Lagersystem nutzt Traceability-Daten

Schluss mit der manuellen Bauteilesuche in der Fertigung

7. November 2013, 10:15 Uhr | Karin Zühlke
© Totech

Das Dry-Tower-Konzept von Totech und abp Automatisierungssystem bietet die Möglichkeit, ein zentrales Lager vor Ort in der Fertigung zu installieren und alle Gebinde auch direkt vor Ort zu verwalten. Eingebunden ist das Gesamtsystem über die Software »MSL Dry Tower Professional« in die IT-Landschaft des Anwenders, somit zum Beispiel auch in dessen Traceability-System.

Diesen Artikel anhören

Das Konzept haben die beiden Firmen gemeinsam entwickelt, und es ist inzwischen erfolgreich im Einsatz. Auf diese Weise können Traceability-Daten nicht nur dabei helfen, die Fertigung lückenlos zu dokumentieren, sondern zum Beispiel bei der »interdisziplinären« Suche nach Bauteilgebinden helfen. Denn in fast jedem Unternehmen werden im Rahmen der Kommissionierung und der Aufrüstung von Feedern Bauteilgebinde »verzweifelt« gesucht, insbesondere dann, wenn wenige oder keine Alternativgebinde mit gleicher Materialnummer vorhanden sind. So ein Szenario ließe sich leicht vermeiden: Im Rahmen der Traceability ist es bereits übliche Praxis, die Bauteilgebinde mit einer eindeutigen ID zu versehen, was viele Unternehmen aber nur im Rahmen der Rückverfolgbarkeit der Bauteile umsetzen. Jedes Gebinde wird dabei individualisiert und kann als solches auch überwacht werden. Der Aufenthaltsort und der aktuelle Gebindebestand lassen sich so jederzeit eindeutig verfolgen, ebenso wichtige prozesstechnische Daten wie das Verfallsdatum und der MSL-Status. Sind die Bauteile eines Gebindes verarbeitet, ist sofort bekannt, dass es aufgebraucht ist und welche Buchungsdifferenz für eine permanente Inventur an das ERP-System gemeldet werden kann.

»Das ist heute schon Stand der Technik. Dennoch suchen wir vielfach noch immer und nehmen jede Rolle, jedes Tray und so weiter noch zigmal in die Hand, um sie von A nach B zu tragen: Aus dem Hauptlager ins Vor-Ort-Lager, von dort an den Rüstplatz, Aufrüsten auf den Feeder, dann ab zur Maschine«, gibt Raphael Podgurski zu bedenken, Geschäftsführer von abp Automatisierungssystem. »Nach der Bestückung läuft dann das gleiche Procedere erneut ab, zumindest bis zum Vor-Ort-Lager.« MSL-Bauteile nehmen noch einen zusätzlichen Lauf über den Rücktrockenschrank, den Trockenschrank und/oder den Wiedereinstieg in ein Dry Pack. Dann gehen auch diese Gebinde wieder zurück ins Lager. Daraus folgt, dass Anwender ein Gebinde oft mehr als zehnmal in die Hand nehmen, was letztlich unnötig Zeit kostet: »Wenn man nur 30 Sekunden pro Handhabung ansetzt und eine Kommissionierung von 100 Gebinden je Fertigungsauftrag rechnet, ergeben sich interessante Summen – das sind Kosten, die nicht wirklich wertschöpfend sind«, so Podgurski.

Hier setzen die Kooperationspartner mit ihrem Dry-Tower-Konzept an: Damit kann der Anwender ein zentrales klimatisch überwachtes Lager vor Ort in der Fertigung installieren und mit Hilfe der Software »MSL Dry Tower Professional« von abp Automatisierungssystem alle Gebinde auch direkt dort verwalten. Eingebunden ist das Gesamtsystem über diese Software in die IT-Landschaft des Anwenders, somit auch in das hauseigene Traceability-System des Fertigungsbetriebes. Der Dry-Tower bietet auf einer kleinen Grundfläche ein großes Lagervolumen: Gegenwärtig haben die Partner die ersten Dry Tower mit über 15.000 und über 60.000 Lagerplätzen für SMT-Rollen und Trays installiert.

