Studie von Allianz Trade

Zölle verdoppeln sich – Lieferketten rücken neu zusammen

17. November 2025, 13:23 Uhr | Karin Zühlke
© Mohammad Xte/stock.adobe.com

Der globale Warenverkehr steht vor einem tiefgreifenden Strukturwandel. Eine neue Studie von Allianz Trade zeigt, wie massiv Geopolitik, Protektionismus und der Klimawandel die internationalen Lieferketten unter Druck setzen – und welche Regionen künftig im weltweiten Handel an Bedeutung gewinnen.

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Laut der Analyse von Allianz Trade hat sich das durch Zölle und andere Handelsbeschränkungen betroffene Volumen seit 2024 nahezu verdreifacht. Bis Oktober 2025 wurden weltweit 309 neue Importzölle eingeführt – fast doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. Inzwischen sind rund 20 % der globalen Importe Handelshemmnissen ausgesetzt, ein Warenwert von geschätzt 2,7 Billionen US-Dollar.

Besonders hart trifft es exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland: Während 2023 nur etwa 2 % der Ausfuhren von neuen Zollmaßnahmen betroffen waren, kletterte der Anteil Mitte November 2025 auf rund 25 %.

„Unternehmen haben gelernt, dass Stabilität wichtiger ist als reine Effizienz“, sagt Dr. Jasmin Gröschl, Senior Volkswirtin bei Allianz Trade. Handelsströme verlagern sich zunehmend in Richtung politisch verbündeter Länder. Eine um 10 % steigende geopolitische Distanz führe laut Studie bereits zu einem Rückgang des bilateralen Handels von rund 2 %. Der Trend zu „Friendshoring“ und Regionalisierung setzt sich damit unvermindert fort.

Auch die erwartete globale Handelsentwicklung zeigt die Belastungsprobe: Für 2025 rechnet Allianz Trade zwar mit einem Wachstum von 2 %, doch mehr als die Hälfte davon resultiert aus Umleitungen von US-Importen weg von China sowie aus Vorzieheffekten wegen höherer US-Zölle. Für 2026 und 2027 zeichnet sich eine deutliche Abkühlung ab – mit Wachstumsraten von nur +0,6 % bzw. +1,8 %.
Neben politischen Spannungen rückt der Klimawandel als Risiko immer stärker in den Vordergrund. Zentrale maritime Nadelöhre wie der Suez- und der Panamakanal gelten als besonders verwundbar – sowohl aufgrund geopolitischer Gefahren als auch wegen klimabedingter Einschränkungen wie Niedrigwasser. In Europa könnten auch Häfen wie Hamburg mittelfristig stärker unter Wasserstandsschwankungen oder Extremwetter leiden.

Trotz der Risiken eröffnet der Wandel auch Chancen: Neue Handelsdrehkreuze gewinnen rasant an Bedeutung. In einem aktualisierten Ranking identifiziert Allianz Trade die Vereinigten Arabischen Emirate, Vietnam und Malaysia als stärkste Handelszentren der nächsten Generation. Sie punkten mit leistungsfähigen Häfen, strategischer Lage sowie wachsender Rolle in Umgehungs- und Diversifizierungsstrategien multinationaler Unternehmen.

Welthandel sondiert sich neu

Saudi-Arabien gelingt mit sinkenden Zollsätzen und wachsendem Non-Oil-Sektor ein bemerkenswerter Sprung nach vorn. Auch Kasachstan stößt dank seiner eurasischen Logistikdrehscheiben Khorgos und Nur Zholy in die höheren Ränge vor. Dagegen bremsen Investitionslücken Länder wie Indonesien oder Bangladesch, während etablierte Standorte in Thailand oder Südafrika trotz moderner Terminals bei der Konnektivität zurückfallen.

Die Studie macht deutlich: Der Welthandel sortiert sich neu – und mit ihm die globalen Lieferketten. Unternehmen, Häfen und ganze Volkswirtschaften stehen vor der Herausforderung, sich zwischen geopolitischen Spannungen, neuen Zollregimen und klimatischen Risiken neu zu positionieren.


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