Oliver Walter, Camtec:
Im Vorfeld möchte ich sagen, dass die derzeitigen Lockerungen nach meiner Ansicht vier Wochen zu früh kommen. Ich hoffe, dass es keinen Rückfall gibt, denn dieser würde uns finanziell und gesundheitlich wohl deutlich härter treffen, als die Fortführung des bisherigen Lockdown bis etwa Mitte Ende Mai. Man geht hier ein sehr, sehr hohes Risiko ein. Es bleibt zu hoffen, dass die Leute mit Augenmaß damit umgehen.
Da die Automobilindustrie bereits zur Produktion zurückkehrt, hat sie die Frage überholt. Ich denke, es ist eine rein finanzielle Frage. Wie lange können sich einzelne Werke/Hersteller den Lockdown leisten? Wenn einer den Anfang macht, zieht der Rest gezwungenermaßen oder auch glücklicherweise nach. Je nachdem. Sicherlich wird man sich an die Situation anpassen müssen (siehe Mercedes).
Eine europaweite Abstimmung wäre wünschenswert, aber ich glaube, das aktuelle Szenario zeigt, dass die EU Mitglieder en Gros weit davon entfernt sind, gerade in essenziellen Fragen an einem Strang zu ziehen. In der Realität ist es so, dass die EU durch einige wenige Staaten, die ständig querschlagen, eher gelähmt und geschwächt wird, als dass sie erstarkt. Im Nachgang kann man sagen, dass die Qualifikationshürde zum Beitritt in die EU deutlich zu gering war. Die Tendenz ist, dass die EU-Idee zu einer reinen Freihandelszone verkommt. Es gab europaweit keine einheitliche Lockdown-Strategie … und ganz im Ernst, daher ist meine Erwartungshaltung in der Pandemie-Exit-Frage deutlich gedämpft. Man bekommt eigentlich nicht einmal den Exit eines einzelnen EU-Mitglieds hin. Eine Freihandelszone haben wir. Alles andere bleibt wohl auch auf mittlere Sicht eine Vision für Visionäre.