Interview mit Dr. Henning Hausenstein von International Rectifier

GaN-Bausteine für Automotive - kein Ding der Unmöglichkeit

26. Juli 2012, 15:08 Uhr | Steffi Eckardt
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Wo genau liegt der Mehrwert für den Anwender?

Elektronik: Wo genau liegt der Mehrwert für den Anwender?

Dr. Hauenstein: Das Silizium ist natürlich nur so effizient wie das Package. Aus diesem Grund haben wir die -CooliR2-Package-Plattform in der Entwicklung. Dabei handelt es sich um eine kostengünstige, komplette Subsystemlösung, die dem Kunden zugutekommt. Jeder hat unterschiedliche Fähigkeit, das Silizium zu verarbeiten. Es ist teuer, die dünnen IGBTs und Dioden zu verarbeiten. Da muss das entsprechende Equipment gekauft werden; Erfahrung und Reinraum sind notwendig, um diese dünnen IGBTs mit der richtigen Zuverlässigkeit in Module einzubauen. Große Hersteller, wie Bosch oder Continental, haben solche Fertigungseinrichtungen. Aber wenn man einen großen Markt anspricht, gibt es natürlich auch Kunden, die mit dünnen Wafern nichts anfangen können oder wo diese zumindest eine Barriere darstellen.

CooliR2Bridge im Vergleich
Bild 2. Die CooliR2Bridge ist im Vergleich zu vorherigen Produkten kleiner, robuster und zuverlässiger.
© International Rectifier

Deshalb gibt es den CooliR2DIE, also vormontierte IGBTs und Dioden in einem Package. Dieses lässt sich einfach löten - und zwar ohne Bonddrähte und es ist beidseitig kühlbar. Damit sind wir die Ersten, die jedermann in die Lage versetzen, beidseitig kühlbare Lösungen zu entwickeln. Das bedeutet, dass sich der Kunde sein Modulsubstrat selbst entwickeln kann. Also eine kundenspezifische Lösung, die teuer wäre, wenn wir als Halbleiterhersteller 20 bis 30 unterschiedliche Lösungen entwickeln müssten. Deshalb stellen wir eine standardisierte, vorverpackte Lösung zur Verfügung. Der Kunde kann dann Umrichter, Halb- oder Vollbrücken auf seinem Substrat  realisieren. Wir bieten einen standardisierten Preisansatz an - wie beim DirectFET haben wir verschiedene Bausteine, mit denen der Anwender verschiedene Stromgrößen verfügbar hat. Er kann dann seine Lösung erstellen, die er auf seinem Modulsubstrat auflötet, und muss sich nicht mit dem Silizium ärgern. Des Weiteren gibt es diejenigen, die eine höhere Integrationsstufe bevorzugen, also die ein kleines Modul haben wollen. Da haben wir mit der CooliR2Bridge eine Halbbrückenlösung, die aus IGBT und Diode für die Low- oder die High-Side besteht. Im Wesentlichen ein Pfad für den Motor-Inverter. Der Entwickler kann drei davon auf seinen Kühlkörper oder seine Wasserkühlung montieren und hat einen vollwertigen Inverter. Er kann sie parallelisieren und so diverse Stromdichten und Hybridfahrzeuggrößen ansprechen. In der Regel haben diese eine Plattform, brauchen aber je nach Fahrzeuggröße höhere Stromdichten, was sich durch das Parallelisieren unserer Module realisieren lässt. Das ist für Anwender interessant, die nicht ihr eigenes Modul entwickeln, sondern schnell zu einer Inverter-Lösung kommen möchten und daher ein vorverpacktes Halbbrückenmodul einfach partitionieren. So sprechen wir die gesamte Kundenpalette mit verschiedenen Fähigkeiten an: Angefangen von denen, die Silizium verarbeiten können, über diejenigen, die in einem Grauraum halbverpacktes Silizium montieren möchten und sich ihr Modul kundenspezifisch arrangieren wollen, bis hin zu solchen, die Halbbrückenmodule kaufen und nur auf Systemebene partitionieren und verpacken. Damit adressieren wir als erstes Unternehmen die gesamte Hybridfahrzeugpalette mit dem Plattformgedanken.

Elektronik: Das heißt, die Nachfrage ist entsprechend hoch?

Dr. Hauenstein: Ich würde sogar sagen, die Nachfrage ist extrem erfolgreich und reicht weltweit von Tier-1- bis hin zu kleineren Kunden. Wir sind momentan beim Design-In in Deutschland, China, Japan wie gesagt, den USA und sprechen mit Korea. Die Nachfrage ist sogar so hoch, dass wir zu Gunsten einer schnellen Time to Market limitieren müssen. Wenn man jetzt mit zu vielen Kunden spricht, ist das eher bremsend. Deshalb haben wir eine gewisse Anzahl an Kunden pro Region selektiert.

Elektronik: Breite Masse - auch über Distributoren?

