Da hat Bürklin Elektronik sehr vorausschauend agiert. Offen gefragt: War das einfach situativ Glück oder Strategie?
Wir haben früh erkannt, dass eigene Verfügbarkeiten einen positiven Einfluss auf unsere Geschäftsentwicklung haben. Unsere Strategie ist eine vorausschauende Bevorratung und Einkaufsaktivitäten auf Basis von Jahresmengen mit einem guten Lieferantennetzwerk, das hier eine zentrale Rolle spielt. Wir schließen frühzeitig Abrufaufträge in vielen Produktbereichen, z. B. programmierbare Logik, Mikrocontroller, Speicher-ICs, Operationsverstärker, Spannungsüberwachung sowie Schnittstellen-ICs ab, um Produktionsausfälle zu minimieren.
Hohe Lagerbestände bergen bekanntlich auch Risiken…
Das ist richtig. Aber das Risiko »Preisverfall bei Rezession«, das zu hohen Lagerwerten und zu Kunden-Stornos führen kann, gehen wir dabei bewusst ein.
Bürklin Elektronik galt am Markt lange Zeit eher als Kleinmengen-Lieferant. Wenn wir konkret von Halbleitern sprechen: Welche Liefermengen kann der Kunde bei Bürklin Elektronik beziehen?
Die Kunden nehmen uns schon heute zunehmend als Distributor, der auch mittlere Mengen für Produktionsserien liefert, wahr. Der durchschnittliche Bestellwert ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und liegt dieses Jahr sicherlich auch aufgrund der besonderen Marktsituation sogar 30 bis 40 Prozent über dem Vorjahr.
Wie weit erstreckt sich der Lieferradius von Bürklin Elektronik?
Unser Auslandsanteil liegt bei etwa 20 Prozent. Wir exportieren weltweit, auch für unsere deutschen Kunden an Produktionstandorten in Asien, natürlich außer in Embargo-Länder.
Bürklin Elektronik war nicht unbedingt als ausgewiesener Halbleiter-Spezialist am Markt positioniert. Wie sieht Ihre Strategie in puncto Halbleiter-Linecard auf längere Sicht aus?
Die Kunden nehmen uns mehr und mehr auch in diesem Segment als zuverlässigen und kompetenten Lieferanten wahr. Wir haben im ersten Quartal dieses Jahres unseren Halbleiter-Umsatz in Deutschland vervierfacht. Uns erreichen Halbleiter-Anfragen sogar aus China.
Wir streben eine noch intensivere Zusammenarbeit mit namhaften Hersteller wie Microchip, Intel, Texas Instruments, Lattice Semiconductor, Infineon Technologies, Analog Devices, Xilinx, Cypress, Silcon Labatories, Maxim Integrated etc. an, sodass eine langfristige Bezugsquelle für Bürklin Elektronik gewährleistet wird. Wir orientieren uns dabei natürlich an den Kundenbedarfen und Trend-Applikationen, um unser Produktportfolio ideal zu gestalten. Dadurch stellen wir für unsere Kunden eine hohe Verfügbarkeit an einem breiten Halbleitersortiment langfristig bereit. Die Verfügbarkeiten hängen aber nach wie vor von der Marktsituation ab.
Was wir nicht wollen, ist massiv Produkte zu führen, die für den Kunden nicht relevant sind. Dabei steht für uns auch der Anspruch im Vordergrund, dass wir unsere Value Proposition einhalten, sprich: unser Lieferversprechen: Bis 18:00 bestellt und in Deutschland am nächsten Tag ausgeliefert. Wir denken, es ist niemandem gedient, wenn wir zwar massiv Produkte zuführen, gleichzeitig aber unser Lieferversprechen total verwässern.
Ich bin überzeugt davon, es gibt auch in einer Situation wie jetzt die Möglichkeit, unsere Marke noch weiter zu stärken. Und wir sind überzeugt davon, dass sich der Markt extrem positiv entwickelt, in den nächsten zehn Jahren verdoppeln wird. Und auf Halbleiter entfallen schließlich 65 bis 70 Prozent des Elektronik-Umsatzes.
Auch visuell tragen wir dem Rechnung: Unser Logo hat den Schriftzug »Die ganze Elektronik«; auch das ist ein Commitment für eine langfristige Halbleiter-Strategie.
Inwieweit ziehen Sie auch personell noch Ressourcen für Halbleiter nach?
Wir sind dabei, einen CPO - Chief Product Officer - aus der Industrie zu rekrutieren, der uns dabei unterstützt, die Lieferantenbeziehungen weiterzuentwickeln und auch das Halbleiter-Portfolio strategisch neu auszurichten.
Was raten Sie den Kunden für 2022, um ihre Lieferketten so gut wie möglich am Laufen zu halten?
Kunden mit langfristig vertraglichen Zusagen, reibungslosem Logistiksystem und sauberen Forecasts fahren am besten, denn für sie konnten wir bereits frühzeitig aktiv werden. Lageraufbau ist kaum möglich, weil alles weggekauft wird. Damit wir Liefersicherheit gewährleisten können, bitten wir unsere Kunden um eine enge Zusammenarbeit mit uns sowie eine frühzeitige und langfristige Planung ihrer Bedarfe, wie sie beispielsweise in Rahmenverträgen festgehalten sind.
Abschließend: Wie lautet Ihre Botschaft für das laufende Jahr?
Eine verlässliche Supply Chain ist der Schlüssel. Die Euphorie, überall auf der Welt Bauteile einzukaufen, hat angesichts der aktuellen Lage abgenommen. Ich bin überzeugt davon, dass wir eine sehr gute Ausgangsposition haben: Nicht zuletzt unser Lager im Landkreis München, im Herzen der Elektronik-Industrie von Deutschland, sehe ich als Vorteil und große Chance für die Zukunft.
Das Interview führte Karin Zühlke.