Wohl kaum ein EMS-Dienstleister differenziert sich über seine Maschinenleistung und den Bauelemente-Einkauf, sondern darüber, dass er in bestimmten Märkten und Anwendungsbereichen fundierte Engineering-Expertise bieten kann und damit den Kunden beim mechanischen und elektronischen Design unterstützt. Wichtig ist und bleibt daher den an der Initiative beteiligten Firmen trotz des gemeinsam definierten Rahmens die Differenzierung jedes einzelnen EMS-Unternehmens. So soll die NPI-Initiative und der in diesem Zusammenhang entstandene Leitfaden zwar als gemeinsame Verständnisgrundlage dienen, aber kein Dogma sein, wie Manfred Trösch, CEO bei Iftest, erklärt: »Es darf ja nicht sein, dass wir uns damit blockieren, sondern wir müssen uns als Gesprächspartner dem Kunden gegenüber öffnen und mit diesem Modell als Vorstellung und nicht als zementiertes Regelwerk auf den Kunden zugehen.« Ähnlich sieht auch Bernd Enser, Director Operational Excellence & Quality bei Sanmina-SCI, die Initiative: »Die NPI-Initiative definiert den Platz des EMS und die Schnittstellen zum Kunden und bietet damit eine Basis, auf der man partnerschaftlich agieren kann.« Nach Ansicht von Tillmann ist die Initiative eine gemeinsame Roadmap mit sehr unterschiedlichen Lösungen.
»Wir sehen im NPI-Prozess die Möglichkeit, relativ frühzeitig Standardprozesse beim Kunden einzuführen, möglichst schon, sobald die Produktidee oder die Produktfunktionalität feststeht«, erklärt Artur Kreus, Gesellschafter beim EMS Unternehmen electronic service willlms, sein Verständnis von NPI. Eine Standardisierung im eigentlichen Sinne strebe man aber nicht an, stellen die EMS-Firmen klar: »Wir werden sowieso schon fast erschlagen von Normen und Standards, denn wohl keine Branche ist mit einem so vielfältigen Produktspektrum aus den unterschiedlichsten Bereichen konfrontiert wie die EMS-Branche«, so Enser. Vielmehr geht es den EMS-Firmen darum, auf standardisierte Schnittstellen und Prozesse zurückzugreifen, wie beispielsweise die kürzlich vom ZVEI definierte Traceability-Schnittstelle. Auch in punkto Bauelemente gehe der Trend laut Weber in Richtung »Standardisierung«. So bekomme Zollner immer wieder Anfragen von Kunden nach Standardkatalogen für Bauelemente. »Hintergrund ist, dass der Kunde natürlich einen besseren Stückpreis bei Bauelementen erzielen kann, wenn er in seinen Serien mehrfach die gleichen - also für ihn standardisierten - Bauelemente einsetzt.«
NPI als Beitrag zur Standortsicherung?
Schlussendlich soll die NPI-Initiative unter der Prämisse Design-for-Automation auch dabei unterstützen, die Fertigung bzw. zumindest die Serienanläufe in Mitteleuropa zu halten, wie Weber erläutert: »Wenn ich heute von der idealen Wertschöpfung ausgehen und ein Produkt so entwickle, designe und konstruiere, dass ich einen möglichst hohen Anteil hoch automatisiert fertigen und testen kann, dann ist der Unterschied zwischen Deutschland und einem Low-Cost-Country gar nicht mehr so groß, denn die Investitionen für Maschinen sind überall gleich.« Und auch wenn das Produkt nach dem Serienanlauf ins Ausland verlagert werden soll, legt der EMS-Kunde großen Wert darauf, dass sein Produkt prozessfähig ist, bevor er es verlagert. Das heißt, die Produkt- und Fertigungsprozessentwicklung findet hier statt und darin sehen die deutschen bzw. deutschsprachigen EMS-Firmen mit Engineering-Kompetenz große Chancen, so der Tenor der Runde.