Interview mit Hubertus Breier

Lapp: »Recyceltes Kupfer und biobasierte Kabelummantelung«

17. April 2024, 11:30 Uhr | Corinna Puhlmann-Hespen
Hubertus Breier, Lapp: »Wir bieten bereits erste Kabel mit teilweise biobasierten Ummantelungen an. Ein mögliches Upcycling bleibt aber noch eine Herausforderung, ebenso wie die Verfügbarkeit der Materialien.«
© Lapp

Welche Möglichkeiten hat Lapp, Kabel umweltfreundlich auszulegen? Beim Kupfer setzt das Unternehmen große Mengen an Sekundärrohstoffen ein. Für die Kabelummantelung entwickelt man bio-basierte Alternativen. Hubertus Breier, Vorstand für Technik und Innovation, gibt Einblick in die Aktivitäten. 

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Markt&Technik: Welchen Stellenwert hat Klimaschutz bei Lapp?

Hubertus Breier, Vorstand für Technik und Innovation: Wir nehmen das Thema Nachhaltigkeit sehr ernst und beschäftigen uns seit Jahren intensiv damit. Wir beobachten die regulativen Aktivitäten der EU und erproben, diskutieren und bewerten verschiedene Nachhaltigkeitsansätze auf Produkt- und Unternehmensebene. Als Familienunternehmen sind wir intrinsisch motiviert, unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Wie ist der aktuelle Stand bei Lapp, CO2-Emissionen zu reduzieren?

Wir kennen nach Scope 1 und 2 des »Greenhouse Gas Protocol« den Corporate Carbon-Footprint von Lapp weltweit. Auch bei Scope 3 auf Produktebene haben wir schon erste Erfolge erzielt: Für ausgewählte Standardprodukte haben wir den CO2-Fußabdruck bereits softwarebasiert, auf Basis von Sekundärdaten, erfasst. Aktuell laufen gemeinsam mit dem Fraunhofer IPA Projekte, um die CO2-Treiber im Product-Carbon-Footprint noch detaillierter zu analysieren und daraus Maßnahmen abzuleiten.
Grob kann man sagen, Kupfer ist für Reduzierung der CO2-Emissionen für uns der größte Hebel, und Kunststoff aus dem Gesichtspunkt der Kreislaufwirtschaft. Auch Steckverbinder aus alternativen, ressourcenschonenden Kunststoffen sind bereits in der Erprobung.

Das Thema Nachhaltigkeit wird bei uns global durch ein CSR-Management verantwortet – wichtig ist hier der intensive Austausch mit allen Geschäftseinheiten weltweit. Eine aktuell durchgeführte Reifegradbewertung der einzelnen Standorte hat uns ein gutes Gefühl vermittelt, wo wir stehen, wer mit welchen Aktivitäten unterwegs ist und welche Bereiche voneinander lernen können.

Als Kabelhersteller verarbeitet Lapp große Mengen an Rohmaterialien. Welche Möglichkeiten haben Sie, diesbezüglich Einfluss auf den Klimaschutz auszuüben?

Beim Kupfer haben wir langjährige Partnerschaften, die uns schon heute gute Sekundärrohstoffe liefern. Diesen Kreislauf wollen wir noch weiter ausbauen. Wir sind bei der Lieferantenbasis schon sehr gut aufgestellt, sind unter anderem auch Teil der Initiative »The Copper Mark« für verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten. Deshalb sehen wir Kupfer nicht als das größte Problem. Es ist eher der Kunststoff, für den wir den Kreislauf noch nicht geschlossen haben. 

Aber auch beim Kunststoff setzen wir bereits heute Sekundärmaterialien aus Kunststoffabfällen ein und nutzen diese zum Beispiel als Filler in den Leitungen. Außerdem bieten wir erste Kabel mit teilweise biobasierten Ummantelungen an. Ein mögliches Upcycling bleibt aber noch eine Herausforderung, ebenso wie die Verfügbarkeit der Materialien.

Wie sehen Sie das Thema PFAS? 

Fluorpolymere sind in einigen Anwendungen, die zum Beispiel eine extrem hohe chemische Beständigkeit oder hohe Temperaturbereiche erfordern, derzeit unerlässlich und kommen auch in unseren Produkten zum Einsatz. Das Thema PFAS und die regulativen Diskussionen der EU sind daher ein Thema für Lapp. Unser Expertenteam beobachtet die Regulierungsvorhaben genau, stimmt sich mit den Industrieverbänden ab und bringt sich auch bei der Konsultation zur PFAS-Beschränkung entsprechend ein. Sollte eine PFAS-Beschränkung oder ein Verbot kommen, so werden wir versuchen, alternative Materialien einzusetzen oder auf komplett andere technologische Ansätze zu gehen, um die dann wegfallenden Produktlösungen für unsere Kunden zu ersetzen.

Mit welchen weiteren Maßnahmen – neben recycelten oder biobasierten Materialien – beschäftigen Sie sich, um das Produktdesign Ihrer Produkte umweltfreundlicher auszulegen?

Es ist wichtig, bereits beim Design auf Materialeffizienz zu achten und auch ein verfahrenstechnisch passendes Design zu wählen. Somit kann der nachfolgende Produktionsprozess ohne weitere Energie- oder Materialverluste arbeiten. Bei Kabeln spielt die Dicke und auch die Toleranz der Innen- und Außenmäntel eine wichtige Rolle und somit eine zukünftige AI-gestützte Nachführung der Maschinenparameter, um nur so viel Material aufzubringen wie notwendig. Auch das Thema initialer PCF gegenüber Verlusten über den Lebenszyklus hat eine Bedeutung, und somit auch die Dimensionierung der Komponenten. Je nach Anwendung kann es auch helfen, einen größeren Querschnitt mit geringeren, nicht vermeidbaren Widerstandsverlusten zu wählen. 

