Schatten-KI am Arbeitsplatz jetzt regeln

»Betrachten Sie KI wie einen schlauen Praktikanten«

27. Mai 2024, 14:00 Uhr | Corinne Schindlbeck
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An den Arbeitsplätzen wuchert künstliche Intelligenz wie Efeu und zieht sich durch praktisch alle Abteilungen. Doch das birgt Risiken, zumal längst nicht alle Unternehmen betriebliche Regelungen zu KI am Arbeitsplatz getroffen haben.

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Sieben von zehn Arbeitnehmer in Deutschland nutzen heimlich eigene KI-Werkzeuge für die Arbeit, zeigt die neue Studie »Work Trend Index 2024« von Microsoft und LinkedIn, für die weltweit 31.000 Menschen befragt wurden und u. a. Microsoft-365-Produktivitätsmetriken erfasst wurden. Vor allem die sogenannten »Wissensarbeiter« verlassen sich für ihre Geschäftskorrespondenz, für betriebliche Analysen oder Präsentationen auf künstliche Intelligenz. Das ist kritisch, etwa in Bezug auf Compliance, Datenschutz, Datensicherheit und Schutz von Betriebsgeheimnissen. Der Einsatz erfolgt häufig, ohne dass sich die Führungsriegen dessen überhaupt bewusst sind.

Auch in der Softwareentwicklung geht es längst nicht mehr ohne KI. Philipp Schilling ist Head of Engineering beim Softwareentwickler Perspective in Berlin. »Wir nutzen KI-Tools sehr viel, weil es die Produktivität enorm hochschraubt, schätzungsweise um 30 bis 50 Prozent«, bestätigt Schilling gegenüber Markt&Technik. Am häufigsten nutze sein Team zum Codeschreiben ChatGPT oder Copilot. Natürlich müsse man dabei seine Mitarbeiter auch für die Gefahren sensibilisieren, die durch die KI-Nutzung entstehen könnten. Ihnen bewusst machen, was KI mit den Infos anstellen könne. Da helfe nur Schulung und Aufklärung, sagt der Teamchef, man müsse die Mitarbeiter an die Hand nehmen: »Es muss jedem klar sein, dass man etwa Kundendaten entfernen und so allgemein wie möglich formulieren muss, um keine Identifikation zu ermöglichen und in Folge Urheberrechte oder Datenschutzrichtlinien zu verletzen«, so Schilling weiter. Von Verboten hält er nichts, eher von Empowerment. Denn die Möglichkeiten, die KI biete, stiegen ja förmlich jeden Tag, »Es ist in meinen Augen aus technischer Sicht nahezu unmöglich, aus Kosten-Nutzen-Sicht auch unsinnig, den Mitarbeitern die Verwendung von KI zu verbieten.«

Vielmehr müsse man sie regeln, gegebenenfalls mit eigenen KI-Lösungen, insbesondere wenn man mit vielen Kundendaten arbeite, wie etwa Versicherungen. Schillings Fazit: »Betrachten Sie KI wie einen schlauen Praktikanten. Er kann ihnen enorm viel Arbeit abnehmen, aber Sie würden seine Arbeit niemals unkontrolliert und ohne Qualitätssicherung an den Kunden weitergeben.« Das bedeutet im Falle von KI-generiertem Code, ihn nochmal zu überprüfen, bevor man ihn in einem Projekt verwendet.

Schilling Philipp
Philipp Schilling, Perspective: »Es ist in meinen Augen aus technischer Sicht nahezu unmöglich, aus Kosten-Nutzen-Sicht auch unsinnig, den Mitarbeitern die Verwendung von KI zu verbieten.«
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Eine explizite »KI-Vision« mit entsprechender betrieblicher Regelung existiert aber längst noch nicht in jedem Unternehmen. Aus diesem Grund sollten Unternehmen die KI-Nutzung im Büro schleunigst regeln, raten Experten wie der Münchner Rechtsanwalt Christos Paloubis von der Kanzlei FX legal. Er warnt davor, dass ohne eine solche Regelung es zu »enormen Gefahren« hinsichtlich Urheberrecht, geistigem Eigentum oder Datenschutz kommen könne, etwa wenn versehentlich personenbezogene Daten offengelegt würden. »Insbesondere bei der Verwendung der KI im geschäftlichen Verkehr sollte also streng darauf geachtet werden, dass keine persönlichen Daten zum Beispiel von Mitarbeitern oder Kunden eingegeben werden. Das betrifft auch Bewerbungsprozesse oder die Erstellung von Zeugnissen, auch hier muss besondere Vorsicht angewendet werden.«, so Paloubis.

Im schlimmsten Fall werden »aus Versehen« Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse publik. »Die unkontrollierte Verarbeitung gewonnener Information ist generell ein Problem für jegliche sensible Daten«, fasst Paloubis zusammen. Knifflig auch die Frage, ob der Mitarbeiter dann am Ende haftbar gemacht werden kann, wenn er KI für seine Arbeit missbräuchlich nutzt. Denn er ist ja verpflichtet, sensible Unternehmensdaten zu schützen. »Im Extremfall drohen schadensrechtliche Ansprüche, Abmahnung oder gar Kündigung«, sagt Paloubis, der auf Internetrecht, Wettbewerbsrecht und Schutz des geistigen Eigentums spezialisiert ist. Grundsätzlich hafte aber das Unternehmen selbst für Schäden gegenüber Dritten, es kann aber ggf. im Rahmen des sog. innerbetrieblichen Schadensersatzes Regress von seinem Arbeitnehmer fordern. Haftungsmildernd kann sich dann u. U. auswirken, wenn bislang noch keine offizielle Regelung zur Nutzung von KI getroffen wurde.

 


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