Einkaufsmanager-Index auf Dreijahrestief

"Deutsche Industrie steckt in der Krise"

5. Juni 2023, 11:23 Uhr | Karin Zühlke
© bluedesign/stock.adobe.com

Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) rutschte im Mai noch tiefer in den roten Bereich. Mit 43,2 Punkten lag er unter dem April-Wert (44,5) und zugleich auf dem tiefsten Stand seit drei Jahren.

Diesen Artikel anhören

Die sich verschlechternde Lage des Verarbeitenden Gewerbes geht in erster Linie auf die anhaltende Nachfrageflaute in allen Bereichen zurück. Die EMI-Umfrageteilnehmer nannten dazu eine Reihe von Gründen, wie beispielsweise den Lagerbestandsabbau ihrer Kunden, die nachlassende Investitionsbereitschaft angesichts ungünstigerer Kreditkonditionen, den unsicheren Geschäftsausblick sowie die vielerorts knappen Budgets.

„Die aktuellen EMI-Daten belegen es: Die deutsche Industrie steckt in der Krise. Damit ist zu befürchten, dass dem Verarbeitenden Gewerbe der größten Volkswirtschaft Europas schwierige Monate bevorstehen“, betont BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov. Der Außenhandelsnation Deutschland machten vor allem die im Mai deutlich gesunkenen Exportneuaufträge zu schaffen. Erfreulich sei dagegen der seit Februar in den Unternehmen anhaltende Abwärtstrend bei den Kosten. So seien die Einkaufspreise dank geringerer Nachfrage nach Rohstoffen und Produktionsmaterialien weiter gesunken.

„Deutschland hat zwei Quartale mit sinkendem Sozialprodukt hinter sich. Dies gilt landläufig als Rezession“, kommentiert Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Nach vorne gerichtet seien die Signale zweischneidig. Die Lieferkettenproblematik sei verschwunden, die Läger seien voll, aber die Nachfrage schwächele. So überrasche es nicht, dass der EMI zuletzt weiter nachgegeben hat. „Es bleibt zu hoffen, dass der nachlassende Preisdruck dazu führt, dass der Zinserhöhungszyklus sich seinem Ende nähert, so dass die Rezession ebenfalls ausläuft. Allerdings besteht das Risiko, dass die EZB versucht, ihre viel zu spät eingeleitete Zinswende mit zu restriktiver Geldpolitik zu kompensieren“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.

„Die restriktive Geldpolitik arbeitet sich zusehends durch die globale Wirtschaft. Die Unternehmen spüren das vor allem in Gestalt von mauen Auftragseingängen“, sagt Dr. Holger Bahr, Leiter Volkswirtschaft der DekaBank, dem BME.

„Der konjunkturelle Gegenwind für die deutsche Industrie lässt nicht nach. Hohe Energiepreise, steigende Zinsen, aber auch der Fachkräftemangel bremsen die Unternehmen hierzulande aus. Zudem flacht die Nachfrage aus dem Ausland weiter ab. Von dort sind vorerst keine nennenswerten Wachstumsimpulse zu erwarten. Insgesamt droht der Wirtschaft ein recht ungemütliches Jahr“, teilt DIHK-Konjunkturexperte Dr. Jupp Zenzen dem BME mit.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gibt Dennis Rheinsberg, Direktor - Energy & Industrials der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME folgende Einschätzung: „Die Entwicklung der Einkaufspreise passt zu dem Eindruck, dass in der Weiterverarbeitung verstärkt Lagerbestände abgebaut werden und die konjunkturelle Abkühlung zum Tragen kommt. Auch die Preise fast aller wesentlichen börsennotierten Rohstoffe waren im Mai rückläufig. Bemerkenswert ist zudem das vergleichsweise niedrige Gaspreisniveau für kurzfristige Lieferungen. Viele Branchen leiden dennoch weiterhin unter hohen Energiekosten.“


  1. "Deutsche Industrie steckt in der Krise"
  2. Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Weitere Artikel zu Elektronikfertigung