Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Ihre eigenen Prozesse und die Lieferkette an sich?
Die Digitalisierung spielt sehr gut in unser Business-Model rein. Wir sind der Meinung, dass wir in den Prozessen massiv sparen könnten, wenn wir diese weiter automatisieren und digitalisieren. Aber die Digitalisierung bringt natürlich auch Herausforderungen mit sich – etwa beim Datenschutz und im Zuge dessen bei der Umsetzung der neuen Datenschutzgrundverordnung. Hier müssen die Unternehmen ihre Hausaufgaben erledigen.
Ich gehe auch davon aus, dass es in der Materialwirtschaft zum Umdenken kommt, wie man mehr Effizienz in die Supply-Chain bringen kann. Das Zeitalter der Digitalisierung löst das Kopieren und Einfügen ab, genauso wie statische Kataloge. Wir bieten zahlreiche Möglichkeiten der direkten Konnektivität, zum einen mittels dynamischem Punch-out und OCI-Katalogen, mit denen sich der Kunde über die Webseite in unserem Echtzeitsystem befindet, zum anderen API-Anwendungen und EDI-Anbindungen. Eine API ist sicher die einfachste Möglichkeit der Vernetzung, wie das Kundeninteresse auch widerspiegelt. Wir haben auf unserer Webseite kürzlich den API-Online-Zugang freigeschaltet. Ohne dass wir das Tool breit angekündigt haben, nutzen es bereits über 1000 Kunden – allen voran aus Zentraleuropa.
Viele Hersteller konsolidieren nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Merger ihre Distributionsnetzwerke – inwieweit tangiert das auch Digi-Key?
Wie wir bereits vorher besprochen haben: Mit uns wollen viele Hersteller aufgrund unserer Reputation als Stocking- und NPI-Distributor sehr gerne zusammenarbeiten. Die Hersteller-Vertriebsstrategie, dass global nur mit einem Distributor plus einem Online-Lagerdistributor gearbeitet wird, ist für uns daher sicher nicht von Nachteil.
In der Komponenten-Industrie gab es in den letzten zwei Jahren Akquisitionen im Wert von an die 100 Milliarden Euro, was die Lieferkette ordentlich durcheinandergewirbelt hat. Welche Auswirkungen haben die Merger auf Herstellerseite auf die Online-Distribution?
Für die Kunden ist es nicht einfach, den Durchblick zu behalten, und es wird natürlich immer schwieriger für sie, einen zuverlässigen Partner zu finden. Oft etwa werden Waren im Zuge von Firmen-Mergern nicht abgekündigt, sondern nur auf lange Lieferzeiten gesetzt. Wir versuchen hier ständig up-to-date und ein verlässliches Informationsportal zu sein. Das schätzen unsere Kunden, wie wir nicht zuletzt an unserem Wachstum sehen.
Nicht nur in der Lieferkette, auch auf politischer Ebene ist es turbulent – siehe Brexit. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Wir wollen natürlich klarstellen, dass wir ein starker Partner sind und die Vielfalt Europas abbilden. So haben wir in den letzten zwölf Monaten weiter in den Ausbau unserer Bezahlwährungen investiert: Neu hinzugekommen sind die Währungen Polens, Ungarns, Tschechiens, Rumäniens und der Schweiz. Und das zahlt sich aus – ein schönes Beispiel: Der Schweizer Franken ist die derzeit am schnellsten wachsende neue Währung bei uns, wenn man die Anzahl der neuen Kunden betrachtet.
Der 24/7-Service wurde vor Kurzem für Europa weiter ausgebaut. Was genau steckt dahinter?
Dieser Service wird rein von Digi-Key-Mitarbeitern bewerkstelligt und umfasst technischen Support und Customer-Service. Er ist verfügbar für alle Kunden, auch ohne Registrierung, über Live Chat, per E-Mail oder auch klassisch über Telefon. Die Kunden nutzen dieses Angebot sehr intensiv. Wir wickeln täglich 1000 bis 1200 Anfragen ab.
Auch die momentane Verfügbarkeitssituation dürfte das Wachstum von Digi-Key beflügeln…
Die Verknappung führt dazu, dass Kunden Hamsterkäufe tätigen, um sicherzustellen, dass sie ihre Produktion am Laufen halten können; das betrifft viele Produktbereiche wie zum Beispiel die AECQs für den Automotive-Markt.
Dadurch, dass wir über 75 neue Hersteller im Programm haben, können wir mit einem umfangreichen Lageraufbau für unsere neuen Partner, aber auch bei traditionellen Produkten punkten. Auch die Hersteller haben ein vitales Interesse daran, dass die Lager-Online-Distribution adäquat bedient wird, weil von unseren Kunden – allen voran Entwicklern, Ingenieurbüros und Startups – die neuen Designs getrieben werden.
Die Startups haben sich zu einer interessanten Klientel für Distributoren entwickelt. Wie unterstützt Digi-Key die Youngsters?
Der Support fängt schon in Forschung & Lehre an: Für Universitäten und Labore bieten wir eine eigene Landing-Page auf der Webseite mit spezifischen Informationen. Und neue Firmen unterstützen wir schon seit 45 Jahren; wir waren seinerzeit selbst ein Startup. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Startup nicht nur Geld und ein Büro braucht und nicht nur einen wortgewandten Berater „aus der Höhle des Löwen“, sondern handfeste Unterstützung, um das Produkt funktions- und marktfähig zu machen. Einfach zusammengefasst: Wir sind das Bindegelied zwischen Hersteller und Markt und stehen den Unternehmen über Auswahlhilfen und technische Ressourcen mit Rat und Tat zur Seite.
Last but not least: Ihr Ausblick für die Distribution 2018?
Die Herausforderungen rund um die Digitalisierung und die angespannte Marktsituation werden uns auch in den nächsten Quartalen beschäftigen, ebenso wie die Konsolidierung in der Herstellerwelt. Der größte Benefit lässt sich meines Erachtens generieren, wenn man in der Digitalisierung das Zepter vorbehaltlos in die Hand nimmt und sich nicht von Negativparolen einschüchtern lässt. Digitalisierung heißt nicht „ohne Mitarbeiter“, sondern mehr Effizienz durch Prozessverbesserung und End-to-End-Verbindungen.
Eine Riesen-Herausforderung sehe ich im Bildungswesen: Die Industrie verändert sich so derart rasant, dass die Inhalte in den Hochschulen gar nicht so schnell angepasst werden können.
Und was uns anbelangt: Wir sind hier angetreten für den Marathon und nicht nur für den Sprint. Ich bin überzeugt davon, dass das breiteste Portfolio entscheidend ist, um ein nachhaltiges Wachstum auch in den kommenden Jahren zu generieren.