Elektronik: Thema Industrie 4.0., Industrial Internet, M2M, ich habe den Eindruck, abhängig von der Lokation wird derselbe Inhalt unter unterschiedlichen Wordings geführt, sehen Sie das auch so?
Dosch: Letztendlich geht es doch bei Industrie 4.0. darum, Fabriken zu automatisieren. Je mehr Artikel Sie über Industrie 4.0. lesen, desto mehr Interpretationsspielraum haben Sie. Für mich bedeutet es vor allen Dingen eine Flexibilisierung der Produktion, damit man mit kleineren Stückzahlen wirtschaftlich arbeiten kann und eine Selbstoptimierung der Produktionsprozesse. Das erfordert Vernetzung.
Elektronik: Würden Sie mir zustimmen, dass genau dazu Ihre Kollegen in Austin in den USA und große US-Firmen wie General Electric „Industrial Internet“ sagen?
Dosch: Da liegen wir nicht weit auseinander (lacht). Meine persönliche Meinung zum Thema „Industrie 4.0.“ ist: Ich bin gespannt, ob der Einfluss genauso groß sein wird, wie die Einführung von Dampfmaschine, Fließband und Computerisierung. Viele Firmen arbeiten schon heute mit sehr fortschrittlichen Produktionsabläufen. Ich komme gerade von einem Kunden, der sagt, das haben wir eigentlich schon alles ist vernetzt: Produktion, Einkauf, Vertrieb u.s.w. Ich habe den Eindruck, dass da auch ein wenig Marketingaktivität betrieben wird…
Elektronik: Um Fördermaßnahmen in Berlin abgreifen zu können?
Dosch: Da gibt es sicherlich unterschiedliche Motivationen. Was unbestritten ist, ist der Trend zur Vernetzung. Security ist ein ganz heißes Thema, da Sie nicht mehr nach außen hin abgekapselte Feldbusse haben. Bosch hat eine hohe Versicherung gegen Cyber-Attacken abgeschlossen. Sie sehen, die Gefahr ist real. Ich glaube, dass wir hier als Freescale einen großen Beitrag leisten können. Unsere QorIQ-Prozessoren haben schon immer hardwarebeschleunigte Sicherheitsfunktionen auf dem Chip. Das haben wir in die i.MX Prozessoren, in Kinetis MCUs und jetzt auch in die neuen QorIQ Prozessoren basierend auf Layerscape Architektur übernommen.
Elektronik: Letztes Thema: Funktionale Sicherheit. Sie haben ein Programm „Safe-Assure“ aufgesetzt, das klingt alles ganz einfach, aber mir ist immer noch nicht klar, wo der Added Value zu den bisherigen Angeboten von Freescale ist. Können Sie mir helfen?
Dosch: Das Thema ist äußerst komplex, weil es nicht die eine Lösung gibt, die sich zügigst zertifizieren lässt. Es gibt zahlreiche Wege, um einen gewissen Sicherheitslevel zu erreichen. Die Frage ist, wie Sie Ihr System partitionieren. Im Automotive, wo das Thema ja ursprünglich herkommt, hat man langjährige Erfahrungen diesbezüglich. Große Automobilzulieferer haben eigene Teams, die sich damit schon sehr lange beschäftigen. Die große Herausforderung ist, wie man das in den Industrie-Bereich übertragen kann. Hier ist funktionale Sicherheit heute oft noch nicht zwingend gefordert, aber die Kunden werden neugierig, sie sehen verstärkten Bedarf und wollen neue Plattformen zukunftssicher gestalten. Es fällt Ihnen aber schwer, abzuschätzen, wie viel Aufwand erforderlich ist. Auf machen Konferenzen hören Sie, es ist der dreifache Aufwand und mehr. Ist der Added Value eines funktionalen Sicherheitssystems nicht zwingend erforderlich, stellt dies eine sehr hohe Einstiegshürde da.
Elektronik: Meine Frage zu „Safe Assure“ haben Sie damit aber nicht beantwortet…
Dosch: Wir versuchen, dem Kunden ein Systemvorschlag zu unterbreiten, der aus System-Basis-Chip und Controller mit Überwachungsfunktion besteht. Diese sind perfekt aufeinander abgestimmt. Wir können dem Kunden, anders als in der Vergangenheit, alle Informationen zu unseren Produkten bereitstellen, die eine Zertifizierungstelle, z.B. der TÜV benötigt, dazu gehören u.a. FIT-Raten, FMEDA und Safety Manuals. Somit kann der Kunde die Dokumentation zur funktionalen Sicherheit wesentlich schneller erstellen.
Elektronik: Der Kunde will ja seinen Gesamtaufwand minimieren, haben Sie da Zahlen, wieviel ich tatsächlich einspare, wenn ich Ihrem Ansatz folge, statt konventionell zu entwickeln?
Dosch: Schwierig. Da gibt es noch zu wenige Fälle, wir haben eine Reihe Industriekunden, die aber noch entwickeln, insofern ist es zu früh, um derartige Informationen liefern zu können.
Elektronik: Wie wollen Sie insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen die Einstiegsbarriere für funktionale Sicherheit senken?
Dosch: Unter anderen will unser Partner MicroSys genau das mit seinem vom TÜV vorab begutachteten miriac-Board leisten, dazu gibt es auch Consulting-Leistungen. Wir hoffen damit, die Einstiegsbarriere zu senken. Mit dem Board vom MicroSys bekommt er ein System, das der TÜV konzeptionell begleitet. Damit wollen wir das Thema für eine breitere Masse im Industrie-Bereich salonfähig machen. Das ist ein neuer Ansatz, den andere m.W. nicht anbieten. Damit spart der Kunde definitiv Geld und reduziert sein Risiko.
Elektronik: Herr Dosch, herzlichen Dank für Ihre Zeit!