Und am Ende ist jeder Spezialist?

Spezialdistribution vs. Broadlinertum

18. April 2011, 12:08 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

In die Commodity-Schublade will sich niemand stecken lassen

Und am Ende ist jeder Spezialist? Als Broadliner klassifiziert zu sein, scheint für einige der Großen jedenfalls ein negatives Stigma. So will sich selbst Arrow als sehr breit aufgestellter Distributor nicht in die Schublade des Commodity-Vertriebs stecken lassen, wie Andreas Falke klarstellt, Sales Director North von Arrow: »Wenn die Bezeichnung ’Spezialist’ bedeutet, dass man technischen Ressourcen zur Verfügung hat und im Projekt möglichst weit vorne beim Design-in ansetzt, dann ist das doch das Ziel eines jeden Distributors. Denn allein mit Commodities generiert heute niemand mehr relevantes Geschäft.« Auch Future Electronics sieht sich nach Aussage von Thomas Brachtel, Managing Director Central Europe von Future Electronics, trotz der üppigen Linecard mit über 200 Herstellern nicht als klassischer Broadliner, »weil wir 80 Prozent des Geschäftes alleine mit 17 Linien generieren«, erklärt Brachtel.

Ein entscheidendes Argument für das Broadlinertum gibt es aber doch: Möchte ein Einkäufer die Anzahl seiner Lieferanten reduzieren, entscheidet er sich oft bewusst für einen Distributor, der, wie der Name schon sagt, die komplette Bandbreite von Passiv bis hin zur Elektromechanik liefern kann. Und hier kann die Bezeichnung »Broadliner« durchaus ein hilfreiches Verkaufsargument sein. Nicht zuletzt aus diesem Grund setzt Rutronik bewusst auf den Begriff »Broadliner«.

Wer viele Linien hat, kann kaum mit allen aktiv Demand Creation betreiben, so zumindest ein gängiges Vorurteil. Doch dass sich Broadlinertum und Demand Creation ausschließen, verneint Ulinski. Schließlich lebe auch ein Broadliner wie Rutronik nicht nur von der Logistik, sondern lege auch großen Wert auf Demand Creation. Wichtig, so Ulinski, ist es dabei, sich auf bestimmte Kernbereiche zu fokussieren, die Rutronik mit vertikalen Strukturen gezielt adressiere.  

Daran, dass die Distributoren ihre Produkte nicht nur als »Karteileichen« auf einer Linecard führen, sondern möglichst viele Projekte generieren, sind schließlich auch die Hersteller interessiert. Wie sich der Distributor dabei bezeichnet, ist für den Hersteller letztlich egal. »Entscheidend ist, dass unsere Distributoren sehr eng mit den Entwicklungsabteilungen zusammenarbeiten und für uns Geschäft generieren«, bringt Lutz van Remmen, Sales Manager Geography & Distribution von Freescale, seine Anforderungen auf den Punkt. »Dazu müssen wir unser Distributionsnetzwerk so aufbauen, dass wir verschiedene Stärken nutzen können.« Und was ist für ihn dabei besonders wichtig? »Eine hohe Marktdurchdringung bei möglichst vielen Kunden und natürlich technische Kompetenz.« Das wiederum dürfte aber in Summe für einen kleineren Distributor nur schlecht umsetzbar sein.

Heißt das also: Großer Hersteller gleich großer Distributor? Nach Meinung der Runde lässt sich das so  einfach nicht sagen. Denn, so Knappmann, es gibt immer mehr Hersteller, die sich auf der Linecard der Großen in der Menge nicht besonders wohl fühlen, sondern sich lieber einen kleineren Distributor suchen, der dafür die Linie intensiv vertritt. Deshalb ist auch nicht zu erwarten, dass sich die Distributionslandschaft in Zukunft konsolidieren wird, sondern die Zahl der Distributoren, die sich um wenige komplementäre Linien kümmern, und damit der Trend zur Spezialisierung, könnte sogar noch zunehmen. 

Der Ringschluss »kleiner Hersteller gleich kleiner Distributor« liegt da schon eher nahe: Hy-Line Computer Components jedenfalls wählt seine Linien komplementär aus und nicht anhand des zu erwartenden Umsatzvolumens, weil, wie Dibold betont, auch »auch ein Jahresumsatz von 500.000 Euro mit einem Hersteller interessant für uns ist. Die Großen fangen erfahrungsgemäß unter 2 bis 3 Millionen gar nicht erst an.«

Die Forderung der Hersteller nach intensiver Design-in-Arbeit, verbunden mit Demand Creation, will aber auch finanziert sein. Schließlich setzt das voraus, dass der Distributor technisch versiertes Personal aufbaut, beschäftigt und laufend schult. Und diese Kosten wälzen erfahrungsgemäß viele Hersteller auf die Distributoren ab. Kompensiert wird das zwar teils durch Demand Creation Fees, die der Distributor vom Hersteller erhält, aber die Personalkosten per se bleiben am Distributor hängen.

»Wir unterstützen die Distributoren bestmöglich und stehen auch finanziell hinter dem Konzept ’Demand Creation’«, betont Ali Sahin Regional Sales Manager Central & Eastern Europe von National Semiconductor. Wie diese Unterstützung aber genau aussieht, dazu wollen sich die im Forum vertretenen Hersteller nicht äußern.

Fest steht: Die Distribution ist ein essenzieller Vertriebskanal für die Hersteller, denn viele von ihnen können den Markt selbst nur bedingt abdecken. So generiert beispielsweise National Semiconductor sogar zwei Drittel des Umsatzes über die Distribution. »Die technische Beratungsexpertise im Analog-Umfeld plus die Logistikvorteile, die die Distribution bietet, sind für uns ein wichtiger Mehrwert und treiben unser Wachstum mit voran«, verdeutlicht Sahin die Bedeutung der Distribution für National Semiconductor.

Auch bei FCI Electronics hat die Distribution mit circa 55 Prozent einen hohen Stellenwert, und das mache sich besonders beim Neugeschäft bemerkbar, erklärt Michael Clarner, Distribution Key Account Management EMEA von FCI Electronics: Das gelte umso mehr, weil »wir davon ausgehen müssen, dass etwa 30 Prozent unseres bestehenden Geschäftes pro Jahr wegfallen. Weil das Endprodukt nicht mehr verkauft wird oder das Projekt nach Asien verlagert wird, müssen wir Jahr für Jahr diesen Wegfall plus unser angestrebtes Wachstum durch neue Designs kompensieren.« Und hier setzte FCI Electronics sehr stark auf die Distribution.


  1. Spezialdistribution vs. Broadlinertum
  2. Nur eine Frage der Wortwahl?
  3. In die Commodity-Schublade will sich niemand stecken lassen
  4. Nur wer sich gut betreut fühlt, kauft ein

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