Qualitätsanforderungen an den Electronics Manufacturing Service (EMS)

Null-Fehler-Strategie: nur Wunschdenken?

16. März 2011, 16:24 Uhr | Karin Zühlke
Waldemar Christen, BMK Group
Waldemar Christen, BMK Group: »Eine hohe Kundenerwartung im Bezug auf die Fertigungsqualität ist kein Phänomen der letzten 18 Monate. Die Kunden haben schon immer ein hohes Qualitätsniveau vorausgesetzt, verbunden mit einer kontinuierlichen Verbesserung.«

Während in der Vergangenheit die Kunden aus der Automobilindustrie, Medizinelektronik und Wehrtechnik Pioniere der Null-Fehler-Strategie waren, verfolgen mittlerweile auch die meisten EMS-Kunden aus den anderen Branchen diese Philosophie. »Auf dem Weg dahin sind heute einstellige ppm-Raten Standard«, erklärt Dr. Uwe Schmidt-Streier, Geschäftsführer von Flextronics SBS Germany.

Die Null-Fehlerquote ist der Wunschtraum jedes Kunden und Fertigers. In der Praxis ist sie jedoch nach Ansicht von Georg Unterlugauer, Leiter Qualitätsmanagement der TQ-Group, unrealistisch: »Die Anforderungen unserer Kunden schwanken je nach Branche und produzierter Stückzahl. Wir selbst haben uns 50 ppm in der SMD- und 150 ppm in der THT-Fertigung zum Ziel gesetzt.« Mit die strengsten Qualitätsforderungen haben laut Dr. Werner Witte, Geschäftsführer bei BuS Elektronik, nach wie vor die Automotivekunden mit 50 ppm im Produktionsanlauf, in der Serie dann dürfen es nur noch wenige ppm sein. »Nur« durchschnittlich 500 ppm fordern dagegen die Kunden von BuS Elektronik für Industrieprodukte. Als sehr unterschiedlich und branchenabhängig beschreibt auch Weber die Anforderungen seiner Kunden: von 0 ppm bis 50 ppm sowie bei hochkomplexen Low-Volume/High-Mix-Systemen bis zu 5000 ppm sei alles dabei.

Haben sich die Anforderungen der Kunden in dieser Hinsicht seit dem Krisenjahr 2009 verändert? »Nein«, meinen die meisten EMS-Firmen. »Eine hohe Kundenerwartung im Bezug auf die Fertigungsqualität ist kein Phänomen der letzten 18 Monate. Die Kunden haben schon immer ein hohes Qualitätsniveau vorausgesetzt, verbunden mit einer kontinuierlichen Verbesserung«, sagt Waldemar Christen, Leiter Vertrieb und Marketing der BMK Group.  
Zwar wird die Qualität in den unterschiedlichen Industriebereichen immer noch unterschiedlich gewichtet, aber, so Oliver Behrendt, Managing Director von Sumida EMS, »unsere Kundenerhebung hat ergeben, dass es dennoch in allen Bereichen das wichtigste Thema ist«. Und darin sind sich alle befragten EMS-Firmen einig: Die Aufmerksamkeit für Qualität und Qualitätsvereinbarungen steigen über alle Branchen hinweg deutlich.

Dabei gilt die Aufmerksamkeit der Kunden laut Helmut Bechthold, Geschäftsführer von Profectus, verstärkt der Prozessqualität. Viele Kunden, so die Erfahrung von Bechthold, entfernen sich vom Troubleshooting auf Baugruppenebene in Richtung Prozessdenken.   

Einen branchenspezifischen Unterschied gibt es nach Ansicht der befragten EMS-Firmen weniger im Fertigungsprozess selbst, sehr wohl aber bei der Qualitätsplanung und der Qualitätsdokumentation: In Branchen wie der Luftfahrt, Automotive sowie der Bahn- und Medizintechnik fordern Kunden eine lückenlose Dokumentation und Rückverfolgbarkeit aller Prozesse und deren Ergebnisse. »Jegliche Änderungen am Prozess oder Produkt sind anzeigepflichtig«, gibt Weber zu bedenken. Die Maßstäbe überwachen die Kunden akribisch, beispielsweise durch regelmäßige Audits. Für das EMS-Unternehmen bedeutet das natürlich einen vergleichsweise hohen administrativen und planerischen Aufwand. Aber letztlich lohnt sich eine solche Spezialisierung, denn sie bringt durchaus Wettbewerbsvorteile für den EMS mit sich.

Unterschiedliche Anforderungen an die Qualitätsprozesse ergeben sich nach Aussage von Schmidt-Streier nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Lebenszyklen der Produkte: Während Consumer-Produkte kurze Lebenszyklen haben und damit auch kontinuierliche Produkterweiterungen verbunden sind, auf die sich ein EMS einstellen muss, sind für Automotive- und Medical-Produkte wesentlich längere Lebenszyklen typisch. Und damit verbunden sind auch längere Zulassungszeiträume von 1 bis 2 Jahren bei Automotive und 2 bis 3 Jahren bei Medical-Produkten. Die in diesem Zusammenhang einzuhaltenden Prozesse - z.B. EMPB, PPAP oder 5D/8D - sind deshalb wesentlich aufwändiger als bei Consumer-Produkten. Unterschiedliche Strategien gibt es auch bei den Prüfkonzepten der Branchen: So müssen die Produkte der Automobilindustrie sowie der Medizin- und Wehrtechnik häufig Tests unter Extrembedingungen bestehen.

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