Wasser galt in der industriellen Kältetechnik lange als unberechenbar – zu riskant, zu ineffizient, zu aufwendig. Doch mit dem schrittweisen Phase-down fluorierter Kältemittel ab 2030 gewinnt das »natürlichste« aller Kältemittel an Attraktivität. Eine Möglichkeit zeigt das Startup Alpinovx.
Wasser ist ungiftig, nicht brennbar und besitzt ein Treibhauspotenzial (GWP) von null. Das französische Start-up Alpinovx zeigt, dass sich mit Wasser als Kältemittel nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile erzielen lassen.
Das System von Alpinovx basiert auf einem geschlossenen Vakuumkreislauf, in dem Wasser bei sehr niedrigem Druck verdampft und kondensiert. Der physikalische Prozess entspricht dem einer klassischen Kompressionskälteanlage – nur dass hier kein chemisches Kältemittel, sondern reines Wasser (R718) eingesetzt wird.
Im Vakuumbereich von wenigen Millibar verdampft Wasser bereits bei Temperaturen um 20 °C – ideal für Anwendungen mit geringer Temperaturspreizung, etwa in Rechenzentren mit hohem Wärmestrom und stabiler Rücklauftemperatur.
Nach mehreren Entwicklungszyklen ist die vierte Generation des Systems laut Alpinovx nun marktreif. Sie liefert rund 1 MW Kälteleistung, arbeitet 100 Prozent HFO/HFC-frei und ermöglicht laut Hersteller Energieeinsparungen von 10 bis 30 Prozent gegenüber herkömmlichen Chiller-Systemen.
Während Betreiber konventioneller Anlagen mit Dichtheitsprüfungen, F-Gas-Dokumentation und Lecküberwachung beschäftigt sind, entfällt bei Alpinovx nahezu der gesamte regulatorische Aufwand. Das System ist nicht von solchen Vorschriften betroffen, da keine brennbaren oder toxischen Stoffe eingesetzt werden. Den Rückenwind liefert die EU-Politik: Die neue F-Gas-Verordnung schränkt das Inverkehrbringen von Anlagen mit fluorierten Treibhausgasen ab 2030 stark ein. Parallel fordert das deutsche Energieeffizienzgesetz (EnEfG) deutlich strengere Grenzwerte für den Energieverbrauch von Rechenzentren.
Im aktuellen Bericht der Deutschen Energie-Agentur (DEnA) »Status und Entwicklung der Rechenzentrumslandschaft in Deutschland« (Juni 2025) heißt es: »Weitere Maßnahmen wie Flüssigkühlung sind erforderlich, um die Anforderungen des Energieeffizienzgesetzes zu erfüllen.« Für neue Rechenzentren gilt ab Juli 2026 ein maximaler PUE-Wert von 1,2 – Werte, die mit klassischen Kühlkonzepten kaum noch erreichbar sind.
Alpinovx gibt für sein System deutliche OPEX-Einsparungen und geringere Wartungskosten an. Die mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen (MTBF) liegt bei über 40.000 Stunden, herkömmliche Kompressionskältemaschinen erreichen im Schnitt rund 15.000 Stunden. Da Wasser kein Druckgas ist, entfallen aufwändige Sicherheitsprüfungen, und durch den geschlossenen Kreislauf gibt es keine Wasserverluste – im Gegensatz zu etwa adiabatischen Systemen, die auf Verdunstung setzen. Ein weiterer Vorteil: Das System arbeitet sehr leise, was gerade in urbanen Lagen ein Herstellerargument ist.
Wie weit die Technologie bereits gediehen ist, zeigt die Aufnahme von Alpinovx in das offizielle Portfolio des Investors Innoenergy für die Dekarbonisierung von Rechenzentren (Data Center Booklet – Munich Edition, Juni 2025). »Die Alpinovx-Technologie bietet eine innovative Hochleistungskühlung mit Wasser als Kältemittel und reduziert sowohl Energieverbrauch als auch CO2-Emissionen«, heißt es dort anerkennend über die »Breakthrough-Technologie«. Ab Ende 2025 soll das erste 2-MW-System im Pariser Fernkältenetz von Engie installiert werden – ein wichtiger Schritt zur industriellen Umsetzung.
Dr. Markus Forstmeier ist Business Development Officer bei Innoenergy. Seine Einschätzung:»Der hohe Energieverbrauch von Rechenzentren ist eine Hürde für den weiteren Ausbau. Der Hauptbedarf ist dabei die Kühlung der Hochleistungsprozessoren. Die Technologie von Alpinovx bietet eine äußerst nachhaltige Klimatisierungsoption«.
Der Ansatz von Alpinovx fügt sich in eine breitere Entwicklung ein: Rechenzentren sollen nicht nur effizienter kühlen, sondern auch ihre Abwärme nutzbar machen.
Die DENA sieht darin einen zentralen Hebel, um die Energiewende zu beschleunigen. Kombiniert man Systeme wie das von Alpinovx mit Hochtemperatur-Wärmepumpen – etwa der österreichischen Firma Ecop, die Temperatursprünge bis 100 K erreicht – lässt sich Serverabwärme künftig direkt in Fernwärmenetze einspeisen.
Wasser wird bei Atmosphärendruck erst bei 100 °C gasförmig. Senkt man den Druck jedoch stark ab – im Fall von Alpinovx auf etwa 10 bis 40 mbar – beginnt das Verdampfen bereits bei 15 bis 25 °C. Das System nutzt diesen Effekt in einem geschlossenen Vakuumkreislauf:
Da kein chemisches Kältemittel eingesetzt wird, entstehen keine Emissionen und keine Sicherheitsrisiken durch brennbare oder toxische Stoffe. Das System arbeite leise, effizient und wartungsarm, so Alpinovx.