Nach der »Welt des Testens« im vergangenen Jahr legt die Arbeitsgruppe Services in EMS in diesem Jahr mit einer weiteren Initiative nach: Im Mittelpunkt steht diesmal das Materialmanagement. Vorstellen werden die Akteure ihre Initiative auf der productronica. Ein »Pre-View« gab es bereits beim Markt&Technik Round Table.
Dass sich die Arbeitsgruppe mit diesem Thema beschäftigt, hat einen guten Grund: Mit bis zu 80 Prozent beeinflusst das Material mittlerweile die Produktkosten. »Wenn die Teile auf die Feeder der Bestückautomaten gerüstet sind, sind 70 Prozent der Produktkosten bereits angefallen, bringt es Jörg Wanitzek, Vertriebsingenieur Deutschland von Iftest, auf den Punkt. Das Material hat einen dominanten Anteil an der Preisgestaltung und somit an den Gesamtkosten, so der Tenor des Martk&Technik Round Table »Materialmanagement«, zu dem sich EMS-Unternehmen und Verbandsvertreter des ZVEI in den Räumlichkeiten der WEKA Fachmedien trafen.
Wie schon für die vergangenen Initiativen der Arbeitsgruppe »Services in EMS« haben sich auch diesmal kleine, mittelständische und große EMS-Unternehmen gleichermaßen mit dem Thema beschäftigt. »Die EMS-Branche soll beim Materialmanagement immer mehr Verantwortung und somit Risiken übernehmen, so dass wir nur gemeinsam etwas erreichen werden«, begründet Bernd Enser, Director Operational Excellence & Quality EMEA and Global Automotive beim globalen EMS-Konzern Sanmina, sein Engagement bei der Initiative. »Im Verband haben wir die Möglichkeit, positiv herauszustellen, was wir in diesem Bereich als Branche leisten können.« Insgesamt 37 Auftragsfertiger unterschiedlicher Unternehmensgrößen gehören dem Arbeitskreis im ZVEI an.Neben dem Netzwerkgedanken verfolgen die im ZVEI organisierten EMS-Unternehmen nach den Worten von Johann Weber, Vorstandsvorsitzender von Zollner Elektronik, mit ihrer Verbandsarbeit auch das Ziel, den deutschen und europäischen Produktionsstandort zu festigen.
Materialmanagement ist weit mehr als Einkauf
Materialmanagement klingt als Begriff erst einmal relativ banal und abstrakt. »Einen passenden Begriff für das Thema zu finden, war dementsprechend in der Arbeitsgruppe auch gar nicht so einfach«, erinnert sich Marco Balling, Geschäftsführer von productware. Denn auf den ersten Blick wird das Materialmanagement oft mit Materiallogistik oder einfach dem Einkauf von Bauteilen gleichgesetzt bzw. verwechselt. Das sind aber nur Teilaspekte. Außerdem hat sich das Aufgabenspektrum und der Fokus des Einkaufs im Laufe der Zeit stark gewandelt, wie Enser erläutert: »Vor 25 Jahren waren die Aktivitäten des Einkaufs sehr stark darauf hin orientiert, das Material zum Zeitpunkt T-Null an einen bestimmten Ort zu bringen. Heute spannt sich der Begriff Materialmanagement deutlich weiter: Es geht nicht mehr nur darum, das Material einzukaufen, sondern auch der strategische Ansatz und die Frage, ob das Material auch in einem bestimmten Zeitraum noch verfügbar ist, bestimmen den Einkauf.« Die Wertschöpfung umfasst Logistik, die Beratung bei der Bauteileauswahl, den strategischen Einkauf, das Bestandsmanagement, das Qualitätsmanagement und den operativen Einkauf - also die klassische Beschaffung.
Was alles zum Materialmanagement gehört und was der EMS dabei alles zu bieten hat, ist allerdings mancherorts noch nicht so richtig ins Bewusstsein der Kunden vorgedrungen. Mit ihrer Initiative »Materialmanagement« wollen die Auftragsfertiger der in der ZVEI-Arbeitsgruppe »Services in EMS« genau das ändern und haben die wesentlichen Leistungen in einer kurzen Broschüre zusammengefasst. Damit möchten die beteiligten Firmen ein Leistungsspektrum etablieren und die Kunden für das Thema sensibilisieren. Die Kurz-Broschüre erhebt dabei nicht den Anspruch, das Thema umfassend abzubilden, sondern soll als Türöffner und Gesprächsgrundlage dienen. Warum die EMS-Unternehmen Gesprächsbedarf zum Materialmanagement mit ihren Kunden haben, erklärt Michael Velmeden, Geschäftsführer von cms electronics, so: »Wir haben festgestellt, dass die Kunden die Materialseite häufig unterbewerten: Sie läuft mit, aber es wird sehr leichtfertig damit umgegangen.« Weder die finanziellen noch die technischen Aspekte würden richtig berücksichtigt, so Velmeden. Dabei möchten die EMS-Unternehmen ihren Kunden keineswegs auf breiter Front Ignoranz unterstellen, wie Balling unterstreicht: »Es geht vielmehr darum, dass wir die Leistungen erklären, denn am Ende des Produktentstehungsprozesses ist für den Kunden oft nicht mehr transparent ist, welche komplexen Prozesse wir als EMS managen.« Ein Verständnismangel auf Kundenseite resultiert laut Enser oft auch aus der Begrifflichkeit. Wenn das Verständnis nicht da ist, dass sich hinter dem Materialmanagement ein Mehrwert verbirgt, ist es für den EMS wiederum schwer, für diese Leistungen eine Bezahlung einzufordern.