Völlig überraschend ist Robert Kraus, der CEO und Gründer von Inova Semiconductors, vergangene Woche in München verstorben.
Was er geschaffen hat, ist außergewöhnlich: 1999 gründete er Inova Semiconductors in München mit der Vision, ICs für die serielle High-Speed-Datenübertragung zu entwickeln. Die Vision wurde Wirklichkeit: Vergleichbare Erfolgsgeschichten sind in Europa selten. Wie so etwas gelingt? Vor allem mit beharrlicher Arbeit, unermüdlicher Einsatzfreude, Spaß an der Technik, umfangreichen Kompetenzen auf ganz unterschiedlichen Gebieten, vor allem aber auch Spaß am Umgang mit Menschen.
Dabei war ihm das Unternehmertum nicht von Anfang an in die Wiege gelegt. Nach dem Studium der Nachrichtentechnik startete er 1986 seine Karriere bei Motorola, ab 1990 leitete er dort das Logik-Engineering in Europa. Als es dann zum Umbau des Konzerns kam, entstand die Idee, sich selbständig zu machen: Schnell waren Kollegen gefunden, die mit ihm das Abenteuer wagen wollten, eine Chip-Firma ohne eigene Fab zu gründen.
Doch wie jedes Start-up hatte Inova auch Durststrecken zu überwinden, während der Robert Kraus eine seiner vielen Begabungen unter Beweis stellen konnte: In Krisen kühlen Kopf zu bewahren, nicht hektisch Strategien zu wechseln, sondern ruhig auf dem als richtig erkannten Weg fortzuschreiten – und trotz der Schwierigkeiten sein Team zu motivieren. Aufgeben war für ihn keine Option.
Auch im bayerischen Wirtschaftsministerium konnte er die entscheidenden Mitarbeiter für sein Projekt begeistern, das dem Start-up die Finanzierung gewährte, ohne die es kaum aus den Startlöchern gekommen wäre.
Dabei kam Robert Kraus zugute, dass er nie nur Ingenieur war, sondern viele Interessen verfolgte. So arbeitete er während seines Studiums nebenbei als Journalist. Geblieben war ihm aus dieser Zeit die profunde Kenntnis darüber, wie wichtig Öffentlichkeitsarbeit ist und wie Medien funktionieren.
Das wurde offensichtlich, als er den ersten Durchbruch für Inova auf einer professionell durchgeführten Pressekonferenz in München im Jahr 2007 angekündigte: »BMW und Fujitsu setzten auf APIX«, lautete der Seite-1-Artikel in der Markt&Technik. Damals dürfte das zarte Start-up-Pflänzchen in München erstmals über die Grenzen der Insider hinaus bekannt geworden sein, sogar weltweit: Insbesondere die innovationsfreudigen asiatischen Automobilhersteller wurden auf Inova aufmerksam.
Jetzt kam Inova so richtig in Fahrt, eine Welle baute sich auf: Weitere Halbleiterersteller und Automobilhersteller wollten diese Schnittstelle einsetzen. Es entstanden ein Ökosystem und ein de-facto-Standard, der Absatz stieg rasant.
Mit diesem Erfolg gaben sich Robert Kraus und sein Team von Inova allerdings noch lange nicht zufrieden und es ging Schlag auf Schlag: »ISELED« wurde auf der electronica 2016 vorgestellt, gleichzeitig mit dem zugehörigen Ökosystem, der ISELED Alliance. Nur zwei Jahre später setzten die Ingenieure die Idee um, auch Sensoren und Aktoren in ISELED einzubinden und stellten das »ISELED Light and Sensor Network« (ILaS) vor. Auch hier zeigten sich die asiatischen Unternehmen wieder besonders aufgeschlossen, die neue Technik schnell in ihre Autos zu bringen, so dass sich diese Region inzwischen zu einem interessanten Absatzmarkt für Inova entwickelt hat.
Trotz dieser Erfolgsgeschichte hat der Visionär Robert Kraus nie die Bodenhaftung verloren. Er blieb so bescheiden, wie ich ihn schon Anfang der 2000er Jahre kennen gelernt hatte. Ich interviewte ihn gerne, lernte sein Denken immer besser verstehen und es entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis. Wir trafen uns gern zum Mittagessen bei seinem Lieblingsitaliener in München, sprachen viel über die Industrie – aber bei weitem nicht nur. Ich bewunderte seine unprätentiöse Geradlinigkeit, seine Beharrlichkeit, seinen Humor und die Begabung, strikt bei der Haltung zu bleiben, die ihm richtig erschien.
Das war wohl die Voraussetzung dazu, im Haifischbecken der global agierenden Automotive-Industrie und ihrer Zulieferer nicht nur zu überleben, sondern eine Wachstumskurve hinzulegen, die ihresgleichen sucht.
Umso tragischer ist es, dass es Robert Kraus nicht vergönnt war, die Früchte seines über 24 Jahre dauernden Marathons mit Inova zu genießen. Er hinterlässt nicht nur bei Inova eine schwer zu schließende Lücke, sondern bei seiner Familie und im Kreis seiner Freunde und Bekannten sowie der gesamten Elektronikindustrie. Wir trauern um einen Visionär, der mit Mut, Weitblick und hochkompetent seine Visionen in die Realität umzusetzen verstand und ein bedeutendes Lebenswerk hinterlässt.