Entscheidend über den Erfolg von Simulationsansätzen ist die Modellbildung, die auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus stattfinden kann. Das Verständnis von Vorteilen und Grenzen des jeweils gewählten Simulationsansatzes spielt eine wichtige Rolle. Um das Verhalten eines komplexen automobilen ECU-Systems in Hinsicht auf EMV aussagekräftig abzubilden, wird häufig ein Partitionierungsansatz verwendet. Das zu simulierende ECU-System wird in einem ersten Schritt in kleinere Komponenten wie Leiterplatte, Stecker und Kabel zerlegt. Diese Teile lassen sich hinsichtlich ihres EMV-Verhaltens getrennt anhand einer 3D-Feldsimulation analysieren. Anschließend werden die einzelnen Komponenten mit Hilfe diskreter Modelle in einer Systemsimulation miteinander verknüpft.
Bei einer 3D-Feldsimulation werden die Maxwell-Gleichungen durch numerische Methoden in einem vorgegebenen Volumen gelöst. Der Anwender gibt hierbei die zu analysierende Geometrie vor, beispielsweise Stanzgitter der Leistungselektronik einer ECU, und definiert Anregungspunkte. Als typische Ausgangsgrößen erhält man Streuparameter, Ströme und Felder sowie deren geometrische Verteilung im Raum. Besonders die Möglichkeit, die Feld- und Stromverteilung zu visualisieren, kann hilfreich sein, denn diese ist in der Regel nicht mit Hilfe von Messungen erfassbar. Damit erhält der Entwickler wertvolle Informationen, zum Beispiel über mögliche Koppelpfade in der ECU-Struktur. Typische Anwendungen: die Berechnung der Rückstromverteilung auf dem Referenz-Layer einer Leiterplatte, Verkopplung von Feldern aus montierten Spulen, Resonanzbildung zwischen Bauteilen und Gehäusen oder das Übertragungsverhalten eines Steckers.
Sind Komponenten eines Systems räumlich voneinander getrennt installiert und beeinflussen sich nicht gegenseitig durch eine gestrahlte Störaussendung – wie ein Sensor, der über ein Kabel an eine ECU angeschlossen ist – ist es nicht sinnvoll, das komplette System in einer 3D-Feldsimulation für eine EMV-Systemsimulation abzubilden. Der Rechenaufwand und die benötigte Simulationszeit würden in diesem Fall erheblich ansteigen, aber die Genauigkeit der Simulationsergebnisse würde durch diesen Ansatz nicht nennenswert verbessert werden.
Um dieses Problem zu umgehen, bietet es sich an, die komplementären Vorteile einer diskreten Systemsimulation mit der 3D-Feldsimulation zu kombinieren. Hierzu werden hochgenaue EMV-Modelle für die Komponenten des Steuergerätes in einer 3D-Feldsimulation mit Hilfe von CST STUDIO SUITE erstellt und als diskrete Modellkomponenten in einem Systemsimulator wie Saber integriert. Somit ergibt sich ein Gesamtmodell für die EMV-Systemsimulation der ECU. Dieser Partitionierungsansatz bündelt die Stärken beider Simulationsmodelle in einer integrierten Lösung: die Notwendigkeit, hochgenaue EMV-Komponentenmodelle einzusetzen und gesamtsystemisch zu simulieren. Die Systemebene ermöglicht es, Verhaltensmodelle einzusetzen, um beispielsweise die Logik von Regel- und Steueralgorithmen wie bei einer PWM modelliert in VHDL oder anderen Beschreibungsformen in die Gesamtsimulation zu integrieren. Somit lässt sich das elektromagnetische Emissionsverhalten der ECU präzise analysieren.
Zusätzlich verfügt Saber über eine umfangreiche Bibliothek von Modellen wie Leistungstransistoren oder IGBTs, die der Entwickler unmittelbar nutzen kann. Diese können mit den aus der Feldsimulation generierten EMV-Modellen kombiniert und simuliert werden. Um den Entwicklern eine nahtlose Verbindung zwischen Saber und der CST STUDIO SUITE bei der Integration der aus der Feldsimulation erstellten Modelle an die Hand zu geben, haben Synopsys und CST eine Schnittstelle entwickelt, die einen fast vollständig automatisierten Austausch der Modelle von CST STUDIO SUITE zu Saber ermöglicht (Bild 1). Der Datenaustausch basiert auf dem standardisierten Touchstone-Format für Streuparamater. Mit nur wenigen Klicks lassen sich in der CST STUDIO SUITE die Ergebnisse einer durchgeführten 3D-Feldsimulation exportieren. Der Export erzeugt automatisch alle Dateien, die für die Systemsimulation in Saber notwendig sind. Diese Dateien können beispielsweise per Drag & Drop in die Modellbibliothek von Saber importiert werden und stehen somit direkt für die anschließende Systemsimulation zur Verfügung