Bis Ende der 1990er-Jahre wurden in Anwendungen mit Spannungswechselrichtern im MW-Bereich – wie der Traktion, den Industrieantrieben oder FACTS – GTOs und die dazugehörigen Freilauf- und Snubber-Dioden eingesetzt. Hochleistungsschalter wie der GCT (Gate Commutated Thyristor) [11, 12] und der IGBT haben seitdem den GTO als Schalter zunehmend verdrängt – wegen ihrer besseren Schalteigenschaften und da sie ein Umrichterdesign mit erheblich reduziertem Beschaltungsaufwand ermöglichen. Das führt zu geringeren Gesamtverlusten im Umrichter, aber auch zu höheren Verlusten in den FWD (Free Wheeling Diode).
Die Kommutierungssteilheit der Diode wird durch die Streuinduktivität Ls begrenzt. Im vorliegenden Fall liegen diese Werte typischerweise in einem Bereich von 100 bis 250 nH (Bild 6).
Sowohl die Spannungssteilheit als auch das di/dt beim Abschalten der Diode werden durch den IGBT-Gate-Treiber bzw. den Einschaltwiderstand Ron des Transistors bestimmt. Die Durchführung der dynamischen Tests – sowohl im Labor als auch in Serie – erfolgt applikationsnah mittels Doppelpulsschaltung.
Die erste 4,5-kV-3-Zoll-Diode D1600U (Tabelle 1) wurde 2010 entwickelt und basiert auf dem Vorgängertyp D1331SH. Die Einstellung der Trägerlebensdauerprofile durch die Implantation und Elektronenbestrahlung mussten an die härteren Schaltbedingungen angepasst werden. Danach wurden die gesammelten Erfahrungen auf größere Diodenformate übertragen.
Seit 2016 gibt es auch eine 4,5-kV-5-Zoll-Diode (D4600U) mit einem Stoßstrom von 80 kA. Der etwas geringer spezifizierte minimale Anpressdruck von 50 kN ist dem Umstand geschuldet, dass die D4600U als Freilaufdiode für einen Press-Pack-IGBT entwickelt wurde.
Da sie im vorliegenden Fall direkt zu diesem mechanisch in Reihe geschaltet wird, musste der Anpressdruck an die entsprechenden Druckverhältnisse des Spannverbandes für den 5-Zoll-Press-Pack-IGBT angepasst werden. Stellvertretend für die neuen Dioden zeigt Bild 7 das typische Abschaltverhalten einer D1301SH. Wegen der hohen parasitären Induktivität treten bei diesen Stromsteilheiten im Bereich der Rückstromspitze Spannungsspitzen auf, die zu hohen Schaltleistungen von etwa 6 bis 7 MW führen. Trotz der harten Belastungen zeigen die Dioden keinen Rückstromabriss. Die Länge des Tail-Stromes variiert je nach Typ und Lebensdauereinstellung zwischen 4 und 8 µs.
Eine niedrige Temperatur und ein kleiner Vorstrom bzw. eine kurze Vorstromdauer sind kritische Bedingungen für schnelle Dioden (Bild 8).
Links ist die Spannung aufgetragen, rechts der Strom. Trotz kleiner Temperatur und kleinem Vorstrom (100 A) sowie kleiner Vorstromzeit von 20 µs zeigt das Bauteil auf der linken Seite bei einer Steilheit mehr als -10 kA/µs nur kleine unkritische Oszillationen. Rechts wurde das gleiche Bauteil mit dem doppelten Nennstrom vorgeflutet und mit -11 kA/µs kommutiert, ohne dass ein Abriss festgestellt wurde.
Literatur
[1] Liu Zehong; Gao Liying; Yu Jun; Zhang Jin; Lu Li-cheng, Research Work of ±1100 kV UHVDC Technology, State Grid Corporation of China, CIGRE 2014, Paris.
[2] R. Marquardt, Modular Multilevel Converter: An universal concept for HVDC-Networks and extended DC-Bus-applications, IPEC 2010, Singapore.
[3] V.A.K. Temple, IEEE Transactions on Electron Devices, Vol. 23, No. 8, 1976, pp. 893-898.
[4] D. Silber, W. Winter, M. Fullmann, IEEE Transactions on Electron Devices, Vol. 23, No. 8, 1976, pp. 899-904.
Die Autoren
Dr. Mario Schenk
ist seit 2012 Geschäftsführer bei der Infineon Technologies Bipolar in Warstein. Er studierte Elektrotechnik an der TU Dresden und promovierte dort im Jahr 2002 auf dem Gebiet der Elektroenergietechnik. Nach seinem Studium war er bei ABB Zürich im Bereich Generatorleistungsschalter sowie bei SGB Regensburg und Siemens Nürnberg im Bereich Transformatoren tätig.
Mario.Schenk@infineon-bip.com
Dr. Sebastian P. Sommer
begann seine Arbeit bei Infineon Technologies Bipolar im Jahr 2012 im Bereich Engineering. Er beschäftigte sich mit Prozessoptimierungen und seit seinem Wechsel in die Produktentwicklung unter anderem mit der Entwicklung von Bauelementen für HGÜ-Anwendungen. Zuvor war er beim Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme als Entwicklungsingenieur für einen Automotive-CMOS-Prozess beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit promovierte er 2010 mit dem Thema „Plasma Charging Damage bei Bauteilen höchster Zuverlässigkeitsanforderungen“ an der Universität Duisburg-Essen.
Sebastian.Sommer@Infineon-bip.com
Jens Przybilla
erhielt 1996 das Diplom in Elektrotechnik von der Universität Paderborn. Nach seinem Studium arbeitete er drei Jahre als Inbetriebnahme-Ingenieur für Hochleistungs-Mittelfrequenzen-Schmelzöfen. Im Jahr 2000 wechselte er zu Eupec, wo er verantwortlich für die Anwendung und die Charakterisierung von Hochleistungs-Thyristoren war. Derzeit arbeitet er als Principal im Technischen Marketing für Hochleistungs-Thyristoren und Dioden bei Infineon Technologies Bipolar. Er hält mehrere Patente und veröffentlichte einige Vorträge über Thyristoren und Dioden sowie deren Verwendung in verschiedenen Anwendungen.
Jens.Przybilla@Infineon-bip.com
Uwe Kellner-Werdehausen
arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei Infineon Technologies Bipolar in der Entwicklung für hochsperrende Scheibenzellen, wie sie auch in speziellen Anwendungsbereichen wie der HGÜ zum Einsatz kommen. Nach dem Studium der Elektrotechnik an der TH Darmstadt folgten mehrjährige Entwicklungstätigkeiten auf den Gebieten hochsperrender Leistungstransistoren bei Telefunken sowie großflächiger Scheibenzellenthyristoren bei ABB Semiconductors.
Uwe.Kellner@Infineon-bip.com