Aus der Praxis: Supply Chain Management beim EMS und OEM

Mehr Flexibilität in der Fertigung - wie funktioniert das?

21. November 2011, 9:34 Uhr | Karin Zühlke
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Einheitlicher Pulsschlag von 15 Minuten

Dr. Uwe Schmidt-Streier, Flextronics SBS Germany
Dr. Uwe Schmidt-Streier, Flextronics SBS Germany: »Wir arbeiten heute mit schlanken Prozessen, statt hohen Beständen.«
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Die weit verbreitete Behauptung, dass man sich Flexibilität zu Lasten hoher Bestände »erkaufen« muss, widerlegt Dr. Uwe Schmidt-Streier, Geschäftsführer von Flextronics SBS Germany. Im Gegensatz zu SECM ist Flextronics SBS ein reiner EMS-Dienstleister, der ausschließlich Fremdprodukte fertigt.

Schmidt-Streier betreibt seine Fertigung in Paderborn strikt nach dem Lean-Prinzip: »Wir arbeiten heute mit schlanken Prozessen, statt hohen Beständen«, erklärt der Firmenchef. » Begonnen hat Flextronics SBS in Deutschland damit schon vor einigen Jahren mit der Übernahme des Mitbewerbers Solectron. Inzwischen ist es Flextronics SBS Germany gelungen, seine Prozesse nach dem Vorbild des Automobilherstellers Porsche noch weiter zu verschlanken: Der Premiumhesteller arbeitet Just-in-Time und fährt dabei eine konsequente Single-Source-Strategie und hat selbst nur eine niedrige Wertschöpfung im Haus. Die meisten Teile kommen von den über 600 Zulieferern. »Eine hohe Liefertreue und niedrige Bestände widersprechen sich nicht, im Gegenteil: Durch ein integriertes Bedarfsmanagement, kleinere Losgrößen sowie abgestimmte Bestell- und Produktionsmengen lassen sich sogar beide Größen verbessern«, schildert Oliver Neumann, Projektmanager bei Porsche Consulting. Denn auch wenn sich die Anforderungen an einen Automobilhersteller und einen EMS-Anbieter hinsichtlich der Varianz des Produktspektrums und die Bandbreite der Flexibilität deutlich unterscheiden, sind bewährte Prinzipien dennoch übertragbar. So ist Porsche im Gegensatz zu anderen Automobilherstellern eine Manufaktur mit niedrigen Volumen und dabei einer hohen Produktvarianz. Alleine das Dashboard gibt es in 600.000 unterschiedlichen Variationen.

Damit die Fertigung auf diese Weise auch wirklich funktioniert und es nicht zu Flaschenhälsen und Engpässen kommt, müssen die Prozesse allerdings absolut stabil sein. Mit Unterstützung von Porsche Consulting ist es auch Flextronics SBS gelungen, seine Anlageneffizienz deutlich von 40 auf 70 Prozent zu steigern und die Umrüstzeit von 30 auf 15 Minuten zu reduzieren. Dafür werden alle Arbeitssysteme in einem starren Takt von 15 Minuten mit Rohmaterial versorgt und von Fertigwaren entsorgt. Dieser Pulsschlag von 15 Minuten sorgt für die erforderliche Stabilität und zieht sich durch die gesamte Fabrik. Umorganisiert werden musste im Zuge dessen auch das Lagersystem vom chaotischen Lager hin zum Kaizen-Prinzip, das man sich ähnliche wie im Supermarkt vorstellen kann: Wenn ein Regal leer ist, wird wieder aufgefüllt.

Auch die Materialanlieferung ist getaktet: A-Teile kommen zwei Mal pro Monat, B und C Teile 1 Mal pro Monat. Eine solche getaktete Anlieferung sorge für mehr Planungsgüte und gebe darüber hinaus auch dem Lieferanten mehr Stabilität, erklären die beiden Referenten von Flextronics und Porsche Consulting. Außerdem ist eine getaktete Anlieferung einfacher nachzuverfolgen. Das Ergebnis dieser Umorganisation des Lagers sind laut Schmidt-Streier niedrigere Bestände und trotzdem eine bessere Materialverfügbarkeit. Den Materialfluss in der Fabrikhalle haben die Paderborner im Zuge des Lean-Managements ebenfalls verbessert: Früher wurde die Ware mit Handwagen transportiert, heute gibt es dafür Elektrozüge.     

»Die Verbesserung geht von innen nach außen nach dem Zwiebelschalenprinzip.  Sie beginnt in der Fertigung als Keimzelle und geht dann über Materialwirtschaft, Einkauf Vertrieb, etc. bis zu den Lieferanten und Kunden«, so Neumann.

Erprobt hat Flextronics SBS die Verbesserungen erst einmal an einem Pilotkunden: Dieser generiert etwa 15 Millionen Euro Jahresumsatz mit 200 unterschiedlichen Produkten. Sukzessive will der EMS-Dienstleister das Prinzip nun auf alle relevanten Kunden übertragen.


  1. Mehr Flexibilität in der Fertigung - wie funktioniert das?
  2. Einheitlicher Pulsschlag von 15 Minuten
  3. »Der Markt gibt den Takt vor!«

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