Freescales EMEA-Vertriebschef Stefan Dosch:

»Im Industriebereich ist ARM jetzt die 1. Wahl«

30. Oktober 2014, 11:04 Uhr | Frank Riemenschneider
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Ablösung von MSP430-Designs durch ARM-Cortex

Elektronik: Und was ist die dritte Säule?

Dosch: Die dritte Säule sind eTailers für den Low-End- und Midrange-Bereich. Wir sehen, dass sich das Verhalten von Entwicklern massiv verändert hat. Die junge Generation geht ins Netz, in die Communities und schaut, wie das alles bewertet wird, ob andere Entwickler zufrieden sind mit Support, Tools, Boards u.s.w. Wir sehen auch immer mehr bei großen Firmen in frühen Entwicklungsphasen die immer stärkere Nutzung von Internethändlern. Entwickler lassen sich einfach mal Boards kommen, um relativ schnell auszuprobieren, dass alles so funktioniert wie gewünscht. Das ist ein Kanal, den wir vor 3 Jahren noch sehr vernachlässigt haben. Jetzt sind wir aber mit mehreren Internethändlern in Europa engagiert und sehen jedes Jahr massive Kundenzuwächse im hohen zweistelligen Prozentbereich.

Elektronik: Auf wessen Kosten geht dieses Wachstum?

Dosch: Speziell bei den Entwicklungstools sehen wir einen Trend, dass die Internethändler stark gewinnen, während die Volumendistributoren zurückgehen.

Elektronik: Meinen Sie damit die Anzahl der Kunden?

Dosch: Genau, die Anzahl der Kunden. Das zeigt, der Kunde möchte erst einmal ausprobieren, ohne sich gleich festlegen zu wollen. Er möchte erst unabhängig sondieren und entscheidet sich für einen Partner, nachdem er sich grob für eine Lösung entschieden hat.

Elektronik: Wenn damit aber ggf. langjährige Bindungen aufgebrochen werden, müssen Sie doch noch höhere Qualität liefern, um im frühen Wettbewerb bestehen zu können?

Dosch: Erstmal ist es wichtig, diesen Kanal zu bedienen, um überhaupt in Erwägung gezogen zu werden. Es gibt verschiedene Arten von Kunden: Die Familienunternehmen sind in der Regel konservativ und hängen ihr Fähnchen nicht in den Wind, nur weil mal jemand 5 % billiger angeboten hat oder es mal Probleme gab. Ihnen ist an einer guten, langfristigen Beziehung gelegen. Sie sind daher auch bereit, die Höhen und auch mal kleine Tiefen mitzugehen. Solide, zuverlässige Qualität ist ein entscheidendes Kriterium. Auf der anderen Seite sehen wir auch in Europa zunehmend, dass Start-ups neue Ideen dank entsprechender Tools einfacher realisieren können. Entscheidend ist, dass die Qualität der über eTailer verfügbaren Soft- und Hardwaretools sowie Entwicklungskits ein schnelles und erfolgreiches Umsetzen ihrer Ideen ermöglicht. Zu Ihrer Frage: Sicher, wir müssen folgerichtig sehr gute Qualität liefern.

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Elektronik: Was ist Ihr Fazit nach 2,5 Jahren Gregg Lowe und Ihrer Neustrukturierung?

Dosch: Wir haben das Ziel sehr gut erreicht, im Industriemarkt Fuß zu fassen und unsere Kundenbasis zu erweitern. Die EBS Partner steuern bereits 10 % bei. Wir haben den Durchbruch im Industriemarkt geschafft. i.MX Prozessoren sind auf Grund der hohen ASPs unsere primäre Wachstumslokomotive, dicht gefolgt von Kinetis MCUs.

Elektronik: Inwieweit können Sie nachvollziehen, wie sehr sie mit ihren Low-End-32-bit-Kinetis-MCUs vormalige 8- oder 16-bit-Designs gewinnen können?

Dosch: Unser 8-bit-Markt ist sehr automotive-lastig, hier sehen wir den großen Durchbruch noch nicht. Auch weil CAN, LIN in sehr kleinen Packages in kleinen Controllern sehr kostengünstig ist. Wo wir einen großen Wechsel sehen, ist im 16-bit-Bereich. Gerade im Industriebereich ist ARM-Cortex jetzt bei neuen Projekten die 1. Wahl.

Elektronik: Sehen Sie das auch bei ehemaligen und/oder aktuellen MSP430-Kunden?

Dosch: Definitiv. Zu dieser ehemaligen Kundenklientel bekommen wir mehr und mehr Zugang. Natürlich werden existierende Produkte nicht aktiv umgestellt, aber wo neue Plattform-Entscheidungen anstehen, sind wir sehr erfolgreich, z.B. bei großen Metering-Kunden. Davon abgesehen: Im ersten Halbjahr 2014 gab es 24 % DMASS Wachstum bei den 32-bit-MCUs, 8- und 16- Bit MCUs folgen hingegen der allgemeinen Marktbewegung mit 6-7%. Das 32-bit-Niveau ist mit 150 Mio. Umsatz im 1. HJ 2014 erstmalig in der Geschichte auf dem 16-bit-Niveau. Die Einkäufer sind glücklich, weil es im ARM-Ecosystem auch ein bisschen Wettbewerb gibt (lacht).

Elektronik: Aber es gehen doch immer mehr auf ARM, wird es für Sie nicht immer schwieriger?

Dosch: Das Blatt wendet sich gerade. Am Anfang hatten wir definitiv Akzeptanzprobleme, ST war mit seinen Cortex-M3-MCUs sehr früh dran, aber jetzt geht der Trend bei Redesigns zu mehr Rechenleistung d.h. Cortex-M4. Und hier hat Freescale nun mal das umfassendste Portfolio. Uns unterscheidet die Skalierbarkeit vom Cortex-M0+ bis hin zukünftig zum Cortex-M7 mit identischer Peripherie. Dazu haben wir spezifische Familien z.B. für 5 V oder Motorsteuerungen. Da kann man sich sehr gut differenzieren und über den Preis hinaus, dem Kunden Vorteile bieten.

Elektronik: Wo Freescale noch Optimierungsbedarf hat, ist bei der Umsatzrendite, da liegen Sie im einstelligen Prozentbereich und hinter ihren Wettbewerbern. Wie gehen Sie das Thema an?

Dosch: Da wird jede Produktfamilie angeschaut, wie man die Kosten reduzieren kann, vom Silizium über Packages bis zu den externen Partnern. Über zusätzliche Partner beleben wir den Wettbewerb.


  1. »Im Industriebereich ist ARM jetzt die 1. Wahl«
  2. Ablösung von MSP430-Designs durch ARM-Cortex
  3. Industrie 4.0. nur ein Marketing-Vehicle?

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