In der Fabrikautomatisierung ist die Zustandsüberwachung wichtiger Bestandteil, um Ausfallzeiten von Anlagen zu minimieren und die Produktivität zu steigern. Single Pair Ethernet kann dabei künftig eine wichtige Rolle spielen.
Während es ständige Verbesserungen bei Sensoren und Diagnosemöglichkeiten gibt, mangelt es oft an geeigneter Infrastruktur. Sensoren und Geräte in der Fertigung, im Bergbau oder der Öl- und Gasindustrie befinden sich oft an Orten, an denen es keine geeigneten Stromversorgungs- oder Datennetze gibt. Das Verlegen neuer Strom- und Netzwerkkabel zu diesen Standorten kann teuer und aufwändig sein. Zwar gibt es drahtlose Alternativen für das Condition-Monitoring, diese sind jedoch mit Kompromissen verbunden. Ein batteriebetriebener Sensor kann zum Beispiel nur begrenzte Datenraten liefern, sodass er für die Zustandsüberwachung oft nicht geeignet ist.
Gefordert sind also Insfrastrukturen, die eine zuverlässige Stromversorgung und Netzwerke mit hoher Bandbreite zu geringen Kosten bereitstellen können. Und hier kann Single-Pair-Ethernet einen neuen Lösungsansatz bieten.
Single-Pair-Ethernet nach 10BASE-T1L wurde ausdrücklich zur Erfüllung von Kriterien entwickelt, wie sie etwa bei der Zustandsüberwachung gefordert sind. SPE kann Daten und Strom über Entfernungen von bis zu 1 km übertragen, was weit über die Grenzen von Industrial Ethernet hinausgeht. Mit der schlanken Verkabelung können dadurch auch anspruchsvolle CbM-Technologien (CbM = Condition-Based Monitoring) an bisher schwer zugänglichen Stellen implementiert werden.
Vor dem Hintergrund, dass KI- und Machine-Learning-Konzepte in industriellen Anlagen eine immer wichtiger werdende Rolle spielen, steigt die Bedeutung einer entsprechenden Infrastruktur als Basistechnologie.
Während neue Entwicklungen den Einsatz der Zustandsüberwachung rasant vorantreiben, hat der Aufstieg von KI und ML einen besonders großen Einfluss auf künftige Systeme. Diese Technologien verstärken die Vorteile von Condition-Based Monitoring – angefangen bei rotierenden Maschinen wie Pumpen, Kompressoren und Ventilatoren bis hin zu CNC-Maschinen, Fördersystemen und Robotertechnik.
In vielen Anwendungen werden heute umfangreiche Daten erfasst und interpretiert, darunter Vibrations-, Druck- und Temperaturwerte sowie visuelle Daten. KI- und ML-Systeme können mithilfe dieser Datensätze anormales Verhalten erkennen, um die Wartung rechtzeitig zu planen oder sogar automatische Maßnahmen zur Fehlerbehebung einzuleiten.
Um diese Vorteile nutzen zu können, müssen die Daten von allen relevanten Geräten zur Verfügung stehen. Deshalb ist es für CbM-Systeme von entscheidender Bedeutung, eine Edge-to-Cloud-Vernetzung auch für weiter entfernte Anlagen zu bieten.
Um die entfernten Standorte zu versorgen, ist eine IT-angelehnte Methode zur Daten- und Stromversorgung von Vorteil, welche die Kosten und den physischen Platzbedarf auf ein Minimum reduziert. Industrielles Ethernet ist ein gängiger Ansatz, da es eine typische Datenbandbreite von 100 Mbit/s sowie Power over Ethernet (PoE) mit bis zu 30 Watt pro Port ermöglicht. Allerdings ist Industrial Ethernet auf eine Entfernung von 100 Metern beschränkt.
Single-Pair-Ethernet bietet, wie der Name schon sagt, Ethernet-Vernetzung über ein einziges verdrilltes Leitungspaar anstelle von zwei Paaren für 100BASE-TX oder vier Paaren für 10BASE-T. Dadurch ist die SPE-Verkabelung kleiner, leichter und kostengünstiger als eine entsprechende Industrial-Ethernet-Verkabelung. Noch wichtiger aber ist, dass SPE trotz des geringeren Platzbedarfs Übertragungsstrecken bis zu 1 km unterstützt. Weiterhin sprechen für Single-Pair-Ethernet hohe Datenraten von bis zu 1 Gbit/s, eine Leistung von bis zu 50 Watt und Steckverbinder in Schutzart IP67, die sich auch für harsche Umgebungen eignen.
⇒ Zu beachten ist, dass sich die Höchstwerte für SPE gegenseitig ausschließen: So werden beispielsweise Geschwindigkeiten von 1 Gbit/s nur für kurze Strecken bis zu 40 m unterstützt. Bei einer maximalen Kabellänge von 1 km sind die Datenraten auf 10 Mbit/s begrenzt.
Wie alle Ethernet-Verbindungen verfügen auch SPE-Schnittstellen über eine MAC-Schicht (Media-Access-Control) und eine physikalische Schicht (PHY). Der MAC verwaltet den Ethernet-Verkehr, während der PHY die analogen Wellenformen des Kabels in digitale Signale umwandelt.
