg und in München betreibt.
Siemens und Curagita möchten auf Basis der bereits bestehenden Zusammenarbeit bei bildgebenden Systemen auch im Bereich IT kooperieren. Dazu haben die beiden Unternehmen vereinbart, verschiedene Anwendungsfälle einer E-Health-Lösung zu testen. Der erste Pilot betrifft die Prostatakrebs-Diagnostik im Rahmen des RaDiagnostiX-Programms des Radiologienetz Deutschland. Eine Besonderheit des Programms ist die enge interdisziplinäre und sektorübergreifende Zusammenarbeit von Urologen und Radiologen, Strahlentherapeuten und anderen Fachärzten anhand standardisierter Dokumentation und enger Kommunikation. In bestimmten Fällen werden Zweitbefunder hinzugezogen.
Auf Wunsch erhalten Patienten ein persönliches Patientenbuch in Papierform, in dem sie alle Informationen und Abläufe kompakt zusammengefasst finden und ihre Befunde aufbewahren können. Bisher werden die zugehörenden Dokumente in Papierform weitergereicht. Das soll sich demnächst ändern.
Mit Hilfe von »sense«, einer Plattform für intersektorale Kommunikation, werden die Praxen der Ärzte, die als Zuweiser, Erst- oder Zweitbefunder an Untersuchung und Diagnose beteiligt sind, vernetzt. Zusätzlich steuert sense den Ablauf, in dem die Befunde – gegebenenfalls auch anonymisiert – an die zuständigen Ärzte weitergereicht werden. Über jeweils eigene Portale können Ärzte sowie Patienten passwort-gesteuert auf Befunde zugreifen.
Für die Befundung der klinischen Bilder, nicht nur von der Prostata, wird in den beiden Großpraxen in Hamburg und München umfassend die Bildbefundungssoftware syngo.via erprobt werden. Die Applikation »syngo.share« wird als VNA (Vendor Neutral Archive) zur standortübergreifenden Langzeitarchivierung mit Falldatenbank getestet.
Zusätzlich werden die Funktionen der auf Cloud-Technologien basierenden IT-Lösung »teamplay« getestet. Innerhalb der beiden Praxen soll teamplay helfen, die vielen in der Radiologie erzeugten Informationen wie Scanner-Auslastung, Untersuchungszeiten oder applizierte Strahlendosis zu analysieren und zusammen mit anderen Medizin- und Managementparametern zu einem Informationssystem für die ärztliche Geschäftsführung zu verknüpfen. Bildgebende Geräte lassen sich nahezu in Echtzeit analysieren und auf Basis der Ergebnisse kann ihr Betrieb bis hin zum einzelnen Scanner optimiert werden. Außerdem können über teamplay Bilddaten zum Beispiel mit externen Experten ausgetauscht werden. Ende des Jahres werden die Ergebnisse der Pilotstudie mit den radiologischen Aufsichts- und Fachbeiräten des Radiologienetz Deutschland ausgewertet und eine deutschlandweite Umsetzung auf das gesamte Praxis- und Krankenhausabteilungsnetz überlegt.