4. Mit dem Begriff Burnout ist die Vorstellung verbunden, dass langsamer treten, länger schlafen und Urlaub machen gute Bewältigungsstrategien sind. Verbirgt sich hinter diesem Begriff eine depressive Erkrankung, so sind dies jedoch oft keine empfehlenswerten und oft sogar gefährliche Gegenmaßnahmen. Menschen mit depressiven Erkrankungen reagieren auf längeren Schlaf und eine längere Bettzeit nicht selten mit Zunahme der Erschöpftheit und Stimmungsverschlechterung. Dagegen ist Schlafentzug eine etablierte antidepressive Behandlung bei stationärer Behandlung. Dies ist sehr gut belegt und für die Betroffenen überraschend, da diese nichts mehr als den sehnlichsten Wunsch haben, endlich tief zu schlafen und am Morgen erholt aufzuwachen.
Beim Schlafentzug wird den Patienten empfohlen, die zweite Nachthälfte wach zu bleiben. Die Patienten verspüren dann in der Mehrzahl eine deutliche Besserung und oft völliges Abklingen der depressiven Krankheitszeichen. Diese Besserung hält jedoch nur bis zum nächsten Schlaf an. Trotzdem ist für viele depressive Erkrankte der Schlafentzug ein positives Zeichen, da allein hierdurch die als unveränderlich erlebte depressive Verstimmung durchbrochen werden kann. Sehr viele depressive Erkrankte merken auch, dass mit Dauer des Wachseins, d.h. gegen Abend, die Erschöpftheit nicht zu- sondern eher abnimmt und sich auch die Stimmung besser als morgens ist.
Auch ist Urlaubsantritt etwas, was jedem depressiv Erkrankten dringend abgeraten wird, da die Depression mitreist und der eigene Zustand mit Antriebsstörung und der Unfähigkeit, irgendeine Freude zu empfinden, im Urlaub in fremder Umgebung besonders bedrückend und schmerzlich erlebt wird. Ob eine Krankschreibung, die bei schweren Depressionen unvermeidlich ist, auch bei Betroffenen mit leichteren Depressionen sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Es gibt nicht wenige depressiv Erkrankte, die als besonders belastend erleben, wenn sie nach der Krankschreibung grübelnd zu Hause im Bett liegen.
Manche Betriebe haben die Möglichkeit, das Arbeitspensum während der depressiven Episode deutlich zu reduzieren, den Betroffenen aber zu ermöglichen, zur Arbeit zu kommen, sodass dieser durch den strukturierten Arbeitsrhythmus und Einbindung in Arbeitsabläufe Halt und Tagesstruktur erfährt.
5. Eine Vermengung von Stress, Burnout und Depression führt zu einer Verharmlosung der Depression. Stress, gelegentliche Überforderungen, Trauer sind Teil des oft auch bitteren und schwierigen Lebens und müssen nicht medizinisch behandelt werden. Depression dagegen ist eine schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung, die sich wesentlich von dem Gefühl der Erschöpftheit unterscheidet, dass wohl jeder Mensch bisweilen morgens vor dem Aufstehen und auch nach einem langen Arbeitstag kennt. Die Verharmlosung der Depression verstärkt das Unverständnis gegenüber depressiv Erkrankten und das damit assoziierte Stigma.