Daten- und Funktionale Sicherheit

Safety und Security im Smart-Grid

14. Juni 2012, 10:27 Uhr | von Peter Pfisterer und Christian Dirmeier
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Standardisierung als Schlüssel

Weil im Smart-Grid eine große Zahl Komponenten - auch unterschiedlicher Hersteller - implementiert sind, kommt in Sicherheitsfragen der Standardisierung von Schnittstellen, Protokollen und Kommunikation besondere Bedeutung zu. Denn die Geräte müssen einheitliche Anforderungen zuverlässig erfüllen, um ein hohes Maß an Funktionalität, Usability und Interoperabilität zu gewährleisten.

Einen Standard für den Informationsaustausch beschreibt die IEC 61850. Dieser soll die universelle Sprache des Smart-Grid werden. Er definiert die Leitlinien des Datentauschs über Ethernet zwischen Stromerzeugern, Stromverbrauchern und Stromverteilern. Durch die normierten Datenmodelle und Knotenpunkte lässt sich auf diese Weise ein funktionierendes Gesamtsystem aufbauen.

Der Blick in die Praxis zeigt allerdings, dass dieser Standard noch nicht überall umgesetzt wurde. Größte Herausforderung für die Netzbetreiber ist deshalb der zeitnahe Auf- und Umbau der Netze hin zum Smart-Grid. Nachgelagert sind die Gerätehersteller gefordert, Geräte auf den Markt zu bringen, welche die Anforderungen der IEC 61850 zuverlässig erfüllen.

Auch 25 Jahre nach der Einführung der ersten Edition gibt es eine Vielzahl von Produkten und Lösungen, die nicht miteinander harmonieren. Langfristig soll die IEC 61850 eine Lösung bieten, die gleichzeitig die Kernanforderungen nach Flexibilität, Interoperabilität und einfacherer Konfiguration erfüllt. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig die bisherigen Standards IEC 61850 und IEC 61970/IEC 61968 (CIM) zu harmonisieren sowie den Standardisierungsgrad zu erhöhen. Dadurch soll es den Anbietern in Zukunft nicht mehr möglich sein, die Standards unterschiedlich zu implementieren.

Bild 2: Bei der Konformitätsprüfung werden verschiedene elektronische Geräte (IED - Intelligent Electronic Device) geprüft und in ein Testnetz auf Ethernet-Basis integriert.
Bild 2: Bei der Konformitätsprüfung werden verschiedene elektronische Geräte (IED - Intelligent Electronic Device) geprüft und in ein Testnetz auf Ethernet-Basis integriert.
© TÜV Süd

Mit Hilfe der IEC 61850 lassen sich bestehende Anlagen und neue Komponenten zuverlässig ins Netz integrieren und die Kompatibilität gewährleisten. Denn die Norm ermöglicht einen umfassenden Informationsaustausch zwischen den angeschlossenen Teilnehmern und eine weitgehend automatisierte Regelung des Versorgungsnetzes.

Weitere Vorteile eines Systems auf Basis der IEC 61850 sind der modulare Aufbau und die Konfiguration über XML-Dateien. Zudem bestehen Schnittstellen zu den Fernwirkprotokollen IEC 60870-5-101 beziehungsweise IEC 60870-5-104, die schrittweise durch die IEC 61850 ersetzt werden. Noch ist nicht bei allen Beteiligten die notwendige Expertise zur Integration von Komponenten und zum Ausbau von neuen Systemen vorhanden.

Wenn es darum geht, die technischen Komponenten frühzeitig zu prüfen, können Anwender auf externe Experten zum Beispiel beim TÜV Süd zurückgreifen, um kostenintensiven Nachbesserungen vorzubeugen.

Bild 3: Bei der Interoperabilitätsprüfung kommen elektronische Geräte (IED - Intelligent Electronic Device) unterschiedlicher Hersteller auf den Prüfstand.
Bild 3: Bei der Interoperabilitätsprüfung kommen elektronische Geräte (IED - Intelligent Electronic Device) unterschiedlicher Hersteller auf den Prüfstand.
© TÜV Süd

Ergänzend zu den Konformitätstests (Bild 2) sollten praxisnahe Performance- sowie Interoperabilitätstests (Bild 3) für Steuerungsgeräte von Sensoren, Aktoren, Signalgebern, Schutztechnik oder Smart-Metern vorgenommen werden. Die Tests sind auf Basis der ersten Edition und der bald vollständig verfügbaren zweiten Edition der IEC 61850 durchzuführen.

Stromerzeuger und -verbraucher sowie Netzbetreiber erhalten so eine belastbare Entscheidungshilfe zur Auswahl von geeigneten Geräten und Informationen zu deren Integration. Was die konkrete Umsetzung von Maßnahmen anbelangt, fehlt es mitunter noch an Akzeptanz in der Industrie und bei Privathaushalten. Ein Beispiel ist die Nutzung von Smart-Metern.

Stromabnehmer können damit zwar Einsparpotenziale realisieren, aber vielfach bestehen Bedenken, zum »gläsernen« Kunden zu werden. Die Abfrage von Verbrauchsdaten in Intervallen von wenigen Minuten könnte Energieversorgern detaillierte Rückschlüsse über das Nutzungsverhalten ihrer Kunden erlauben. Ein Lösung hier sind die Anonymisierung und Pseudonymisierung von Datenpaketen. Eine weitere Herausforderung: Ein Großteil der bereits implementierten Zähler ist noch nicht sicher genug. Vorhandene Schutzprofile sind zu erweitern und zu verbessern, um die Daten vor dem Zugriff Dritter zu schützen.

Bestehende Lösungen nutzen

Die Anforderungen an die Sicherheit, die das Smart-Grid im Großen stellt, sind nicht grundsätzlich neu. In der Industrie, Medizin, Telekommunikation oder bei Fahrzeugen und Haushaltsgeräte bestehen auf lokaler Ebene ähnliche Herausforderungen, die bereits zuverlässig bewältigt wurden. Auch hier sind eingebettete Systeme seit Jahren erfolgreich.

Für das Smart-Grid lassen sich also bestehende Konzepte nutzen. Beispiele geben die Leittechnik und dortige Konzepte für die funktionale Sicherheit (SIL-Klassen), Datenschutz und -sicherheit im Office-Bereich oder quantitative und qualitative Risikoanalysen. Gerade in der Informatik oder für die umfassende Automatisierung bestehen eine Vielzahl an Sicherheitsnormen und internationalen Standards (z.B. IEC 62443), die Orientierung bieten.

Bei der Optimierung der Sicherheitsarchitektur der Netze spielt die Simulation von Netzangriffen und Isolationsstrategien im Schadensfall eine wichtige Rolle. Der TÜV Süd prüft die Sicherheit und die Anforderungen der IEC 61850 für Komponenten nach technischen und gesetzlichen Anforderungen.

Über die Autoren:

Peter Pfisterer leitet das Smart-Grid-Labor, Christian Dirmeier ist Produktmanager Smart-Grid, beide beim TÜV Süd.


  1. Safety und Security im Smart-Grid
  2. Standardisierung als Schlüssel

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