Welche Rolle spielen in diesem OP chirurgische Navigationssysteme?
Navigationssysteme erlauben es dem Chirurgen, sich auch bei kleinen Zugängen zum Körper im Operationsfeld zu orientieren. Sie stellt das Bindeglied zwischen den Bildgebungsdaten, die vor oder während des Eingriffs gemacht werden, und den operativen Maßnahmen, wie dem Abtragen von Gewebe oder lokalen Injektionen, dar. Das ist ganz wesentlich bei schwierigen Eingriffen wie in den Nasennebenhöhlen oder am Gehirn.
Wie wäre ein solches System in den OP der Zukunft zu integrieren?
Melzer: Solche Geräte finden sich in den allermeisten neurochirurgischen OPs, in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und in der Orthopädie. Häufig werden sie aber erst dann hochgefahren und positioniert, wenn man sie braucht. Dieser komplizierte Schritt benötigt Zeit und die Mitarbeit mehrerer Personen: Das System registriert die Position des Patienten und der Instrumente im Raum. Dann wird das Volumen des Patientenkörpers auf Basis dieser Registrierung mit den vorhandenen Bildgebungsdaten gefüllt. Dieses Bild wird als Projektion wiedergegeben. Der Chirurg kann hier dann mit einer virtuellen Linie sehen, wo sich sein Instrument befindet.
Unser Modell-OP am ICCAS verfügt über ein vernetztes Navigationssystem. Es startet schon, wenn der Operateur die Sonde in die Hand nimmt. Entsprechend werden die radiologischen Bilder auch automatisch geladen. Das ist ein Riesenvorteil, der nicht nur Kosten spart – die OP-Minute ist eine der teuersten Ressourcen im Krankenhaus – sondern auch Zeit und dadurch vielleicht Raum für weitere Eingriffe schafft.
Wie weit sind wir denn in Ihren Augen noch vom OP der Zukunft entfernt?
Die Umsetzung wird noch einige Jahre dauern, da auch vernetzte Geräte zugelassen werden müssen. Die OPs in der Neurochirurgie sind hier wahrscheinlich am weitesten entwickelt, aber auch in der Herzchirurgie, wo beispielsweise unter Bildgebung Ersatzherzklappen positioniert oder Herzrhythmusstörungen behandelt werden. Dies ist hier am Herzzentrum in Leipzig erstmals im MRT umgesetzt worden.
In diese beiden Disziplinen hat die bildgebungsgestützte Navigation schon lange Einzug gehalten, die OPs sind insgesamt sehr fortschrittlich ausgestattet. Aber auch in anderen Gebieten treten der Kommunikationsaspekt und die zentrale Steuerung der Geräte schon teilweise auf. Der abschließende Schritt, die optimale Arbeitsplatzgestaltung für den Chirurgen, wird noch einige Zeit benötigen, aber die Komponenten sind bereits vorhanden.
Wird sich der Beruf des Chirurgen denn zusammen mit seinem Arbeitsplatz verändern?
Wir erforschen derzeit ein Verfahren für die Verwendung von MR-geführtem, fokussiertem Ultraschall. Damit wollen wir die Behandlung von Tumoren komplett ohne Einschnitt in den Körper ermöglichen, nur mit Ultraschallwellen, die Gewebe erhitzen und dadurch zerstören. Im Rahmen dieser Behandlung sitzt der Chirurg außerhalb des MRT-Raumes an einer Konsole, an der er die einzelnen Hitzepunkte des Ultraschalls markiert. Im Rahmen dieses oder ähnlicher Verfahren wird er gewissermaßen zum Bildschirmarbeiter, ohne Kontakt zum Operationsfeld.
Das ist natürlich eine extreme Änderung des Berufsbildes. Es werden selbstverständlich nicht alle Chirurgen so arbeiten, nur in einigen Bereichen wird sich ihr Anteil stark erhöhen. Für die meisten werden unverändert die manuellen Fähigkeiten und die Arbeit am Patienten im Vordergrund stehen.
Anmerkung: Dieser Artikel erschein zuerst auf Medica.de. Wir durften ihn mit freundlicher Unterstützung ebenfalls veröffentlichen. Hier geht's zum Original.