Das System verfügt über eine eigene Klimatisierung auf 40 °C und höchstens 1% relative Feuchte und überwacht diese Klimadaten permanent. Es gewährleistet laut Podgurski außerdem für jedes Gebinde eine lückenlose MSL-Überwachung und Protokollierung. Zusätzlich werden alle ausgelagerten und dem System bekannten Gebinde auch außerhalb des Lagersystems – also des Dry Towers – hinsichtlich der Offenzeit überwacht. Bereits vor Ablauf technisch relevanter Parameter wie Floor Life Time oder Verfallsdatum informiert das System den Bediener. Zudem besteht die Möglichkeit, diese Gebinde mit Ablauf der zulässigen Verwendbarkeit in der Fertigung zu sperren. Im System sind außerdem mehrere unterschiedliche Lagerbereiche realisierbar, z.B. für Trocknung oder Rücktrocknung, aber auch für eine Langzeitlagerung von Bauteilen. Die entsprechenden Lagerprozesse und erforderlichen Umlagerungen steuert die Systemsoftware »MSL Dry Tower Professional« automatisch. Die Automaten selbst gibt es in drei Größenvarianten, beginnend mit einer Lagerkapazität von ca. 3000 Gebinden pro Automat. In der Ausführung »Dry Tower Quattro« lassen sich 15.000 bis über 30.000 Gebinde pro Automat unterbringen. Mehrere Automaten sind zu einem System kombinierbar, sodass auch automatische Lagersysteme mit Kapazitäten von über 100.000 Gebinden zu realisieren sind. Das System ersetzt nicht nur alle Zwischenlager, sondern schafft das benötigte Material auch Just in Time direkt an den benötigten Arbeitsplatz, ohne dass ein manueller Gebindetransport erforderlich ist.

Realisiert haben Totech und abp ihr Konzept bereits bei einem großen Kunden: »Dort werden alle Bauteilgebinde inklusive aller MSL-Gebinde bereits über den Wareneingang in das Lagersystem eingelagert. Das verfügt zu diesem Zweck über entsprechende Transportmodule«, schildert Podgurski. Sowohl über Anforderungen durch Fertigungsaufträge vom SAP-System als auch Nachforderungen von den SMT-Linien für Nachrüstungen stellt der Dry-Tower die Bauteilgebinde exakt so zur Verfügung, wie sie der Bediener braucht. Das Material, das direkt von den SMT-Linien nachgefordert wird, wird auch direkt an die anfordernde Stelle an der Linie ausgelagert. Gebinde, die für eine Feederrüstung an Rüstplätzen benötigt werden, werden auch dorthin ausgelagert, in genau der Reihenfolge, wie dies vom Rüstplan für einen Feederwagen vorgesehen ist. Zusätzlich gibt es weitere Auslageroptionen z.B. für Einzelauslagerungen oder Massenauslagerungen. Die Software »MSL Dry Tower Professional« übernimmt dabei alle logistischen Aufgaben der Ein- bzw. Auslagerungen und sucht auch die zulässigen Gebinde heraus, die für eine Auslagerung verwendet werden können. Dabei ist das FiFo-Prinzip nur eine übergeordnete Auswahlgröße, weitere sind u.a. die verbleibende Restoffenzeit, das Verfallsdatum und die Bestandsmenge eines Gebindes. Ebenfalls berücksichtig werden reservierte Materialbestände, die bereits für andere Aufträge fixiert wurden. Die Software überwacht auch beständig die Klimadaten und berechnet zyklisch für alle Gebinde die aktuelle Floor Life Time.

 


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Elektronikfertigung