So geschah es auch im konkreten Fall: Gruner mit Sitz im schwäbischen Wehingen sieht sich als Weltmarktführer für gepolt bistabile Hochstromrelais bis 200 A. Da staunten die Schwaben nicht schlecht, als sie nur ein paar Stände entfernt bei NCR Industrial-Clion Relay dreiste Kopien der Gruner-Relais entdeckten, die das chinesische Unternehmen dem geneigten Publikum stolz präsentierte. Ganz und gar überrascht waren die Mitarbeiter von Gruner allerdings auch nicht – denn die erfolgreichen Relais wurden schon häufig Opfer der Produktpiraterie.
Rechtliche Schritte wirken
Auf der electronica ließ der Hersteller sich das allerdings nicht gefallen, er legte rechtlich Schritte ein: der Anwalt des Unternehmens erwirkte eine Unterlassungsverfügung am Landgericht München I, nachdem eines der ausgestellten Relais eindeutig als Plagiat identifiziert werden konnte.
»Die Kunststoffkappe eines Musters konnten wir abnehmen und stellten anhand des Innenlebens fest, dass es sich um einen 1:1-Nachbau eines unserer Patente handelt, das in allen unseren Hochstromrelais zum Einsatz kommt«, erklärt Patrick Spreitzer, Vorstand Geschäftsbereich Relais/Magnete bei Gruner.
100-prozentige Fälschung aus dem Verkehr gezogen
Weil für dieses Produkt in Deutschland ein Patentschutz besteht, schaltete das Unternehmen sofort den Anwalt ein und erwirkte eine einstweilige Verfügung: »Am nächsten Tag durchsuchte die Gerichtsvollzieherin des Landgerichts München I den Stand des Ausstellers NCR Industrial-Clion Relay und zog das betreffende Relais aus dem Verkehr«, so Spreitzer.
Warum nur Teilerfolg?
Ein Teilerfolg, denn vier bis fünf weitere Relais, hinter denen Gruner aufgrund äußerlicher Ähnlichkeiten ebenfalls Kopien vermutete, durfte NCR weiter ausstellen. »Wir konnten die Gerichtsvollzieherin nicht davon überzeugen, dass die Produkte durch das Abnehmen der Kunststoffkappe nicht beschädigt werden und ihr Aufbau leicht zu überprüfen gewesen wäre«, erklärt der Vorstand. Immerhin war der Messestand des Plagiators etwa 30 Minuten blockiert und Interessenten wandten sich in dieser Zeit ab.
Das Originalbild beim Kopisten
Vorkommnisse wie auf der electronica sind für Gruner leider kein Einzelfall: »Immer wieder bitten uns Kunden um eine Einschätzung zu Relais, die Ähnlichkeit mit unseren Produkten aufweisen und ihnen von anderen Herstellern angeboten worden sind«, so Spreitzer. »Seit mehreren Jahren stoßen wir immer wieder auf Plagiate, die auf dem Markt angeboten werden.« Besonders dreiste Kopisten verwenden für ihre Produktkataloge sogar Originalbilder von Gruner-Relais.
Kopien können keine Qualität bieten
»Firmen, die unsere Produkte kopieren, sparen nicht nur an der Qualität der verwendeten Materialien. Den größten Nutzen haben sie dadurch, dass jahrlange Forschungs- und Entwicklungsarbeit einfach übersprungen wird«, erklärt Spreitzer. Nur so können Plagiate auf dem Markt zu Schleuderpreisen angeboten werden. Doch der Weg von der Entwicklung eines neuen Produkts bis zur Serienfertigung ist nie stringent: »Qualität lässt sich nur dann erzielen, wenn man Schritt für Schritt vorgeht und bereit ist, bis zum letzten Schliff immer wieder Änderungen vorzunehmen«, sagt der Vorstand. »Dadurch entsteht ein tiefgreifendes Produktverständnis, das es uns beispielsweise ermöglicht, für Kunden individuelle Anpassungen vorzunehmen, das dem Plagiator aber fehlt.« Manchen Fälschern gelingt es daher zwar, Muster in akzeptabler Qualität herzustellen, aber zum Teil sind die Firmen bereits von einer Serienfertigung überfordert, so dass mit Feldausfällen im ein- bis zweistelligen Prozentbereich zu rechnen ist.