Viele Distributoren werben derzeit verstärkt mit vertikalen Teams: So hat beispielsweise Future neben »Future Lighting Solutions« und »Future Energy Solutions« eine weitere Business Unit gegründet: die »Future RF&Wireless Solutions«. Erfolgreich ist der kanadische Distributor mit seiner vertikalen Strategie bereits seit Jahren: Mit Future Lighting Solutions hat er als einer der ersten Distributoren ganz dediziert den Lichtmarkt rund um die LED adressiert. »Wir wissen, wie das Konzept der vertikalen Business Units funktioniert, und wollen das Erfolgsmodell der Lighting Solutions auch auf andere Bereiche übertragen«, so Gerald Meier, Marketing Manager Central Europe von Future Electronics.
MSC will ebenfalls mit einer eigenen Division im Wireless-Segment durchstarten. Rutronik hat seine vertikalen Fokus-Bereiche teilweise neu strukturiert, und Silica hat vor kurzem ein eigenes Lighting-Team gegründet. In ein vertikales Schema will sich Silica dabei aber nicht pressen lassen, wie Karlheinz Weigel betont, Vice President Central Europe von Silica. Nach Ansicht von Weigl sollte die Distribution prinzipiell nicht vertikal, sondern horizontal aufgestellt sein. »Wir wollen eine möglichst breite Kundenbasis adressieren. Aus unserem Halbleiterportfolio können wir einen Industriemarkt und die Medizinelektronik genauso bedienen wie den den Automotive-Markt und die Kunden mit Commodities beliefern. Dazu bedarf es keiner Vertikalisierung.« Ausnahmen sieht Weigl in Spezialmärkten wie Lighting, weil dieser Markt eine andere Kundenansprache benötigt als die klassischen Elektroniksegmente.
Auch beim Broadliner Arrow gib es laut Klaus Knoblauch, Sales Director North von Arrow Central Europe, keine kategorische vertikale Struktur. Wie die einzelnen Segmente wie Automotive, Lighting, Mil/Aero und Medizinelektronik zielgruppengereicht adressiert werden, ist regional unterschiedlich, je nachdem wie stark das Segment in den einzelnen Regionen ist. Die Ansprache dieser Segmente lässt sich demnach nicht über einen vertikalen Kamm scheren, sondern wird von den geografischen Gegebenheiten, Voraussetzungen und Anforderungen beeinflusst.
Mit seinen sechs »Vertical Market Teams« adressiert Rutronik die Märkte Lighting, Medical, Energy, Industrial, Automotive und Home-Appliance. Hier bündelt der Distributor die Fachleute aus allen Unternehmensbereichen: Die Teams bestehen aus Produktingenieuren und Field-Application-Engineers aus den Bereichen aktive und passive Bauelemente sowie Elektromechanik, dazu kommen Wireless- und Display-Spezialisten und Vertriebsleute. »Wir bündeln das Applikationswissen zu einem Gesamtpaket über alle Produktbereiche«, erklärt Andreas Mangler, Director Strategic Marketing von Rutronik. Denn Ziel dieser Teams sei es nicht, nur Bauteile zu verkaufen, sondern für neue Anforderungeprofile die passenden Produktpakete zusammenzustellen. Solche neuen Anforderungen ergeben sich zum Beispiel in Hybrid- oder Elektroantrieben durch zusätzliche Steuerungen.
Avnet Memec bildet die Vertikalisierung in erster Linie im technischen Bereich ab: »’Vertikal’ heißt für uns ’Expertenwissen’. Unser Ansatz ist es, schon in der Entwicklungsphase mit dem Kunden zusammenzuarbeiten«, so Rainer Maier, Technical Sales Manager Germany. Dabei geht es Avnet Memec nicht darum, möglichst viele Applikationsfelder zu bedienen, sondern der Halbleiterspezialist konzentriert sich auf wenige Segmente, darunter Industrieautomation, Aerospace & Defense und Medizintechnik.
Ob Lighting, Smart Metering oder Elektromobilität: Kunden bei neuen Herausforderungen zu begleiten und zu unterstützen, das ist laut Roberto Dobrilla, Vertriebsleiter von MSC, Sinn und Zweck der vertikalen Teams in der Distribution. »Plötzlich muss sich ein Fahrradhersteller mit Elektromotoren auseinandersetzen und ein Licht-Planer mit Ambient-Beleuchtung. Hier entsteht eine ganz neue Klientel, die eine ganz eigene Ansprache braucht. Ein Distributor müsse in der Lage sein, das erforderliche Spezialwissen aufzubereiten, um den Kunden in diesen neuen Märkten anzuleiten.
Beim Katalogdistributor sind vertikale Strukturen nicht sinnvoll
Welche Rolle spielt die Vertikalisierung für die Katalogdistribution? Der Katalogdistributor ist originär der Prototyp eines klassische Broadliners, führt Stephan Stammberger aus, Country Manager Germany von RS Components. »Wir haben ein Sortiment von fast 600.000 Produkten und sind als Katalogdistributor von einer Vertikalisierung maximal weit entfernt.« Das erwarte der Kunde von einem Katalogdistributor aber auch nicht. Obwohl es mittlerweile Katalogdistributoren gibt, die versuchen, ein vertikales Schema abzubilden, wird RS auf diesen Zug nicht aufspringen, betont Stammberger: »Es ist modern, vertikal aufgestellt zu sein, aber wir sind der Überzeugung, dass wir uns eher selber kasteien würden, wenn wir uns auf vertikale Märkte fokussieren würden.« Um persönliche Beratung durch FAEs, die spezielles Wissen in vertikalen Bereichen mitbringen, geht es im Geschäftsmodell von RS nicht. Vielmehr gehe es darum, dem Kunden auf einer Plattform all das zu bieten, was er sucht, und das mit Hilfe ausgeklügelter Suchalgorithmen so schnell und präzise wie möglich.