NPI-Initiative: Entwicklung und Fertigung müssen vernetzter zusammenarbeiten

»Beim OEM das Bewusststein für die Fertigung schärfen«

2. November 2010, 15:03 Uhr | Karin Zühlke
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Erste Erfolge der Initiative bereits sichtbar

Vorgestellt hat der ZVEI die Initiative auf der SMT/Hybrid/Packaging in Nürnberg Anfang Juni. Die Bilanz nach gut vier Monaten kann sich sehen lassen, wie die Firmen in der Runde einhellig bestätigen: »Natürlich haben wir die Aspekte eines zielführenden NPI-Prozesses auch vor der Initiative mit den Kunden besprochen, aber jetzt haben wir einen besseren Anknüpfungspunkt, denn das Thema hat eine Identität«, so Bernhard Rindt, Mitglied der Geschäftsleitung bei SRI. Mit der NPI-Initiative habe man das, was man schon seit Jahren angestrebt hat.

Hinzu komme, dass das Thema mittlerweile auch im  Management diskutiert wird, »und zwar auf einer Ebene, auf der ich das gar nicht erwartet hatte«, gibt Velmeden zu bedenken. »Wir haben damit sozusagen in ein Wespennest gestochen. Sicher liegt das auch an den Materialengpässen und an den fehlenden Secound Sources. Vieles was wir mit NPI erreichen wollen, liegt schließlich klar auf der Hand und ist sichtbar.«  

Einer dieser offensichtlichen Aspekte sind die immer knapper werdenden Ressourcen der Entwicklungsabteilungen, die immer kürzeren Markteinführungszeiten gegenüberstehen: Müssen beispielsweise im Nachhinein Second Sources eindesignt werden, könnte ein teures Re-Design fällig werden, das auf Kosten der notorisch knappen Entwickler-Ressourcen geht. Bislang gilt bei vielen OEMs das Single Sourcing als strategischer Schachzug, um sich durch die Konzentration auf bestimmte Bauelemente vom Mitbewerb zu differenzieren. Hier finde nun langsam ein Umdenken fest, wie Tillmann beobachtet hat: »Jetzt stellen die Unternehmen fest, dass sie damit unnötige Entwicklungskapazitäten verbrauchen und nicht zu Neuentwicklungen kommen. In diesem Zusammenhang bauen sich neue Partnerschaften auf, die sich viel früher etablieren, als das bisher der Fall war.«

Besonderes  Interesse für die NPI Initiative stellt Manfred Trösch, CEO, Iftest, bei Start-up-Firmen und Spin-offs von Hochschulen fest: »Dort sucht man ganz bewusst nicht nach jemandem, der einfach nur etwas herstellt, sondern nach einem Fertigungspartner, der bereit ist, breitere Verantwortung zu übernehmen, die auch über das klassische EMS-Geschäft hinausgeht. Solche Start-ups haben wirklich innovative Technologien und Produkte zu bieten, wissen aber nicht, wie man das in die Produktion umsetzt.« Hier gelte es vor allem, frühzeitig das Risiko abzuschätzen und zu minimieren.

Dass NPI keine Einbahnstraße vom EMS in Richtung Kunde ist, sondern vielmehr auch umgekehrt als Rückkopplung vom Kunden zum EMS-Dienstleister dienen kann, erachtet Artur Kreus, Gesellschafter bei electronic service willms, als besonders wichtig: »Wir bekommen auf diese Weise Feedback, wie wir unsere NPI-Prozesse anpassen und kontinuierlich verbessern können.«

Die Produkthohheit bleibt beim Kunden

Neu ist der Begriff »NPI« zwar nicht, allerdings möchten ihn die EMS-Firmen aus einem anderen Blickwinkel verstanden wissen, als die gängige Lesart vorgibt: »Wir sehen NPI nicht unter der Prämisse, ein Produkt in den Markt zu bringen, sondern unter dem Aspekt, ein Produkt serienreif zu machen«, stellt Bernhard Rindt klar, Mitglied der Geschäftsführung bei SRI. »Die EMS-Branche, zumindest die in der Initiative zusammengeschlossenen Firmen, haben sich in den letzten 15 Jahren vom Bestücker zum Systemlieferanten entwickelt. Das heißt, wir haben neben der ursprünglichen Kernkompetenz »wie bestückt man eine Platine« eine umfassende Engineering-Expertise aufgebaut, von der Bauteilebeschaffung bis hin zur Assemblierung. Das haben wir versucht, in das Thema NPI hineinzubringen, ohne in die Kernkompetenz unseres Kunden, die Entwicklung des Produktes, eindringen zu wollen.« Früher hat der Kunde komplett entwickelt - erst wenn es in die Serie ging, wurde zum EMS ausgelagert. Heute hingegen wird zunehmend in Netzwerken entwickelt: Oft sind neben dem Kunden und dem EMS weitere Entwicklerressourcen wie Universitäten und Forschungseinrichtungen in die Produktentstehung mit eingebunden. »Solche Netzwerken gehört die Zukunft, und dazu leistet NPI einen entscheidenden Beitrag, weil der Grundgedanke des NPI parallele Abläufe zwischen Entwicklung und Fertigung erst ermöglicht«, stellt Weber fest.

Wo fängt NPI durch den EMS also an, und wo bzw. wann ist es für den EMS-Dienstleister zu Ende? Der NPI-Prozess beginnt für den EMS-Dienstleister schon zu Beginn der Produktentwicklung. Parallel zur Produktentwicklung des Kunden entwirft der EMS-Dienstleister Prüfkonzepte und Fertigungsspezifikationen und ist so in der Lage, der Entwicklungsabteilung des Kunden die identifizierten Risikofaktoren rückzumelden. Der NPI-Prozess ist laut Rindt abgeschlossen, wenn die Anforderungen an Qualität, Kosten und Fertigbarkeit des Produktes erfüllt sind. »Praktisch ist das dann, wenn es uns gelungen ist, das erste Volumenprodukt unter Serienbedingungen zu fertigen«, so Rindt. »Die finale Freigabe des Produktes gibt dann der Kunde.« Der NPI-Prozess ist dabei auf die komplette Elektronik- und Elektromechanik-Produktion übertragbar, unabhängig davon, ob der EMS-Dienstleister auf Baugruppen- oder Systemebene produziert.


  1. »Beim OEM das Bewusststein für die Fertigung schärfen«
  2. Erste Erfolge der Initiative bereits sichtbar
  3. NPI ist eine gemeinsame Roadmap, aber kein Dogma
  4. NPI als Kostenmodell - Ist der Kunde bereit, für Engineering-Leistungen zu bezahlen?

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