Den Königsweg hin zu mehr Transparenz und Flexibilität in der Lieferkette sieht Johann Weber, Vorstandsvorsitzender von Zollner Elektronik, in der atmenden Supply Chain: »Der Markt gibt den Takt vor! - Eine intensive und erfahrene Marktbetrachtung sowie das richtige Gefühl für die Prognosen und eine gesamtheitliche Supply Chain sind deshalb unabdingbar.« Ein bedarfsorientierter Wertschöpfungsprozess, der mit Hilfe von Wertstromanalysen ständig verbessert wird, sieht Weber dafür als Grundvoraussetzung. Wichtig sind laut Weber auch ein optimaler Informationsfluss sowie eine enge Kommunikation in der Lieferkette über alle Stufen der Wertschöpfung hinweg. »Es ist nicht unsere Aufgabe die Zukunft vorauszusagen, sondern auf sie gut vorbereitet zu sein«, stellt Weber in seinem Vortrag klar. Damit das gelingt, sind laut Weber vor allem Partnerschaften in der Lieferkette entscheidend. Man müsse Synergien nutzen, um flexibel zu bleiben. Und damit nimmt Weber unter dem Stichwort »gesamtheitlicher Wertstrom« seine Lieferanten und Kunden auch ein Stück weit mehr in die Pflicht: Es reicht schließlich nicht, wenn nur der EMS selbst Prozesse optimiert, auch die Lieferkette hin zum Lieferanten - Hersteller und Distributoren - auf der einen Seite und Kunden auf der anderen Seite muss man in den Optimierungsprozess mit einbeziehen. Nur so bekomme man als Ergebnis eine atmende Supply Chain, so Weber. Und erst sie führt nach Ansicht von Weber zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten der Lieferkette, indem sie für die nötige Flexibilität in der Lieferkette sorgt.
So setzt Weber in seinen Werken beispielsweise auf die Lieferantenselbststeuerung und Produktionsinseln. Dabei kommen die Materiallieferungen nicht mehr als Einzelteile sondern als Bauteile-Kits direkt Ship-to-Line in die Fertigungsinseln des EMS-Dienstleisters. Das Ergebnis: Es gibt für die Inselproduktionen weder einen Wareneingang noch eine Warenannahme oder eine Wareneinlagerung. Auch der administrative Aufwand für den Einkauf reduziert sich deutlich. So waren in einem Beispiel vor der Umstellung auf die Ship-to-Line-Inselproduktion 135 Lagerfächer und 80 Palettenstellplätze erforderlich. Jetzt sind es in beiden Fällen Null. Auch in punkto Einzelteile fällt die Verbesserung deutlich aus: Vorher bekam der EMS zum Beispiel für ein Produkt 212 Stück Einzelteile geliefert, jetzt sind es 25 Sätze an Bauelementen. Die Lieferantenselbststeuerung funktioniert aber nicht nur vom Bauteile-Lieferanten hin zur Produktion, sondern auch in die andere Richtung, nämlich vom EMS zum Kunden, wie Weber erörtert: »Dabei produzieren wir täglich nach dem Bedarf des Kunden und beliefern den Kunden täglich, wie sein Takt es vorgibt ebenfalls Ship-to-Line, beispielsweise wenn es sich um ein Zulieferprodukt handelt.« Ist das EMS-Produkt ein Endgerät, die ebenfalls zum EMS-Spektrum von Zollner zählen, liefert Zollner sogar direkt an den Endkunden seines Kunden, um die Lieferkette weiter zu vereinfachen.
Damit solche Konzepte in der Praxis funktionieren, ist allerdings schon einiger theoretischer Aufwand erforderlich: Geplant werden die Wertströme bei Zollner am Computer mit der Software »Digitale Fabrik« und ergänzend dazu führt der EMS Simulationsstudien durch. Für OEMs ist die Digitale Fabrik inzwischen zum festen Bestandteil der Produktionsgestaltung geworden, beim EMS sind solche theoretischen Planungswerkzeuge aber noch längst nicht Standard. Dabei lassen sich mit Hilfe solcher Werkzeuge nicht nur die Produktion, sondern letztelich die komplette Supply Chain optimieren, wie Weber in seinem Vortrag aufgezeigt hat.