Kontron lässt die Embedded-Computing-Marke JUMPtec wieder aufleben. Sie soll für Computer-on-Modules (CoMs) mit Steckverbindungen zu den Träger-Boards stehen, als Standardprodukte ebenso wie als Highly-Customized-Produkte. Peter Müller, Geschäftsführer der JUMPtec GmbH, erläutert die Hintergründe.
Markt&Technik: Welche Strategie steckt dahinter, dass Kontron die Marke JUMPtec wiederbelebt und sogar eine JUMPtec GmbH am früheren JUMPtec-Standort in Deggendorf gegründet hat? Bei Kontron hat man sich ja sicherlich etwas dabei gedacht …
Peter Müller: Selbstverständlich haben wir uns etwas dabei gedacht, zumal die Umstellung einen gewissen Aufwand verursacht, sowohl auf der Seite von Kontron als auch unserer Kunden, die zusätzlich JUMPtec als Lieferanten mit aufnehmen und einpflegen müssen, weil wir die betreffenden Module nur noch aus der JUMPtec GmbH liefern. Wir liefern natürlich weiterhin Systeme und Applikationen, die Module und sonstige Produkte oder ein kundenspezifisches Design von Kontron enthalten. Formell wird das aber über Kontron abgewickelt, während alles, was nur Modul ist, über JUMPtec abgewickelt wird.
Der Hintergrund ist: Wir wollen dem Geschäft mit bestimmten Modulen wieder ein Gesicht und mehr Awareness im Markt geben. Durch das große Konstrukt Kontron sind der Erfolg und die Möglichkeiten des Modulgeschäfts nicht so deutlich geworden. Mit dem Marketing und dem Marktansatz von Kontron ist die Commodity-Hardware, zu der die Module mittlerweile fast gehören, etwas aus dem Fokus geraten. Kontron betont ja, Lösungsanbieter und Fertiger sein zu wollen – durch die Fusion mit Katek ist das Thema Fertigung ja auch bei Kontron viel stärker im Fokus –, sodass die originären Hardware-Standardprodukte dort nicht mehr so stark präsent sind. Die Idee ist also, eine Möglichkeit zu schaffen, am Markt eine separate Marke zu haben für das Modulgeschäft; man hätte sie beispielsweise auch »Kontron Modules« nennen können, aber dann wäre immer noch die Marke Kontron zu stark präsent. Deshalb haben wir beschlossen, einen anderen Namen zu verwenden, und zwar einen mit Historie.
Könnten Sie bitte die Historie von JUMPtec nochmal kurz erläutern?
JUMPtec wurde in den frühen Neunzigerjahren gegründet und bestand dann einige Jahre, bis Kontron das Unternehmen im Jahr 2002 übernahm. JUMPtec war einer der Pioniere in der Embedded-Computing-Branche. Seine Innovation lag in der Einführung modularer Computerlösungen mit Standards wie DIMM-PC oder ETX. Diese bahnbrechenden Produkte standardisierten das Konzept, einen Computer auf einem kleinen Modul zu integrieren, das dann mit einem Träger-Board kundenspezifisch angepasst werden konnte. Dieser Ansatz setzte sich schnell durch, weil er Flexibilität, Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit bot und den Grundstein für die noch heute verwendeten CoM-Standards legte.
Nach der Übernahme durch Kontron wurde die Marke JUMPtec nicht mehr in der Form weitergeführt, aber bis zum Anfang der Zehnerjahre gab es eine eigene GmbH, als die vollständige Integration in die Kontron AG vollzogen wurde. Dann wurde das Modulgeschäft für einige Jahre als Business Unit geführt. Und nun haben wir entschieden, wir brauchen wieder mehr Awareness für das Modulgeschäft, und deshalb gliedern wir es in eine eigene GmbH aus.
Momentan sind auf der JUMPtec-Website vier verschiedene Computer-on-Module-Standards zu finden: COM Express, COM HPC, SMARC und Qseven. Welche Produktlinien gemäß welchen Standards werden letztendlich JUMPtec heißen?
Wie Sie soeben gesagt haben, bieten wir die COM-Express-, COM-HPC-, SMARC- und Qseven-Produktlinien unter der Marke JUMPtec an. Qseven-Produkte bewerben wir eigentlich nicht mehr offensiv; wir bieten sie zwar noch an, empfehlen sie aber nicht mehr für neue Designs. Was nicht zu JUMPtec gehört, ist das Modulkonzept OSM; wir haben es bei Kontron belassen, weil OSM-Module als Auflötmodule eine tiefere Integration am Träger-Board erfordern als die Aufsteckmodule COM Express, COM-HPC, SMARC und Qseven. Sprich: Wir haben OSM nicht als das »ganz typische« Modul betrachtet. Auch die SBCs und Motherboards bleiben bei Kontron.
Welche Roadmap hat JUMPtec für die nächsten Jahre? Eine Ausgliederung aus dem Kontron-Verbund ist nicht geplant, richtig?
Die JUMPtec-Module werden weiterhin bei Kontron gefertigt; wir werden als JUMPtec keine eigenen Fertigungsstrukturen aufbauen. Die Roadmap läuft ebenfalls weiter, wie wir sie bisher als Kontron schon geplant haben. Hier am JUMPtec-Standort Deggendorf haben wir auch dasselbe Team wie zuvor. Es ging einfach darum, eine GmbH zu haben, um das Modulgeschäft transparent abzubilden und eine neue Marke für Module am Markt zu platzieren.
Bleibt der Vertrieb der JUMPtec-Module beim Kontron-Vertrieb?
Ja, der Vertrieb der JUMPtec-Module wird zunächst über den Kontron-Vertrieb weiterlaufen. Wir sind dabei, hier in Deggendorf dedizierte Vertriebsleute für Module aufzubauen. Das Ziel ist, den Vertrieb der Module nochmal separat anschieben zu können. Selbstverständlich wollen wir den Modul-Vertriebskanal über Kontron nicht verlieren, zumal es ja nicht so ist, dass er dort überhaupt nicht mehr hineinpassen würde.
Werden Sie in Deggendorf ein eigenes Entwicklungsteam aufbauen?
Wir hatten schon bisher in Deggendorf ein auf Module fokussiertes Entwicklungsteam. Der Unterschied ist, dass wir jetzt komplett die Hand darüber haben und nicht so leicht abgelenkt werden durch andere Projekte im Konzern, die die Leute hier mitgemacht haben. Das heißt, wir können unsere starke technische Expertise im Bereich der Module konzentrieren und natürlich auch ausbauen durch technisches Know-how und erfahrene Entwicklungsingenieure.
In den USA haben wir eine Gruppe, die als Tochterunternehmen von Kontron Europe fungiert hat, und auch dort haben wir eine Ausgliederung vorgenommen, die sich Kontron Modules LLC nennt, um das Modulgeschäft buchungstechnisch separat zu führen. Wir werden aber dort ebenfalls mit der Marke JUMPtec arbeiten, um die Module auf dem US-Markt besser zu platzieren.
Das Fazit ist: Mit der Dynamik der Marke JUMPtec im Rücken legen wir los und rücken das Modulgeschäft mit all seinem Potenzial wieder in den Fokus.