Dr. Hauenstein: Die neuen Produkte sind absolut distributionstauglich. Nicht unbedingt das Silizium, aber das CooliRDie und die CooliRBridge - und zwar auf einem Niveau, dass ein Distributor diese auch an kleinere Kunden verkaufen kann. Normalerweise werden keine Module für kleine Kunden oder in kleinen Stückzahlen entwickelt, weil Werkzeug- und Verpackungsaufwand zu hoch, sprich einfach zu teuer sind. Dem wirken wir entgegen: Der standardisierte Ansatz ermöglicht dem Anwender eine hohe Flexibilität und uns die maximale Produktstandardisierung, was sich in den Kosten widerspiegelt. So sind wir in der Lage, eine kostenoptimierte Lösung anzubieten, und der Kunde muss nur noch partitionieren. Ich denke, damit liegen wir durchaus auf der richtigen Linie, was man auch daran sieht, dass diverse Wettbewerber in diese Richtung tendieren. Unternehmen, die zuvor ganze Umrichter angeboten haben, versuchen jetzt, einfache, kleine, subpartionierte Verpackungseinheiten auf den Markt zu bringen.

Elektronik: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel - was folgt auf der Roadmap?

Dr. Hauenstein: Die Produkte, die wir jetzt eindesignen, sind für Fahrzeugmodelle 2015/2016 vorgesehen. Danach müssen wir an die Modelle 2018/2019 denken. Das Gute ist - unser Konzept ist unheimlich gut entwicklungsfähig. Um das Ganze zu optimieren, wären 200-Grad-Produkte der nächste Schritt. An dieser Stelle muss die Verpackung mitziehen. Das heißt für die CooliR-Plattform, dass das Lötmaterial mit einer besser geeigneten Alternative ersetzt werden muss. Dann lassen sich auch die thermischen Übergangswiderstände reduzieren. Ein anderes Thema liegt auf der Funktionsseite, nämlich die Stromsensierung. Wenn man diese im Gerät und im IC implementiert,  lassen sich die Motoren besser kontrollieren. Das ist effizienter, weil  man externe Stromsensoren und somit Kosten spart. Wenn wir etwa 5 bis 10 Jahre vorausdenken - die Plattform ist dafür ausgelegt, dass sie mit unseren GaN-Produkten kompatibel ist. Die CooliR- und CooliR2-Plattform ist eine langfristige Strategie und Roadmap. Man fängt mit optimiertem Si an, dann kommen ein bis zwei Generationen an Si-Optimierungen, wie höherer Strom sowie ein moderne Aufbau- und Verbindungstechnik. Anschließend kann man durchaus daran denken, Silizium- durch Galliumnitrid-Halbleiter zu ersetzen. Das wird eine Zeitlang parallel gehen und natürlich muss die Zuverlässigkeit und Robustheit der GaN-Produkte belegt werden. Ist das erfolgt, sprechen wir über einen realistischen Ansatz im Automotive-Bereich.


Elektronik: Das dürfte allerdings recht kostenintensiv sein?

Dr. Hauenstein: Momentan versuchen wir, GaN im Consumer- und Industriebereich auf den Markt zu bringen. Mit einer dortigen erfolgreichen Implementierung und der richtigen Economy-of-Scale sollte es die entsprechenden Volumina geben. Dann ließen sich die Kosten - wenn es in den Automotive-Bereich kommt - in den Griff zu bekommen. Unsere GaN-auf-Si-Produkte sind von vornherein auf Kostenoptimierung ausgelegt und insofern denke ich, dass sich bei großen Stückzahlen attraktive Kosten auf Systemebene erzielen lassen. Viele neue Technologien haben das Pro-blem, dass Anwender denken, sie können ein Produkt direkt durch ein anderes ersetzen und es wird automatisch billiger. Das passiert aber nicht auf Device-, sondern auf Systemebene. Man muss die entsprechenden Vorteile beim Dualside-Cooling nutzen, dann kann man kleines Silizium verwenden und letztendlich erhält man den Kostenvorteil auf Systemebene.  Das ist auch bei unserer neuen Technologie so:  Dualside-Cooling wird implementiert, die Module lassen sich beidseitig kühlen - und wenn man dann später auf GaN umsteigt, ist die Systemverpackung bereits auf dem entsprechenden Niveau, nämlich hochtemperatur- fähig, beidseitig kühlbar und bond-drahtlos. Somit können wir Schritt für Schritt in den Markt vordringen. Das ist besser, als wenn plötzlich ein riesiger Technologieschub mit Galliumnitrid und gleichzeitig einer neuen Verpackung kommt.

Elektronik: Die Technik kommt nicht von ungefähr. Wie kriegt IR Ingenieure, vor allem im Bereich Elektromobilität?

Dr. Henning Hauenstein: Auch wir sind immer auf der Suche nach guten Elektro- /Elektronikingenieuren. Dazu haben wir mit dem Global-Rotation-Engineering-Program ein erfolgreiches zweijähriges Trainee-Programm für Hochschulabsolventen. Wir arbeiten auch sehr eng mit führenden Universitäten in USA, Europa und Asien zusammen, beispielsweise in Wisconsin. Des Weiteren haben wir viele Design-Center nicht nur in den USA, sondern auch in Europa, wie in Pavia, Italien, und in Frankreich, Aix-en-Provence, oder in Dänemark, wo das entsprechende Wissen aufgebaut werden kann. Wenn die Elektronik-/Elektrotechnik-Grundlagen stimmen, können sich die Ingenieure über Zusatzqualifizierungen das notwendige Wissen im Hochvolt-Bereich recht schnell aneignen.


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