Konnte SiTime in den ersten neun Jahren seiner Geschichte insgesamt nur 250 Mio. MEMS-Taktgeber verkaufen, waren es 2015 immerhin schon 125 Mio. Units – fast doppelt soviele wie im Jahr davor mit 65 Mio. Stück. Ging es 2016 so weiter?
Die Strategie, Produkte mit Alleinstellungsmerkmalen zu entwickeln, hat unser Wachstum in den Jahren 2015 und 2016 sehr stark unterstützt. In den letzten drei Jahren lag unser Wachstum im Durchschnitt bei mehr als 60 Prozent pro Jahr. Und wir sind überzeugt, dass sich auch künftig das Wachstum so fortsetzen wird.
Vergleicht man Ihre Stückzahlen mit den jährlich weltweit abgesetzten Taktgeberbausteinen – zuletzt etwa 4 Mrd. Oszillatoren (1,8 Mrd. Dollar Umsatz) und rund 15 Mrd. Resonatoren (1,7 Mrd. Dollar) –, dann ist da noch eine deutliche Lücke. Müssen sich die Hersteller quarzbasierender Taktgeber dennoch vorsehen?
Wir erzielen große Fortschritte in wichtigen, neuen Märkten, unsere Produkte werden in IoT-Devices, Wearables und Handys eingebaut. Das sind zum einen alles sehr große Wachstumsmärkte, zum andern gibt es hier keine quarzbasierenden Produkte, die mit unseren Vorteilen mithalten können. So bringt das neue High-End-Produkt „Elite“ große Verbesserungen für die Telekommunikationsinfrastruktur, die Netzwerktechnik und GNSS. Gleichwohl sind wir uns bewusst, dass wir erst einen sehr kleinen Anteil des gesamten Markts abdecken, aber das macht es umso attraktiver, weil das ein enormes Wachstumspotenzial verspricht, denn unsere Technologie hat keine Einschränkungen. Wir werden in der Zukunft die meisten Taktgeber-Produkte in unserem Produktportfolio haben. Es ist alles nur eine Frage der Zeit und der Ressourcen.
Worin bestehen grundsätzlich die Vorteile von MEMS im Vergleich mit Quarzschwingern? Gibt es Anwendungen, die immer den Quarzbausteinen vorbehalten sein werden?
Generelle Vorteile der MEMS sind die dynamische Performance, geringere Baugröße, niedrigerer Strombedarf, höhere Stabilität, bessere Qualität, Robustheit, Zuverlässigkeit, Programmierbarkeit, Flexibilität und Vorteile bei der Fertigung. Es gibt keine bekannten Einschränkungen für unsere MEMS-Taktgebertechnologie.
Zum Konzept der Elite-Plattform: Was hat sich geändert? Was kam hinzu, das es vorher von SiTime nicht gab?
Verbesserungen im MEMS- und CMOS-Chip haben zur Steigerung der Performance geführt. Der MEMS-Resonator hat nun die Tempflat-Technologie. Laut IEEE-Paper von 2016 haben wir den weltbesten Temperatursensor mit 20-µK-Auflösung mit 200 Hz Bandbreite. Ein weiteres Highlight ist die Frequenzstabilität von 100 ppb über den erweiterten Temperaturbereich von –40 bis +105 °C. Zudem haben wir bessere dynamische Performance unter Vibrationen, schnellen Temperaturänderungen und Luftströmungen von Lüftern erzielt.
Wie sieht’s denn mit Automotive aus, haben doch zumindest bislang die Car-OEMs und Zulieferer gezögert: Sehen Sie hier Bewegung und könnte das ein Massenmarkt für die MEMS-Taktgeber werden?
Wir machen große Fortschritte in diesem Markt, denn neuere Systeme wie ADAS und Ethernet benötigen genauere höherfrequente Taktgeber. Bisher wurden in den meisten Automotive-Anwendungen nur einfache Keramik- oder Quarz-Crystals eingesetzt. Das ändert sich in der nahen Zukunft zugunsten unserer Produkte. Wir haben Oszillatoren, die ±20 ppm über den gesamten Automotive-Temperaturbereich zeigen – Quarz hat dafür keine einfache Lösung. Kleinere Baugröße und die Robustheit unter Vibrationen sind weitere Vorteile der MEMS-Bausteine. Überdies haben Leaded-Plastikgehäuse wesentliche Vorteile in der PCB-Zuverlässigkeit im Vergleich mit Keramikgehäusen von Quarzprodukten. Zudem spricht unsere Qualität und Zuverlässigkeit mit 30-fach niedrigeren Ausfallraten für den Einsatz in diesem Markt.
Zu Ihrem Optimismus tragen neben dem rasant gestiegenen Absatz der Taktgeberbausteine auch mehrere Kooperationen mit Herstellern von quarzbasierenden Oszillatoren bei. So arbeitet SiTime in Europa seit mehreren Jahren mit Jauch und Petermann-Technik zusammen und seit Ende 2015 mit KDS als Vertriebspartner – der japanische Quarzspezialist ist im Konzert der Großen immerhin die Nummer 3. Wie sieht’s bezüglich der Kooperationen derzeit aus? Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Weltweit gibt es hunderttausende Kunden bzw. Firmen, die elektronische Systeme entwickeln und herstellen. Eine unserer großen Herausforderungen ist der Zugang zu diesen Kunden. Mittlerweile haben wir global mehr als 50 Channelpartner unter Vertrag, um allen Kunden Zugang und Support zu unseren Produkten geben zu können.
2015 haben Sie mit einem Sales-Team von zehn Leuten bei insgesamt 95 Mitarbeitern etwa 1000 Kunden adressiert – vorrangig über Distributoren wie Arrow, Digi-Key, Macnica, Mouser und SE Spezial-Electronic. Gab es im vergangenen Jahr gravierende Änderungen?
SiTime hat heute 135 Mitarbeiter. Wir wachsen in allen Disziplinen, auch im Vertrieb. 2016 ist die Zahl der Kunden auf mehr als 5000 gestiegen. Und ich bin optimistisch, dass unsere neuen Vertriebspartner wesentlich dabei helfen werden, diese Zahl in naher Zukunft zu verzehnfachen.