Welche besonderen Aktionen sind zum 100-jährigen Jubiläum geplant?
100 Jahre sind sicher etwas Besonderes. Natürlich ist es zunächst mal eine Zeit, um zu feiern. Darüber hinaus wird es auf unserer Webseite das ganze Jahr über Aktionen für unsere Kunden geben. Zum Beispiel Produkte, die wir in den Mittelpunkt stellen, weil sie etwas mit unserem 100-Jährigen zu tun haben. Aber unser Jubiläum steht auch unter dem Motto »The next 100 years«, weil es in unserer DNA verankert ist, nach vorne zu schauen.
Wenn wir auf die nächsten Jahre blicken – wo möchten Sie den Conrad-Footprint noch ausbauen?
Wir werden definitiv ein europäisches Unternehmen bleiben. Als B2B-Anbieter wollen wir uns in den großen westeuropäischen Märkten Frankreich und Italien deutlich stärker positionieren. Dort sind wir bereits seit vielen Jahren tätig. Wir haben dort aber noch nicht den Stellenwert, den wir uns vorstellen. Das Gleiche gilt für Osteuropa. Auch dort sind wir bereits präsent. Es geht also wirklich darum, Stück für Stück die Marke Conrad in den Ländern bekannter zu machen und den Marktplatz auch in diese Länder zu bringen. Wir haben den Marktplatz letztes Jahr in den Niederlanden und Italien an den Start gebracht. Frankreich ist seit diesem März live. Entsprechende Planungen gibt es für Polen und Tschechien. Sie sehen, wir haben eine ganz klare Roadmap.
Wie groß ist der Marktplatz in Zahlen und wie viele Seller sind an Bord?
Der Marktplatz-Umsatz nähert sich wie gesagt der 100-Millionen-Euro-Grenze. Wir haben Stand heute 800 Seller auf unserem Marktplatz. Diese Zahl ist nicht das Resultat dessen, dass Conrad nicht mehr Seller gewinnen könnte, sondern der Tatsache geschuldet, dass Conrad sehr genau hinschaut, welche Marktplatzpartner wir zulassen. Dabei gehen wir extrem selektiv vor. Wir haben also einen anderen Qualitätsanspruch an die Seller, als das vielleicht der traditionelle B2C-Marktplatz hat. Denn wenn auf dem Marktplatzeinkauf etwas schiefgeht, verbinden die Kunden ihre schlechte Erfahrung gedanklich nicht mit dem Seller, sondern mit Conrad.
Wer sind diese Seller?
Das sind Distributoren wie RS und Sonepar genauso wie Hersteller und Großhändler, abhängig von der Produktgruppe. Ein kuratiertes Sortiment ist uns wichtig, und daher agieren wir strategisch, welche Sortimente wir zusätzlich in welcher Dimension auf dem Marktplatz brauchen. Ich gehe daher Stand heute davon aus, dass wir europaweit auch künftig unter 10.000 Seller bleiben werden. Aber wir lassen grundsätzlich keine Einzelpersonen zu, die als Hobby Ware über den Marktplatz verkaufen wollen. Hinter jedem Seller steht ein Lieferzeitversprechen und ein Qualitätsversprechen, das sie unterschreiben und wir an die Kunden weitergeben.
Wie hat sich die Kundenansprache in den letzten Jahren verändert? Wollen die B2B-Kunden noch vom Außendienstmitarbeiter besucht werden oder wollen sie einfach nur aufs Knöpfchen drücken und bestellen?
Die Anforderungen unserer B2B-Kunden sind vielschichtig: Unser Weg ist es, Kunden zuzuhören und die Lösungen, die wir haben, so gut wie möglich an den Kundenwunsch zu adaptieren, beispielsweise im Bereich E-Procurement. Sei es EDI, OCI, API oder der eKatalog – wir haben jegliche Form von Punch in und Punch out. Unser Außendienst fungiert also nicht als Katalogverteiler. Diese Zeiten sind lange vorbei. Es geht uns darum, bei Unternehmen passgenaue digitale Lösungen zu implementieren, die unsere Produkte reibungslos zugänglich und den Einkauf möglichst einfach machen. Wir investieren daher weiterhin europaweit in den Außendienst. Aktuell haben wir in Europa ein knapp 80-köpfiges Außendienst-Team am Start.
Wie geht es mit dem Filialkonzept für B2B weiter? Die B2C-Filialen gibt es ja bekanntlich nicht mehr.
Im Moment haben wir mit Hürth und Regensburg zwei B2B-Pilot-Profistores am Laufen, Mannheim folgt noch dieses Jahr. Das klassische B2C-Ladenkonzept mit 3000 Quadratmetern ist aus unserer Sicht in der Tat obsolet. Aber was B2B-Kunden einen Mehrwert bringt, ist die sofortige Verfügbarkeit im Sinne der C-Teile-Logik: Etwa wenn der Kunde etwas vergessen hat zu kaufen oder vorher nicht wusste, dass er ein bestimmtes Teil benötigt oder kurzfristig ein Teil kaputt gegangen ist. Dieser Aspekt der sofortigen Verfügbarkeit spielt gerade im Handwerk, in Liegenschaften und in der Entwicklung nach wie vor eine große Rolle. Diese Anforderung kann ein Online-Shop bei aller Online-Affinität nicht so gut und schnell bedienen, wie es der Stationärhandel kann, bei dem ich solche Bedarfe ad hoc decken kann.
Zudem führen wir auch Investitionsgüter im Sortiment, die man nicht einfach online kauft. Ein Beispiel sind Industriedrohnen, die einige tausend Euro kosten, oder Cobots, also Automatisierungsroboter, deren Preisspanne sich im fünfstelligen Segment bewegt. Der dritte Aspekt der Filialen ist die Regionalität, auf die bestimmte Firmen Wert legen. Und gerade in Deutschland haben wir auch viele staatliche Behörden und Bildungseinrichtungen, die regional eine Anlaufstelle suchen, wo sie beraten werden. Wenn sich das Konzept so entwickelt, wie wir uns das vorstellen, lässt sich das auch weiter ausrollen.
100 Jahre Conrad, dahinter steht auch eine Marke, die insbesondere hierzulande auch im B2C-Umfeld sehr bekannt ist. Profitieren Sie weiterhin vom Namen Conrad – und wird das auch die nächsten 100 Jahre so bleiben?
Man wird uns in 100 Jahren hoffentlich immer noch kennen. Ob der Name im B2C-Umfeld in 100 Jahren noch so präsent sein wird, glaube ich eher nicht. Aber das haben wir auch ganz bewusst in Kauf genommen, als wir uns für den B2B-Weg entschieden haben. Ich würde mir wünschen, dass man uns in 100 Jahren im B2B-Umfeld so gut kennt wie bisher im B2C-Umfeld.
Und ja, auch im B2B-Segment hilft der Name Conrad und dessen Bekanntheit aus der Vergangenheit. Aber nicht nur der Name hat geholfen: Im B2C-Markt wurde die Digitalisierung sehr dynamisch und schnell vorangetrieben. Die Anforderungen dort waren ja durchaus komplex, da nicht an ein Zentrallager, sondern an Millionen Endverbraucher geliefert wird. Dieses B2C-Erbe nutzt uns auch in der B2B-Welt, da sich das Kaufverhalten dort durchaus an die B2C-Welt annähert. Und darin haben wir schließlich 100 Jahre Erfahrung.