Welche Gegenmaßnahmen können Unternehmen hier konkret ergreifen?
Fröleke: Der Unternehmer sollte seinen Produktionsprozess genau analysieren, sowohl unter Lean-Gesichtspunkten als auch unter ergonomischen Gesichtspunkten. Denn eine Produktion kann zwar schlank sein, aber nicht unbedingt ergonomisch, wenn Mitarbeiter sich bei Ihrer Arbeit durch Bewegungsabläufe, die nicht ihrer Physiologie entsprechen, regelrecht kaputt arbeiten. Ein Grundsatz von Lean Ergonomics ist: work smarter, not harder. Es geht also darum zu prüfen, wie etwa der Produktionsprozess organisiert und aufgebaut ist, wie die erforderlichen Materialien oder Halbfertigerzeugnisse diesem Produktionsprozess zugeführt werden und welche Hilfsmittel den Mitarbeiter in diesem Prozess unterstützen. D. h. gleichzeitig finden sowohl der schlanke Prozess als auch die Arbeit auf einer ergonomischen Grundlage statt, wonach der Mitarbeiter den Arbeitsplatz im Idealfall an seine Bedürfnisse ergonomisch zu hundert Prozent anpassen kann. Wir haben auf der Basis von diesem Denkansatz zahlreiche Unternehmen aus der Elektroindustrie, der Logistik und der Verpackungsindustrie beraten und Lean Ergonomics-Projekte auf verschiedenste Arten in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen erfolgreich umgesetzt.
Können Sie da konkreter werden?
Fröleke: In einem Projekt haben wir beispielsweise die Materialversorgung untersucht. Es kam heraus, dass das Material vom Monteur selbst mit einem Handwagen abgeholt werden muss. Die Produktion steht während dieses Arbeitsschrittes also still. Der Mitarbeiter lädt stattdessen das Arbeitsmaterial auf den Wagen und zieht diesen zurück zu seinem Arbeitsplatz. Wir haben diesen Prozess so reorganisiert, dass der Monteur jetzt mit dem Material bedarfsgerecht beliefert wird und keine weiten Wege mehr zurücklegen muss. Anstatt Mann-zu-Ware funktioniert der Ablauf jetzt nach dem Ware-zum-Mann-Prinzip. Das haben wir durch die analytische Trennung der Arbeitsschritte Materialversorgung und Materialverarbeitung erreicht.
Wie sieht das dann in der praktischen Umsetzung aus?
Fröleke: Wir haben die Arbeitsumgebung nach ergonomischen und schlanken Kriterien und neu gestaltet. Ergonomisch konfigurierte Arbeitsstationen wurden in diesem Beispiel in einer I-Linie angeordnet. Sie verfügen z. B. über ein optimiertes, spiegel- und schattenfreies Beleuchtungskonzept und lassen sich elektrisch in der Höhe verstellen oder neigen, um nur zwei Möglichkeiten zu nennen. Dadurch lassen sie sich an verschiedenste physiologische Anforderungen anpassen. Das gewährleistet ein angenehmes Arbeiten. Der Monteur verarbeitet das Material an dieser Arbeitsstation nach dem First-in-first-out-Prinzip (Fifo) an den Werkstücken, welche eines nach dem anderen über eine Rollbahn an der Arbeitsstation ankommen. Um einen schlanken und reibungslosen Arbeitsprozess zu gewährleisten, gehen leere und gekennzeichnete Materialboxen ebenfalls über eine Rollbahn direkt an das Materiallager, wo sie automatisch eine Materialbestellung auslösen, die der dortige Mitarbeiter bearbeitet, die befüllten Boxen in einen Fifo-Wagen lädt und diesen zurück zur Arbeitsstation führt. Auf diese Art und Weise vermeiden wir einen Produktionsausfall infolge der Materialbeschaffung durch den Mitarbeiter selbst und sorgen für einen schlanken Materialfluss. Durch die analytische Trennung der Prozesse, also die eigentliche Prozessoptimierung, setzen wir aber auch eine spürbare Entlastung der Mitarbeiter um, die durch den ergonomisch ausgestatteten Arbeitsplatz noch verstärkt wird. Das führt zu einer erhöhten Mitarbeiterzufriedenheit, zu deutlich reduzierten Fehlzeiten und zu einem kontinuierlichen Output.