Viele MCUs sind mit einem MAC ausgestattet, und einige enthalten einen PHY. Die kostengünstigen und stromsparenden MCUs, die für Edge-Sensoren verwendet werden, verfügen jedoch über keine dieser Eigenschaften.
Die Lösung liegt im »10BASE-T1L MAC-PHY«, der beide Elemente in einem separaten Chip implementiert und es so ermöglicht, aus verschiedenen besonders energiesparenden Prozessoren zu wählen.
Ein Beispiel dafür ist der Baustein ADIN1110CCPZ-R7 von Analog Devices. Dieser 10BASE-T1L-Transceiver mit einem Port ist für SPE-Verbindungen mit hoher Reichweite und 10 Mbit/s konzipiert. Der ADIN1110 wird über eine serielle Vierdraht-Peripherieschnittstelle (SPI) mit dem Host verbunden – also einer Schnittstelle, die in den meisten modernen Mikrocontrollern zu finden ist.
Um die Robustheit zu verbessern, verfügt der Baustein über eine integrierte Spannungsversorgungsüberwachung und eine POR-Schaltung (Power-on-Reset). Durch programmierbare Sendepegel, externe Abschlusswiderstände und unabhängige Empfangs- und Sende-Pins ist er auch für eigensichere Anwendungen prädestiniert.
SPE liefert Power und Daten über die gleichen Leitungen mittels PoDL (Power over Dataline). So können Hochfrequenzdaten über Reihenkondensatoren an das verdrillte Leitungspaar gekoppelt werden, während Gleichstrom (DC) über Induktivitäten in die Leitungen eingespeist wird.
In der Praxis sind zusätzliche Komponenten für Robustheit und Fehlertoleranz erforderlich. Zum Beispiel wird eine Brückengleichrichterdiode zum Schutz vor falscher Polarität des Stromanschlusses empfohlen. Ebenso ist ein Überspannungsbegrenzer (TVS-Diode) für die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) erforderlich. Insbesondere ist eine Drossel wichtig, um Gleichtaktstörungen im Kabel abzuschwächen.
Bei der Anwendung von Condition-Monitoring gibt es viele Möglichkeiten, Daten zu gewinnen. Wichtig ist es immer, einen Ausgleich zwischen Leistung und Effizienz zu finden.
Beispiel Vibrationsmessung: Piezoelektrische Sensoren bieten eine bessere Performance als MEMS, sind aber teurer. Dies macht piezoelektrische Sensoren zu einer guten Wahl für hochkritische Anlagen, die meist zentral gelegen sind. Im Gegensatz dazu befinden sich viele Anlagen, bei denen die Sicherheit weniger im Vordergrund steht, in entlegenen Bereichen eines Betriebs und sind aufgrund anfallender Kosten nicht überwacht. Dennoch müssen ihre Daten ausgewertet werden, um die Gesamtproduktivität des Systems zu verbessern. Das ist nun über SPE-basierte Zustandsüberwachung in Kombination mit MEMS-Sensoren möglich.
Neben den geringeren Kosten bieten MEMS-Sensoren weitere Vorteile für SPE-Anwendungen. Im Vergleich zu piezoelektrischen Sensoren verfügen die meisten MEMS-Sensoren beispielsweise über digitale Filterung, optimierte Linearität, geringes Gewicht und kleine Abmessungen.
Eine wesentliche Voraussetzung für jedes CbM-System ist die nahtlose Anbindung an die Cloud. Dies kann mit einem MQTT-Protokoll (Message Queuing Telemetry Transport) erreicht werden. Das schlanke IIoT-Messaging-Protokoll ermöglicht die Verbindung von Remote-Geräten mit minimalem Code-Footprint und geringer Netzwerkbandbreite.
Die meisten preisgünstigen Cortex-M4-Mikrocontroller eignen sich für diese Anwendung, da praktisch alle diese Chips über die SPI-Ports verfügen, die für die Verbindung mit den Sensoren und dem MAC-PHY erforderlich sind. Aus Software-Sicht sind die wichtigen Anforderungen ausreichend Speicher für den MQTT-Stack, ein geeignetes Echtzeit-Betriebssystem (RTOS) und Edge-Analysesoftware. In der Regel werden nur ein paar Dutzend Kilobyte RAM und ROM benötigt.
Sobald das SPE-Kabel die bestehende Infrastruktur erreicht, kann ein Medienkonverter das 10BASE-T1L-Signal in 10BASE-T-Rahmen für Standard-Ethernet-Kabel umwandeln. Zu beachten ist, dass bei dieser Konvertierung lediglich das physikalische Format geändert wird; die Ethernet-Pakete bleiben unverändert. Von hier aus können diese Pakete über ein beliebiges Ethernet-Netzwerk gesendet werden.
Single-Pair-Ethernet (SPE) bildet die Basistechnologie für die Zustandsüberwachung in entfernten Anlagen. Zum einen erweitert SPE die Ethernet-Infrastruktur auf große Entfernungen. Zum anderen ist es mit SPE möglich, Power und Daten über eine einzige Leitung zu übertragen. Dadurch eröffnen sich neue Möglichkeiten, KI- und Machine-Learning-Konzepte auf einfache Weise zu integrieren, auch in Anlagen, in denen das bislang nicht wirtschaftlich sinnvoll realisierbar war.