Zudem gehört Lapp zu den wenigen Herstellern am Markt, die Kabel und Steckverbinder gleichermaßen technologisch in der Hand halten. Dies ist ein Schlüssel, um Systeme optimal aufeinander abzustimmen. 

Unsere internen Labore und Versuchseinrichtungen erlauben es uns, während des Produktentstehungsprozesses Wandstärken und Schichtdicken zu reduzieren wo möglich, aber auch zu erhöhen wenn nötig. Damit ist sichergestellt, dass innovative, wirtschaftlich und ressourcenschonende Produkte gleichermaßen entstehen. 

Weiter in die Zukunft geblickt: Wo sehen Sie für Lapp weitere Ansätze und Herausforderungen, CO2 zu reduzieren und Ressourcen einzusparen?

Wir sind kontinuierlich damit beschäftigt, unsere Produkte und Prozesse hinsichtlich der Nachhaltigkeit weiter zu optimieren – das betrifft wie gesagt vor allem das Kupfer und die Kunststoffe. Hier sind wir aber immer Mittler zwischen unseren Lieferanten und den Anforderungen unserer Kunden. Das biobasierte Mantelmaterial unserer aktuellen Etherline-Datenleitung haben wir zum Beispiel durch eine enge Zusammenarbeit mit der BASF erproben können. Bei allen Maßnahmen und Projekten versuchen wir, die Kunden in den Prozess zu integrieren, und diskutieren mit den Kunden früh unsere Ideen und Lösungsansätze. Klar ist, nachhaltige Materialien sind aufgrund der noch geringen Verfügbarkeit deutlich teurer. Es macht daher keinen Sinn, ein super nachhaltiges Produkt auf den Markt zu bringen, wenn es der Kunde dann nicht kauft.

Gibt es aus Ihrer Sicht noch Handlungsbedarf, z. B. im Bereich der Normung? Was ist ihr Appell an Politik, Verbände oder Gesellschaft?

Welchen Impact die Sekundärmaterialien oder biobasierte Primärrohstoffe haben, wird auch in den Gremien intensiv diskutiert. Aktuell werden wir hier durch Überreglementierung ausgebremst. Ein Beispiel: Ein Kabel hält heute in vielen Anwendungen oft länger als die Maschinen, in denen es eingesetzt wird. Für Verbindungslösungen stellt sich daher die Frage, ob die gleiche Funktionalität mit einigen Prozent weniger Material sichergestellt werden kann, trotz der bestehenden Normen. Wir müssen uns fragen, ob wir es uns in Zukunft noch leisten können, Produkte herzustellen, die so überdimensioniert sind.

Wir müssen also gleichermaßen über alternative Designs und Prozesse nachdenken. Auch die Normen für Zertifizierungen müssen dringend überprüft werden.

Noch ein Blick auf die allgemeine Geschäftsentwicklung. Die Konjunktur schwächelt. Welche Erwartungen haben Sie an das Geschäftsjahr 2024?

Aufgrund der anhaltend konjunkturellen Herausforderungen insbesondere in unserem Heimatmarkt DACH rechnen auch wir für das laufende Geschäftsjahr mit einem schwächeren Auftragseingang. Wir werden daher unsere globale Wettbewerbsfähigkeit weiter stärken und für Kunden vor Ort attraktive Angebote schaffen. Unser Augenmerk liegt hier vor allem auf Nordamerika und Asien, aber auch auf Europa und den mittleren Osten, wo wir weiterhin Wachstumspotenziale sehen. 

Wo sehen Sie konkret Wachstumsfelder und Chancen für Lapp?

Bei uns ist der Bereich der Elektromobilität stark gewachsen. Das Geschäft verzeichnete ein Umsatzplus von rund 35 Prozent. Um dieses Wachstum mit neuen OEM-Kunden weiter ausbauen zu können, haben wir eine neue Produktionseinheit in Tschechien aufgebaut. Zu den weiteren Wachstumstreibern zählen Lösungen für das Batteriegeschäft. Zwar sind Lapp-Produkte nicht in den Batterien selbst verbaut, die Verbindungslösungen werden aber für entsprechende Automatisierungsanlagen in Fabriken und für Energiespeichersysteme eingesetzt. Spannende Projekte haben wir uns in Südkorea und in den USA gesichert. Auch das Geschäft mit Datenlösungen für die industrielle Kommunikation ist signifikant gewachsen. Treiber ist der Trend zur Fabrikautomatisierung. Allein in der Region APAC erzielte Lapp hier ein Plus von 20,5 Prozent. 

Des Weiteren sehen wir Potenzial in der Steigerung der Effizienz und der Leistungsdichte von Konnektivitätssystemen. So bauen wir gerade das Single-Pair-Ethernet-Portfolio aus, womit im Vergleich zu anderen Datenübertragungsprotokollen signifikante Einsparungen möglich sind. Auch im Bereich DC-Versorgungssysteme in der Fabrik der Zukunft betreibt Lapp Pionierarbeit. 

Der Markt ruft nach globalisierten Produkten mit weltweiter Verfügbarkeit, aber möglichst lokal vor Ort produziert. Hier ist Lapp ein starker Partner, denn das globale Setup mit den 21 Produktionsstandorten weltweit erlaubt es uns, Einflussfaktoren wie Engpässe im Suezkanal oder auch aktuell im Roten Meer ausklammern zu können.

Die Fragen stellte Corinna Puhlmann-Hespen.

 


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