Weitgehend unbekannt ist, dass Bluetooth inzwischen auch eine Technik für die Funkortung bietet. Im Interview spricht Ken Kolderup, Chief Marketing Officer der Bluetooth Special Interest Group (SIG), über Technik, Anwendungsfälle und die Zukunft von Bluetooth-Ortungsdiensten.
Der Großteil der Welt kennt Bluetooth als führenden Standard für die Audiosignalübertragung per Funk. Allein im Jahr 2022 werden voraussichtlich über 1,4 Milliarden Audioprodukte mit Bluetooth abgesetzt werden. Bluetooth gilt ebenfalls als führender Funkstandard für die stromsparende Datenübertragung. Analysten erwarten, dass in diesem Jahr etwas mehr als 1 Milliarde Bluetooth-Geräte in diesem Segment ausgeliefert werden: von Fitness- und Wellnessprodukten bis hin zu allen Arten von Unterhaltungselektronik.
Und: In diesem Jahr werden voraussichtlich über 250 Millionen Bluetooth-Geräte verkauft, die Ortungsdienste unterstützen.
? Wie ist der aktuelle Stand im Bereich der Bluetooth-Lokalisierung?
! Ken Kolderup: Ortungsdienste sind der am schnellsten wachsende Lösungsbereich für die Bluetooth-Technik. Allein im Jahr 2026 werden voraussichtlich über 550 Millionen Produkte ausgeliefert. Ein Grund für dieses rasante Wachstum liegt im Engagement der Mitgliedsunternehmen der Bluetooth SIG. Sie reagieren auf die Anforderungen des Marktes und fügen der Bluetooth-Technik immer mehr fortschrittliche Ortungsfunktionen hinzu. Aktuell ist innerhalb der Bluetooth SIG ein Projekt in vollem Gange, das Bluetooth um Funktionen für eine hochpräzise Entfernungsmessung erweitern wird. Dieses Projekt verspricht eine weitere deutliche Verbesserung der Leistung aller Arten von Ortungsanwendungen.
? Welche Methoden werden in Bluetooth eingesetzt, um den Standort zu ermitteln?
! Kolderup: Mit Bluetooth Low Energy (LE) wurde bereits vor über zehn Jahren die technische Grundlage für die Positionsbestimmung geschaffen: Über kurze Advertising-Nachrichten, die ein Bluetooth-Gerät sendet und die jedes andere Bluetooth-Gerät in der Nähe empfangen kann. Obwohl diese Möglichkeit in erster Linie zur Unterstützung des anschließenden Kopplungsprozesses zwischen zwei Bluetooth-Geräten gedacht war, wird Bluetooth Advertising heute in zahlreichen Anwendungen eingesetzt, bei denen ein Gerät die Anwesenheit eines anderen feststellen soll. Unabhängig von Internet-Verbindungen nutzen beispielsweise viele IoT-Anwendungen Bluetooth Advertising, um das Hinzufügen von Geräten in ein Netzwerk (Onboarding) zu ermöglichen.
Mit Bluetooth LE wurde zugleich auch die Möglichkeit eingeführt, ein Gerät in die Lage zu versetzen, die Entfernung zu einem anderen zu schätzen. Hierzu verwendet es eine Funktion, die als Bluetooth Received Signal Strength Indication (RSSI) bekannt ist.
Ich glaube, keiner von uns hat sich vorstellen können, welche enorme Verbreitung diese grundlegende Funktion einmal erreichen würde: von der Suche nach Gegenständen im Konsumentenumfeld bis hin zu ausgefeilten Echtzeit-Lokalisierungssystemen (RTLS, Real-Time Locating System), die in der Lage sind, die Position von Tausenden von Objekten in kommerziellen und industriellen Umgebungen metergenaue zu bestimmen. Sie alle basieren darauf, die Entfernung zwischen zwei Geräten auf der Grundlage der Stärke des empfangenen Bluetooth-Funksignals schätzen zu können.
Obwohl die auf Bluetooth RSSI basierenden Ortungsdienste sehr erfolgreich sind, war schon vor Jahren klar, dass der Markt nach Techniken verlangt, die eine Ortung mit noch höherer Genauigkeit ermöglichen. Bei einigen RTLS-Einsatzfeldern muss das System beispielsweise in der Lage sein, eine Positionsgenauigkeit zu bieten, die in Zentimetern statt in Metern gemessen werden kann. Um diese Anforderungen zu erfüllen, hat die Bluetooth-Community mehrere Projekte in Angriff genommen. Ziel ist es, Bluetooth um fortschrittlichere Ortungsfunktionen zu erweitern.
? Was sind das für Projekte?
! Kolderup: Das erste Projekt wurde 2019 mit der Einführung von Bluetooth Direction Finding abgeschlossen. Diese Funktion ermöglichte es einem Bluetooth-Gerät, die Richtung eines Signals zu bestimmen, aus der ein anderes Gerät sendet. Durch das Hinzufügen einer Technik zur präzisen Bestimmung der Signalrichtung, können RTL-Systeme nun die Position von Gegenständen mit einer Genauigkeit im Zentimeterbereich ermitteln. Ein Beispiel: Viele Eishockeyligen setzen aktuell RTL-Systeme ein, die auf Bluetooth Direction Finding basieren. Sie verfolgen die Bewegung von Spielern und Pucks mit einer Genauigkeit von Zentimetern und mit Latenzen von Millisekunden.
Das zweite Projekt befindet sich aktuell in einer fortgeschrittenen Phase der Spezifikationsentwicklung innerhalb der Bluetooth SIG. Es ermöglicht künftig eine hochgenaue Entfernungsmessung. Dieses Projekt zielt darauf ab, bewährte Funktechniken zur Entfernungsmessung in den Bluetooth-Standard zu integrieren. Das geschieht in ähnlicher Weise, wie die bewährte Praxis der Funkpeilung im Rahmen des Projektes zur Richtungsbestimmung in den Bluetooth-Standard eingeflossen ist. Wir erwarten, dass die genaue Entfernungsmessung demnächst die Leistung vieler Bluetooth-RTL-Systeme deutlich verbessern wird.
? Können Sie ein Beispiel für einen Anwendungsbereich nennen, der von dieser Verbesserung profitieren wird?
! Kolderup: Ein schnell wachsender Anwendungsfall, der die Nachfrage nach dieser neuen Funktion antreibt, ist die Zutrittskontrolle, einschließlich der Verwendung von Smartphones als digitaler Schlüssel – für den Zugang zu Auto, Haus und mehr. Die meisten digitalen Schlüssel basieren heute bereits auf Bluetooth, aber die zusätzliche präzise Entfernungsmessung verspricht ein noch höheres Maß an Sicherheit und eine weitere Verbesserung des Benutzererlebnisses.
? Vielen Dank für diesen Einblick, Herr Kolderup.
Datum | Uhrzeit | Session | Titel | Sprecher |
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23.6. | 16:00–16:30 | Session 2.9 Bluetooth Localization | Bluetooth Direction Finding: An Overview of AoA and AoD Technologies | Fabio Belloni, Quuppa |
16:30–17:00 | Taking Bluetooth Direction Finding Beyond the Theory | Sami Kaislasuo, Silicon Labs | ||
17:00–17:30 | Bluetooth 5.1 Based Indoor Localization: Performance Results and Insights | Gerrit Maus, University of Wuppertal |